Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahl der Gleichstellungsbeauftragten beim Bundesnachrichtendienst. Wahlanfechtung. erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts. Wahlwerbung der Kandidatinnen. Verbot strafbarer Ehrverletzung und sittenwidriger Wahlbeeinflussung. achtungs- und vertrauenswahrendes Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot
Leitsatz (amtlich)
1. Über die Anfechtung der Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin beim Bundesnachrichtendienst entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz.
2. Wahlwerbung der Kandidatinnen für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten unterliegt neben den Verboten strafbarer Ehrverletzung und sittenwidriger Wahlbeeinflussung sowie der nachhaltigen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs auch dem dienstrechtlichen achtungs- und vertrauenswahrenden Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot; dessen Reichweite wird seinerseits durch den weitgesteckten Rahmen der gesetzlichen Aufgabenstellung und das Prinzip der demokratischen Persönlichkeitswahl eingeschränkt.
Normenkette
BGleiG §§ 16, 18-20, 23; VwGO § 50
Tenor
Die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin beim Bundesnachrichtendienst vom 27. April 2006 wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
I
Mit Wahlausschreiben vom 16. März 2006 unterrichtete der Wahlvorstand für die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin im Bundesnachrichtendienst über den Wahltag (27. April 2006) und forderte die Mitarbeiterinnen auf, sich spätestens bis zum 30. März 2006 für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten oder der Stellvertreterin zu bewerben. Bis zum Ablauf dieser Frist gingen für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten fünf Bewerbungen ein, darunter diejenige der bisherigen Amtsinhaberin, der Beigeladenen zu 1, und für das Amt der Stellvertreterin zwei Bewerbungen, darunter diejenige der bisherigen Stellvertreterin, der Beigeladenen zu 2. In der Zeit vom 5. bis 12. April 2006 stellten alle Kandidatinnen in den für dienstliche Mitteilungen vorgesehenen elektronischen Informationsdienst (“Infoboard”) einen etwa 2-seitigen Werbebeitrag ein, mit welchem sie jeweils neben kurzen Angaben zur Person ihre Vorstellungen zur Erfüllung der mit dem Amt verbundenen Aufgaben darlegten. Die Wahlwerbung der Klägerin zu 1 vom 10. April 2006 hatte – im Anschluss an eine kurze persönliche Vorstellung – folgenden Wortlaut:
“Wie wichtig ist Ihnen ein Wechsel an der Spitze der Gleichstellung?
Mal ehrlich, was haben Sie in den letzten 12 Jahren an Gleichstellung erlebt?
Ist es Ihnen wirklich wichtig, auf sprachliche Gleichstellung zu pochen? Haben Sie schon davon profitiert, dass es bei Ausschreibungen einen Hinweis auf die Teilzeitform gibt oder Frauen bei gleicher Eignung bevorzugt werden?
Dass sich die Gleichstellungsbeauftragte als ein primäres Ziel Kontakte zu Betreuungseinrichtungen für Kinder am DO Berlin vornimmt, ist in meinen Augen doch sehr fragwürdig. Es dürfte wohl allgemein bekannt sein, dass die neuen Bundesländer, wenn überhaupt in einem Bereich, dann in dem Bereich der Kinderbetreuung, Spitze sind! Wie wäre es mit Kontakten zu Jobvermittlern, um den vom Umzug betroffenen Mitarbeiter/innen hilfreich zur Seite zu stehen?
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber an mir ist der Zug der Gleichstellung komplett vorbei gefahren. Ich nenne mich zwar nun Regierungsamtfrau (und nicht Amtmann), doch Schwangerschaft und Teilzeitbeschäftigung waren und sind nach wie vor Karrierebremsen schlechthin. Berufstätige Mütter werden nur schwer als vollwertige Arbeitskraft gesehen.
Ich weiß nicht, was in den vergangenen 12 Jahren bewegt wurde, Informationen und Zahlen oder gar Rechenschaftsberichte sind mir unbekannt. Wurden Sie schon einmal darüber informiert, wie Gleichstellung im Dienst funktioniert oder über Maßnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung? Haben Sie sich die Mühe gemacht, den Gleichstellungsplan einzusehen?
Transparenz und Information bei personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen sollten und müssen Kernpunkte sein.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor ein Brennpunkt. Flexible Teilzeitmodelle sind woanders schon durchaus üblich.
Ich bin seit ca. über 10 Jahren im Personalmanagement tätig und werde tagtäglich mit der Realität konfrontiert.
Eignung, Leistung und Befähigung, ich denke, bei diesen Stichworten fällt jedem von uns ein Beispiel ein, wo dies doch mindestens fragwürdig erscheint.
Es gibt kein Patentrezept gegen die zahlreichen Probleme, doch neue, starke Impulse sind einfach gefragt.
Lobbyarbeit von Frauen für Frauen, regelmäßige Informationen und Veranstaltungstreffs, eine fachlich kompetente Stimme für die Belange der Frauen würden im Dienst neue Impulse setzen.
Entscheiden Sie mit Ihrer Stimme, ob wir die nächsten Jahre im selben Trott bleiben
oder nicht.
Entscheiden Sie mit Ihrer Stimme, wer neue Impulse setzen kann.
