Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Zulassung der Berufung. Auslegung. Berufung. nicht eingelegte Berufung. Nichterhebung von Gerichtskosten. Prozesserklärung. Rechtsschutzinteresse. Revisionsantrag. Umdeutung
Leitsatz (amtlich)
1. Verwirft ein Berufungsgericht eine nicht eingelegte Berufung als unzulässig, so besteht ein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung dieses Beschlusses auch dann, wenn der Kläger eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr erreichen kann.
2. Legt eine rechtsanwaltlich vertretene Partei gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts Berufung ein, so kann diese Prozesserklärung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umzudeuten sein, wenn der Antrag noch innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 VwGO gestellt worden ist.
Normenkette
VwGO § 124a Abs. 4, § 139 Abs. 3, § 155 Abs. 4, § 158 Abs. 1; GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 06.12.2006; Aktenzeichen 8 UE 2782/06) |
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 5 E 2263/06) |
Tenor
Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2006 wird aufgehoben.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Für das Revisionsverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben.
Tatbestand
I
Die als Aktiengesellschaft verfasste Klägerin ist im Handelsregister eingetragen. In den Jahren 2002 und 2003 erwirtschaftete sie Verluste. Die Beklagte veranlagte sie mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 zu Kammerbeiträgen für die genannten Jahre in Höhe von 214,74 € und 238,75 €.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, sie werde gegenüber solchen Mitgliedern der Beklagten ungleich behandelt, die nicht in das Handelsregister eingetragen seien und deren Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 € nicht übersteige. Diese seien gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG von der Beitragspflicht freigestellt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10. Mai 2006 zurück, nachdem sie zuvor mit Beitragsbescheid vom 14. Februar 2006 den Beitrag für das Jahr 2003 auf 215 € ermäßigt hatte.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die Klage gegen die Beitragsveranlagung mit Urteil vom 28. September 2006 abgewiesen.
Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde das Urteil ausweislich des am 12. Oktober 2006 an das Verwaltungsgericht per Fax übermittelten Empfangsbekenntnisses am 14. Oktober 2006 zugestellt.
Mit am 10. November 2006 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 8. November 2006 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts “Berufung” eingelegt und dabei die Klägerin zweimal als Berufungsklägerin und die Beklagte als Berufungsbeklagte bezeichnet sowie das Wort “Berufung” ein zweites Mal in Sperr- und Fettdruck hervorgehoben.
Mit am 13. November 2006 (einem Montag) eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag stellten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Nachgang zum Schriftsatz vom 8. November 2006 klar, dass mit diesem Schriftsatz keine eigenständige