Bitte gehen Sie am 27. April wählen!”
Mit elektronischer Nachricht vom 11. April 2006 teilte die Vorsitzende des Wahlvorstandes der Klägerin zu 1 mit, eine Weitergabe ihres Papiers in der derzeitigen Form an die Druckerei sei nicht möglich, weil sich ihre Wahlwerbung nicht auf Angaben zur Person und das Amt der Gleichstellungsbeauftragten beschränke. Zugleich wurde die Wahlwerbung der Klägerin zu 1 aus dem Infoboard genommen.
Nach Auszählung der persönlich und per Briefwahl abgegebenen Stimmen entfielen im Wahlgang für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten auf die Bewerberinnen:
Klägerin zu 3 |
198 Stimmen |
B… |
79 Stimmen |
Klägerin zu 1 |
110 Stimmen |
Beigeladene zu 1 |
540 Stimmen |
S… |
44 Stimmen |
Im Wahlgang für das Amt der Stellvertreterin der Gleichstellungsbeauftragten entfielen auf die Bewerberinnen:
Beigeladene zu 2 |
494 Stimmen |
M… |
449 Stimmen |
Nachdem die Beigeladenen die Wahl angenommen hatten, gab der Wahlvorstand am 3. Mai 2006 das Wahlergebnis bekannt.
Am 18. Mai 2006 haben die Klägerinnen die Wahl angefochten. Zur Begründung machen sie zahlreiche Wahlmängel geltend, insbesondere im Zusammenhang mit der Wählerinnenliste, dem Wahlausschreiben und der Zusendung der Briefwahlunterlagen. Hinsichtlich der Zurückweisung der Wahlwerbung der Klägerin zu 1 tragen sie vor: Zu einer zulässigen Wahlwerbung gehöre, dass die Möglichkeit bestehe, sich mit der bisherigen Gleichstellungspolitik der Amtsinhaberin kritisch auseinanderzusetzen. Der Versuch, Versäumnisse in der bisherigen Gleichstellungspolitik der Dienststelle offenzulegen und zu versprechen, diese Versäumnisse abzubauen, stelle ein legitimes Wahlprogramm dar, für das die Wahlbewerberin die Möglichkeit erhalten müsse, es im Einzelnen näher darzulegen. Die Grenze sei erst dann überschritten, wenn die Wahlwerbung gegen die guten Sitten verstoße, den Betriebsfrieden störe oder strafrechtlich relevantes Verhalten umfasse. Solange sich die Wahlwerbung hingegen auf eine sachliche Kritik an der Amtsführung der Gleichstellungsbeauftragten beschränke, könne sie nicht verboten werden. Nach diesem Maßstab habe der Wahlvorstand keinen Anlass zum Einschreiten gehabt. Die Wahlwerbung der Klägerin zu 1 habe keinen wahlkämpferischen Charakter gehabt.
Die Klägerinnen beantragen,
die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin beim Bundesnachrichtendienst vom 27. April 2006 für ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerinnen insgesamt entgegen. Zur Zurückweisung der Wahlwerbung trägt sie vor: Der Klägerin zu 1 sei nicht die Möglichkeit der schriftlichen Vorstellung in der Sonderdatenbank Infoboard genommen worden. Vielmehr habe sie als einzige Kandidatin den Rahmen der zulässigen Wahlwerbung wiederholt überschritten. In ihrem Beitrag sei eine unsachliche, negative bzw. teilweise herabwürdigende Bewertung der Arbeit der Amtsinhaberin zu sehen. Da sie nicht bereit gewesen sei, ihre Wahlwerbung auch nur geringfügig zu ändern, sei ihr Beitrag aus dem Infoboard gelöscht worden, da er geeignet gewesen sei, den dienstlichen Frieden zu stören.
Die Beigeladenen und der Vertreter des Bundesinteresses schließen sich der Auffassung der Beklagten an.
Entscheidungsgründe
II
Die Wahlanfechtungsklage ist zulässig und begründet. Die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin beim Bundesnachrichtendienst vom 27. April 2006 ist für ungültig zu erklären.
Rechtsgrundlage für die Anfechtung der Wahl der Gleichstellungsbeauftragten oder ihrer Stellvertreterin ist § 16 Abs. 6 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG) vom 30. November 2001, BGBl I S. 3234. Danach können mindestens drei Wahlberechtigte oder die Leitung der Dienststelle binnen einer Frist von 12 Arbeitstagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
1. Im vorliegenden Fall ist das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich zuständig. Dies ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO. Danach entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über Klagen, denen Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen. Die Klage, mit der die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin beim Bundesnachrichtendienst angefochten wird, fällt zweifellos unter den Wortlaut dieser Vorschrift.
Rechtssystematische Bedenken gegen dieses Ergebnis greifen nicht durch. Solche Bedenken ergeben sich insbesondere nicht aus § 23 BGleiG. Diese Bestimmung legt im Eingangssatz fest, dass auch für den Bundesnachrichtendienst das Bundesgleichstellungsgesetz gilt, allerdings “mit folgenden Abweichungen”. Zu diesen “Abweichungen” zählt nach § 23 Nr. 6 BGleiG, dass für gerichtliche Entscheidungen nach § 22 BGleiG im ersten und im letzten Rechtszug das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist. § 22 BGleiG regelt die Kompetenzklage der Gleichstellungsbeauftragten nach erfolgloser Wahrnehmung ihres Einspruchsrechts. Die Wahlanfechtung “beim Verwaltungsgericht” gemäß § 16 Abs. 6 BGleiG erwähnt § 23 Nr. 6 BGleiG nicht. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass es hinsichtlich der Wahlanfechtung bei der in § 16 Abs. 6 BGleiG geregelten oder doch vorausgesetzten erstinstanzlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts auch dann verbleibt, wenn es um die Gleichstellungsbeauftragte beim Bundesnachrichtendienst geht. § 23 Nr. 6 BGleiG ist vielmehr als – im Ergebnis entbehrliche – Klarstellung dessen zu verstehen, was sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO ohnehin ergibt. Dies ergibt sich aus Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der letztgenannten Bestimmung in ihrer heutigen Fassung.
Nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in seiner bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bezog sich die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts auf Klagen gegen den Bund, denen dienstrechtliche Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde lagen. Seine heutige Fassung hat die Vorschrift durch zwei Gesetzesänderungen gefunden, die beide am 1. Januar 2002 in Kraft traten.
Durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 9. Juli 2001, BGBl I S. 1510, wurden in § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO die Wörter “gegen den Bund” gestrichen. Zur Begründung hatte die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 16. November 2000 auf die spezifischen Bedürfnisse des Bundesnachrichtendienstes hingewiesen sowie daran erinnert, dass aus wohlerwogenen Gründen Klagen aus dem Bereich des Bundesnachrichtendienstes seinerzeit durch die Regelung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO dem Instanzenzug und damit einer erhöhten Gefahr des Bekanntwerdens sensibler Informationen entzogen worden seien. Der Gesetzgeber sei bereits bei der erstmaligen Regelung davon ausgegangen, dass die gewählte Formulierung sämtliche Sachverhalte innerhalb des Bundesnachrichtendienstes erfassen werde (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 55 zu Art. 13 Nr. 1):
Ferner wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess in § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO das Wort “dienstrechtliche” gestrichen. In seiner Beschlussempfehlung vom 14. November 2001 hatte der Rechtsausschuss die Zielstellung bekräftigt, dass sämtliche Verfahren, die Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes betreffen, in erster Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt und von diesem Gericht entschieden werden (vgl. BTDrucks 14/7474 S. 14 f. zu Art. 1 Nr. 5).
Aus dem aktuellen Gesetzestext und den einschlägigen Gesetzesmaterialien ergibt sich daher mit hinreichender Klarheit, dass in allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes aus Gründen des Geheimnisschutzes ohne Einschränkungen das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein soll. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Sonderregelung in § 23 Nr. 6 BGleiG dadurch, dass es bei der Verabschiedung des Bundesgleichstellungsgesetzes Ende 2001 versäumt wurde, dessen Bestimmungen mit den sich zeitgleich vollziehenden Veränderungen des Prozessrechts abzugleichen.
2. Zu Recht haben die Klägerinnen als wahlberechtigte Beschäftigte der Bundesrepublik Deutschland, diese vertreten durch den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, verklagt. Die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin sind nicht Anfechtungsgegnerinnen (a.A. v. Roetteken, Bundesgleichstellungsgesetz, § 16 Rn. 150).
Nach § 16 Abs. 6 BGleiG setzt eine erfolgreiche Wahlanfechtung einen wesentlichen Wahlrechtsverstoß voraus. Verantwortlich dafür, dass ein derartiger Wahlrechtsverstoß unterbleibt, ist der Wahlvorstand. Denn dieser bereitet die Wahl vor und führt sie durch (§ 7 Satz 1 der Verordnung über die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin in Dienststellen des Bundes – Gleichstellungsbeauftragten-Wahlverordnung – GleibWV – vom 6. Dezember 2001, BGBl I S. 3374, ber. BGBl I 2002, S. 2711). Dessen etwaiges Fehlverhalten ist der Dienststelle und damit dessen Leiter zuzurechnen, wenn dieser die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin nach durchgeführter Wahl gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BGleiG bestellt und selbst von einer Wahlanfechtungsklage gemäß § 16 Abs. 6 BGleiG abgesehen hat.
Die Eröffnung der Möglichkeit einer Wahlanfechtungsklage des Dienststellenleiters gebietet keine abweichende Betrachtungsweise. Auch in diesem Fall scheidet die klageweise Inanspruchnahme der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin wegen der Verantwortlichkeit des Wahlvorstands aus. Wer in einem solchen Fall Beklagter ist, braucht hier nicht geklärt zu werden.
3. Die Wahlanfechtungsklage ist nicht rechtsmissbräuchlich erhoben. Eine nähere Aufklärung und Bewertung der von der Beklagten dazu angeführten Vorgänge ist entbehrlich. Jedenfalls die Zurückweisung der Wahlwerbung durfte die Klägerin zu 1 – wie auch jede andere Wahlberechtigte – zum Anlass nehmen, zusammen mit mindestens zwei weiteren Wahlberechtigten die Wahl einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen.
4. Die Wahlanfechtungsfrist, bei der es sich um ein Begründetheitserfordernis der Klage handelt (vgl. Beschluss vom 23. Oktober 2003 – BVerwG 6 P 10.03 – BVerwGE 119, 138 ≪139≫ = Buchholz 250 § 25 BPersVG Nr. 15 S. 9 m.w.N.), ist hier gewahrt. § 16 Abs. 6 BGleiG normiert eine Frist von 12 Arbeitstagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet. Angesichts dessen, dass im öffentlichen Dienst die Fünf-Tage-Woche üblich ist, gelten als Arbeitstage die Wochentage Montag bis Freitag mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage (vgl. Beschluss vom 23. Oktober 2003 a.a.O. S. 144 bzw. S. 13). Da das Wahlergebnis am Mittwoch, dem 3. Mai 2006 bekanntgegeben wurde, endete die Wahlanfechtungsfrist mit Ablauf des 19. Mai 2006 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB). Die Klageschrift ist am 18. Mai 2006 und damit rechtzeitig beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.
5. Der Senat ist in der Sachprüfung von Wahlanfechtungsgründen nicht deswegen beschränkt, weil die Klägerinnen in ihrer kurzen Klageschrift nur zwei Wahlanfechtungsgründe näher beschrieben, eine ausführliche Klagebegründung aber erst mit Schriftsatz vom 4. September 2006 – mithin lange nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist – vorgelegt haben. Der Regelung im § 16 Abs. 6 BGleiG ist nicht zu entnehmen, dass sich die gerichtliche Wahlprüfung ausschließlich auf diejenigen Gründe erstrecken darf, welche die Anfechtungsberechtigten bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist vorgetragen haben. Für eine dahingehende Präklusion bedürfte es nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und -klarheit einer eindeutigen Regelung, an welcher es hier fehlt. Demgemäß genügt es, wenn der Anfechtende innerhalb der Anfechtungsfrist einen als erheblich in Betracht zu ziehenden Wahlrechtsverstoß geltend macht. Ist dies geschehen, so erfasst die Prüfungsbefugnis des Gerichts sowohl nachgeschobene als auch solche Gründe, denen nachzugehen das Gericht von sich aus Anlass sieht (vgl. zur Anfechtung der Personalratswahl: Beschluss vom 13. Mai 1998 – BVerwG 6 P 9.97 – BVerwGE 106, 378 ≪380 ff.≫ = Buchholz 251.7 § 22 NWPersVG Nr. 4 S. 2 ff.; ferner zur Anfechtung der Wahl zur Vollversammlung der Handwerkskammer: Urteil vom 26. Juni 2002 – BVerwG 6 C 21.01 – Buchholz 451.45 § 93 HwO Nr. 1 S. 3 ff.). Im vorliegenden Fall wurde die unbeschränkte gerichtliche Wahlprüfung dadurch eröffnet, dass die Klägerinnen in der Klageschrift die unvollständige Auslegung der Wählerinnenliste und deren inhaltliche Unrichtigkeit geltend gemacht haben.
6. Der Wahlvorstand hat einen Wahlrechtsverstoß begangen, indem er am 11. April 2006 – noch mehr als zwei Wochen vor dem Wahltermin – die Wahlwerbung der Klägerin zu 1 zurückgewiesen hat. Dadurch hat er der Klägerin zu 1 die Möglichkeit genommen, ihren Beitrag in gleicher Weise wie die übrigen Kandidatinnen unter den Wahlberechtigten in der Dienststelle zu verbreiten. Hierin liegt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
Mit Nachricht vom 10. April 2006 an alle Kandidatinnen hatte der Wahlvorstand die Wahlwerbung dem Grunde nach zugelassen. Dies betraf zum einen die Herstellung und Verbreitung in gedruckter Form über den Verteiler 5a (Umlauf per Unterschrift); insoweit wurde bei einer zwei DIN-A4-Seiten nicht überschreitenden Darstellung Kostenzusage zu Lasten der Dienststelle erteilt. Zum anderen wurde auch die Nutzung des Infoboards (elektronischer Informationsdienst für dienstliche Mitteilungen) für Wahlwerbung gestattet. Angesichts dessen bedurfte die Zurückweisung des Beitrages einer Bewerberin einer besonderen Rechtfertigung, die vor dem Grundsatz der Chancengleichheit aller Kandidatinnen Bestand hatte. Eine solche Rechtfertigung kann sich unter Umständen auch aus dem Inhalt eines Werbebeitrages ergeben.
a) Nach Maßgabe von § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BGleiG i.V.m. §§ 3, 11 Satz 1 GleibWV kann sich jede Beschäftigte der Dienststelle für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten oder der Stellvertreterin bewerben. Die Wahl ist persönlichkeitsbezogen. Eine Wahl nach partei- oder gewerkschaftspolitisch orientierten Listen ist schon im Ansatz ausgeschlossen. Partei- oder gewerkschaftspolitische Werbung im Zusammenhang mit der Kandidatur für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten oder ihrer Stellvertreterin verbietet sich daher.
b) Die Wahl ist aufgabenbezogen. Die Gleichstellungsbeauftragte wirkt immer dann mit, wenn es in der Dienststelle um die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz geht (§ 1 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 2 BGleiG). Eine Wahlwerbung, die sich von dieser spezifischen Aufgabenstellung löst, ist unzulässig.
c) Andererseits ist der gesetzliche Rahmen für die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten weit gesteckt. Die ihr übertragene Aufgabe, den der Gleichstellung dienenden Gesetzesvollzug zu fördern und zu überwachen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BGleiG), und die ihr zu diesem Zweck eingeräumten Beteiligungsrechte (§ 19 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGleiG) einschließlich der für ihre effiziente Wahrnehmung vorgesehenen Instrumente – Informations-, Teilnahme-, Vortrags- und Initiativrecht (§ 20 BGleiG) – geben jeder Amtsinhaberin Gelegenheit zu jeweils eigener Schwerpunktsetzung. Darüber hinaus bringt die Beteiligung bei der Erstellung des Gleichstellungsplans für die Gleichstellungsbeauftragte gestalterische Aufgaben mit sich (§ 11 Abs. 4 Satz 1 BGleiG).
Angesichts der vielgestaltigen Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten, welche sich auf nahezu alle personellen, organisatorischen und sozialen Angelegenheiten der Dienststelle erstrecken, werden bei den Beschäftigten unterschiedliche Vorstellungen über eine optimale Verwirklichung der Gleichstellung bestehen. Dementsprechend unterschiedlich sind die Konzepte der Kandidatinnen, welche sich um das Amt der Gleichstellungsbeauftragten bewerben.
Die erneut kandidierende Amtsinhaberin wird typischerweise dafür plädieren, die von ihr als erfolgreich eingestufte Arbeit fortsetzen zu können. Dagegen werden die anderen Kandidatinnen Defizite aufzeigen und für alternative Konzepte eintreten. Beides ist gleichermaßen legitim. Da die Bewertung der bisherigen Arbeit ebenso wenig wie die Entwicklung neuer Ansätze ohne subjektive Einschätzungen auskommt, ist die Einhaltung eines absoluten Sachlichkeitsgebots, wie es der Beklagten offenbar vorschwebt, weder tatsächlich möglich noch rechtlich geboten. Vielmehr sind auch kritisch-abwertende Darstellungen als zulässig anzusehen. Den Bestimmungen des Bundesgleichstellungsgesetzes und der Wahlverordnung liegt – ebenso wie bei der Personalratswahl – die Vorstellung von der mündigen Bürgerin und Wählerin zugrunde (vgl. Beschluss vom 3. März 2003 – BVerwG 6 P 14.02 – Buchholz 250 § 25 BPersVG Nr. 14 S. 6). Ob die Kritik einer Kandidatin an der Amtsinhaberin “gerecht” oder “ungerecht” ist, ist nicht vom Wahlvorstand, sondern von den Wählerinnen zu beurteilen, die über Kontinuität oder Wechsel bei der Besetzung des herausgehobenen Amtes der Gleichstellungsbeauftragten zu entscheiden haben. Auf diese Weise vollzieht sich die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten nach den auch sonst im demokratischen Rechtsstaat üblichen Regeln (§ 1 Satz 3 GleibWV), wobei die Sache – die Konzepte für die Gleichstellung in der Dienststelle – nicht von den Personen – den erstmals oder erneut antretenden Kandidatinnen – getrennt werden kann.
d) Dies bedeutet freilich nicht, dass Äußerungen der Bewerberinnen für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten, solange sie nur aufgabenbezogen und nicht partei- oder gewerkschaftspolitisch orientiert sind, nach Form und Inhalt keinen weiteren Grenzen unterliegen.
aa) Es versteht sich, dass die rechtliche Grenze der Auseinandersetzung bei Beleidigung oder Verleumdung einer Kandidatin überschritten wird; jede Kandidatin ist vor strafbarer Ehrverletzung geschützt (§§ 185 ff. StGB).
bb) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BPersVG darf niemand die Wahl des Personalrats in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beeinflussen. Eine nach dieser Vorschrift unzulässige Wahlwerbung wird angenommen bei verunglimpfender Abwertung von Mitbewerbern, bei diffamierender oder grob wahrheitswidriger Propaganda über Wahlbewerber sowie bei Schmähkritik, mit der der Boden sachlicher Kritik an den Mitbewerbern verlassen wird. Scharfe Kritik an gegnerischen Gewerkschaften oder Listen wird als zulässig angesehen, solange sie nicht in Hetze ausartet. In diesem Zusammenhang werden Äußerungen als unzulässig betrachtet, welche geeignet sind, den Dienstbetrieb zu beeinträchtigen (vgl. Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Aufl. 2004, § 24 Rn. 5 ff.; Schlatmann, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 24 Rn. 9; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, K § 24 Rn. 7 f.; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 24 Rn. 5).
Bei der Personalratswahl steht die Wahlwerbung der Koalitionen unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1965 – 2 BvR 54/62 – BVerfGE 19, 303 ≪312 ff.≫). Die dort anerkannten Grenzen für die Zulässigkeit von Wahlwerbung dürfen, soweit sie unterhalb der Schwelle zur strafbaren Ehrverletzung bleiben, auch bei der Wahl der Gleichstellungsbeauftragten nicht überschritten werden. Denn für letztere ist der Rahmen wegen Fehlens eines gewerkschaftspolitisch orientierten Wahlkampfes eher weniger weit gesteckt.
cc) Anknüpfungspunkt für eine engere Sichtweise ist hier § 18 Abs. 1 Satz 1 BGleiG, wonach die Gleichstellungsbeauftragte der Personalverwaltung angehört. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass sie dem Gemeinwohl verpflichtete Sachwalterin der im Bundesgleichstellungsgesetz niedergelegten Ziele und nicht Interessenvertreterin der Wählerinnen ihrer Dienststelle ist (vgl. v. Roetteken, a.a.O. § 18 Rn. 12). Diese Charakterisierung legt es nahe, im vorliegenden Zusammenhang das Gebot achtungs- und vertrauenswahrender Mäßigung und Zurückhaltung in den Blick zu nehmen, welches für Beamte in §§ 53, 54 Satz 3 BBG verankert ist, aber als allgemeiner Grundsatz für alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gilt (vgl. BAG, Urteile vom 2. März 1982 – 1 AZR 694/79 – BAGE 38, 85 ≪92 f.≫, vom 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – BAGE 87, 153 ≪159 f.≫ und vom 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – BAGE 95, 78 ≪86 f.≫). Es zieht engere Grenzen für Äußerungen auch außerhalb des Dienstes, als sie allen Staatsbürgern nach Art. 5 Abs. 2 GG, insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre, gezogen sind. Diese Grenze ist insbesondere dann überschritten, wenn der Beschäftigte wider besseres Wissen oder unter Verletzung der ihm zuzumutenden Sorgfalt unwahre Behauptungen aufstellt oder Vorgesetzte oder Kollegen diffamiert (vgl. Beschluss vom 23. Oktober 1984 – BVerwG 1 WB 98/82 – BVerwGE 76, 267 ≪272 f.≫; Urteile vom 24. September 1992 – BVerwG 2 WD 13.91, 7.92 – BVerwGE 93, 287 ≪291 f.≫ und vom 15. Dezember 2005 – BVerwG 2 A 4.04 – juris Rn. 37 und 63 f., insoweit bei Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 nicht abgedruckt; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, § 53 Rn. 6, § 54 Rn. 22 f.).
Bei der Bestimmung der Reichweite des Mäßigungsgebotes im Zusammenhang mit der Wahlwerbung für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten muss freilich die weitere Bestimmung in § 18 Abs. 1 Satz 5 BGleiG mit berücksichtigt werden, wonach die Gleichstellungsbeauftragte in der Ausübung ihrer Tätigkeit weisungsfrei ist. Daraus ergibt sich, dass sie für ihre Amtsführung gegenüber den Wählerinnen in vollem Umfang verantwortlich ist, insbesondere sich nicht auf von ihr einzuhaltende Weisungen der Dienststellenleitung zurückziehen kann. Damit steht sie in der Kritik der wahlberechtigten Frauen der Dienststelle, und zwar generell während ihrer Amtszeit und besonders anlässlich der Kandidatur für eine Wiederwahl, mit der sie sich der Beurteilung ihrer Amtsführung durch die Wählerinnen stellt und deren erneutes Vertrauen erbittet. Auch an dieser Stelle bestätigt sich der inhaltliche Spielraum für Wahlwerbung, wie er oben bereits mit Blick auf die Weite der Aufgabenstellung und die demokratischen Wahlprinzipien hergeleitet wurde. Ein kritischer Beitrag einer Bewerberin für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten verletzt demnach das Mäßigungsgebot nicht, solange er die Persönlichkeit einer Mitbewerberin, namentlich auch der wieder kandidierenden Amtsinhaberin, nicht herabwürdigt und den Dienstbetrieb nicht nachhaltig stört.
e) In Ansehung der vorbezeichneten Grundsätze war die Zurückweisung der Wahlwerbung der Klägerin zu 1 vom 10. April 2006 nicht gerechtfertigt. Der Beitrag enthielt keine partei- oder gewerkschaftspolitische Werbung. Er konzentrierte sich inhaltlich auf die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten. Er hatte in Bezug auf die Beigeladene zu 1 keinen beleidigenden oder verleumderischen Charakter. Er enthielt auch im Übrigen keine Angriffe auf ihre persönliche Integrität. Ebenso wenig war er geeignet, eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes zu bewirken.
In dieser Hinsicht beanstandet die Beklagte allerdings folgende Passagen im Beitrag der Klägerin zu 1 vom 10. April 2006:
“Wie wichtig ist Ihnen ein Wechsel an der Spitze der Gleichstellung?
Mal ehrlich, was haben Sie in den letzten 12 Jahren an Gleichstellung erlebt?
Ist es Ihnen wirklich wichtig, auf sprachliche Gleichstellung zu pochen? …
Dass sich die Gleichstellungsbeauftragte als ein primäres Ziel Kontakte zu Betreuungseinrichtungen für Kinder am DO Berlin vornimmt, ist in meinen Augen doch sehr fragwürdig …
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber an mir ist der Zug der Gleichstellung komplett vorbeigefahren …
Entscheiden Sie mit Ihrer Stimme, ob wir die nächsten Jahre im selben Trott bleiben oder nicht.”
Mit ihrem Text hat die Klägerin zu 1 ihre Unzufriedenheit mit der Gleichstellungspraxis der zurückliegenden 12 Jahre in der Dienststelle zum Ausdruck gebracht. Sie hat falsche Prioritätensetzung in Vergangenheit (sprachliche Gleichstellung) und Zukunft (Kontakte zu Kinderbetreuungseinrichtungen in Berlin) durch die Beigeladene zu 1 gerügt. Bei ihrem Aufruf am Ende ihres Beitrages (“ob wir die nächsten Jahre im selben Trott bleiben”) hat sie sich – nach Präzisierung ihrer Kritik anhand mehrerer Aspekte im mittleren Teil – eines lässigen, leicht polemischen Tonfalls bedient. Davor musste und durfte der Wahlvorstand die Beigeladene zu 1 jedoch nicht in Schutz nehmen. Die Klägerin zu 1 hat sich noch im Rahmen dessen bewegt, was Kandidatinnen für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten im Austausch der Meinungen ertragen müssen. Ob die Kritik der Klägerin zu 1 an Praxis und Vorstellung der Beigeladenen zu 1 in der Sache berechtigt war, musste der Wahlvorstand dem Urteil der Wählerinnen überlassen. Eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes war nicht zu besorgen.
Zweifelsohne hätte die Beigeladene zu 1 das Recht zur Entgegnung gehabt. Die Annahme der Beklagten, es wäre sodann zur Eskalation gekommen, war keineswegs gewiss. Das Recht zum Einschreiten hätte dem Wahlvorstand erst bei tatsächlichen Grenzverletzungen zugestanden.
f) Der Wahlvorstand durfte den Kandidatinnen bei der Wahlwerbung nicht deswegen strengere Einschränkungen auferlegen, weil und soweit er ihnen die kostenlose schriftliche und elektronische Verbreitung zugesagt hatte. Bereits den Bestimmungen des Gleichstellungsgesetzes und der Wahlverordnung ist zu entnehmen, dass die Kandidatinnen das Recht auf Wahlwerbung haben. Denn die Wahlberechtigten können sinnvoll nicht über Kandidatinnen abstimmen, die sie nicht kennen. Soweit die Amtsinhaberin erneut kandidiert, folgt das Recht auf Wahlwerbung für die Mitbewerberinnen zudem aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, weil nur die Amtsinhaberin durch ihre Arbeit Gelegenheit hatte, sich allen Wahlberechtigten bekanntzumachen. Angesichts dessen kann die Kostenübernahme nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Kandidatinnen sich einem Wohlverhaltenskodex unterwerfen, der in den gesetzlichen Bestimmungen über die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und den dabei zu beachtenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen selbst keine Grundlage findet. Ob diese Rechtsposition durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG bekräftigt und sogar verstärkt wird, bedarf hier nicht der Entscheidung (vgl. dazu Beschluss vom 11. Januar 2006 – BVerwG 6 PB 17.05 – Buchholz 250 § 28 BPersVG Nr. 6 Rn. 19 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1970 – 2 BvR 311/67 – BVerfGE 28, 314 ≪322 ff.≫).
7. Die in der Sache nicht gerechtfertigte Zurückweisung der Wahlwerbung der Klägerin zu 1 ist ein Verstoß gegen einen wesentlichen Grundsatz des Wahlverfahrens. Die Gleichbehandlung aller Kandidatinnen bei der Wahlwerbung ist zwingendes Recht.
8. Der Verstoß kann das Wahlergebnis beeinflusst haben.
Liegt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften vor, so genügt für den Erfolg der Wahlanfechtung schon die Möglichkeit einer Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses, ohne dass es der Feststellung einer tatsächlich erfolgten Änderung oder Beeinflussung bedarf. Ob diese Möglichkeit bestand, d.h. ob der Verstoß geeignet war, eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeizuführen, beantwortet sich in der Regel aus der Art des Verstoßes unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts. Dabei wird allerdings eine nur denkbare Möglichkeit dann nicht genügen, die Anfechtung zu begründen, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist (vgl. Beschlüsse vom 23. September 1966 – BVerwG 7 P 14.65 – BVerwGE 25, 120 ≪121≫ = Buchholz 238.37 § 22 PersVG Nordrhein-Westfalen Nr. 2 S. 4, vom 17. Juli 1980 – BVerwG 6 P 4.80 – Buchholz 238.3 A § 25 BPersVG Nr. 3 S. 14 und vom 27. April 1983 – BVerwG 6 P 17.81 – BVerwGE 67, 145 ≪152≫ = Buchholz 238.31 § 25 BaWüPersVG Nr. 3 S. 11).
a) Nach diesem Maßstab kann nicht ausgeschlossen werden, dass die sachlich nicht gerechtfertigte Zurückweisung der Wahlwerbung der Klägerin zu 1 Einfluss auf das Ergebnis bei der Wahl der Gleichstellungsbeauftragten gehabt hat. Obwohl die Beigeladene zu 1 einen erheblichen Stimmenvorsprung vor der Kandidatin mit der zweithöchsten Stimmenzahl hatte (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 GleibWV), bleibt gleichwohl denkbar, dass eine andere Kandidatin die meisten Stimmen erhalten hätte, wenn die Klägerin zu 1 ihre Wahlwerbung – wie vom Wahlvorstand generell vorgesehen – in der Dienststelle hätte verbreiten können und sich hieran eine Diskussion über die Amtsführung der Beigeladenen zu 1 entzündet hätte. Ein dahingehender hypothetischer Kausalverlauf ist nicht derart atypisch, dass er nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann.
Dies kann nicht deswegen bezweifelt werden, weil die Klägerin zu 1 Versionen ihres Wahlwerbungsbeitrages in der Zeit vom 20. April, 14.13 Uhr, bis 21. April 2006, 12.15 Uhr, ins Blackboard eingetragen hatte. Die kurzfristige Wahlwerbung in dem für private Mitteilungen vorgesehenen elektronischen Sonderdienst ist kein gleichwertiger Ersatz für die Werbung im Infoboard sowie in gedruckter Form.
b) Die sachlich nicht gerechtfertigte Zurückweisung der Wahlwerbung der Klägerin zu 1 kann auch das Ergebnis der Wahl der Stellvertreterin beeinflusst haben.
Allerdings erfolgt gemäß § 1 Satz 2 GleibWV die Wahl für die beiden Ämter in einem Wahlverfahren, aber in getrennten Wahlgängen. Aus der Sonderregelung in § 16 Abs. 7 BGleiG ist ersichtlich, dass das vorzeitige Ausscheiden der Gleichstellungsbeauftragten das Amt ihrer Stellvertreterin unberührt lässt und umgekehrt. Daraus lässt sich der Grundsatz ableiten, dass ein Fehler, der ausschließlich den Wahlgang der Gleichstellungsbeauftragten betrifft, die Gültigkeit der Wahl der Stellvertreterin unberührt lässt. Im vorliegenden Fall ist es jedoch aufgrund besonderer Umstände anders.
Gemäß § 18 Abs. 7 Satz 1 BGleiG wird die Stellvertreterin grundsätzlich im Vertretungsfall tätig. Im Einvernehmen mit der Stellvertreterin kann die Gleichstellungsbeauftragte ihr Aufgaben zur eigenständigen Erledigung übertragen (§ 18 Abs. 7 Satz 2 BGleiG). Die Bestimmungen legen es nahe, die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin als “ein Team” zu sehen. Im Falle der Arbeitsteilung nach § 18 Abs. 7 Satz 2 BGleiG drängt sich dies besonders auf. Aber auch wenn die Tätigkeit der Stellvertreterin auf Fälle vorübergehender Verhinderung (Urlaub, Krankheit) begrenzt ist, wird sie ihre Aufgaben in Loyalität gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten wahrnehmen. Die Verfolgung einer eigenen Konzeption durch die Stellvertreterin widerspricht der gesetzlichen Struktur. Angesichts der beschriebenen Akzessorität kann ein Fehler im Wahlgang der Gleichstellungsbeauftragten auch die Anfechtung der Wahl ihrer Stellvertreterin begründen, wenn nicht auszuschließen ist, dass sich dieser Fehler auch auf das Ergebnis des zweiten Wahlgangs ausgewirkt hat. So liegt es hier.
Die Klägerin zu 1 hat sich in ihrer Wahlwerbung mit der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten kritisch auseinandergesetzt. Hätte der Wahlvorstand diesen Beitrag akzeptiert, so hätte die Möglichkeit bestanden, dass die Wahlberechtigten der Beigeladenen zu 2 weniger Stimmen gegeben hätten als ihrer Mitbewerberin. Es ist nicht auszuschließen, dass sie für eine etwa berechtigte Kritik an der bisherigen Gleichstellungspraxis auch die amtierende Stellvertreterin verantwortlich gemacht hätten.
9. Die Wahl vom 27. April 2006 wirft mindestens noch unter den folgenden drei Aspekten Bedenken auf:
a) Es fehlt an einer Briefwahlanordnung der Dienststelle nach § 5 Abs. 2 GleibWV.
b) Das Wahlausschreiben vom 16. März 2006 wurde nicht noch am selben Tag in allen Dienststellenteilen bekanntgemacht (§ 10 Abs. 2 GleibWV).
c) Einige Mitarbeiterinnen in den Auslandsresidenturen erhielten die Briefwahlunterlagen verspätet (§ 16 Abs. 2 GleibWV).
Ob und inwieweit unter den genannten Gesichtspunkten mit Blick auf die Sonderregelung für den Bundesnachrichtendienst in § 24 GleibWV ein wesentlicher Wahlrechtsverstoß anzunehmen ist, der sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben kann, kann auf sich beruhen, da die Wahl aus den oben genannten Gründen bereits wegen Zurückweisung der Wahlwerbung der Klägerin zu 1 für ungültig zu erklären war.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Büge, Vormeier, Dr. Bier
Fundstellen
ZTR 2007, 583 |
ZfPR 2008, 44 |
AUR 2007, 446 |
GiP 2008, 34 |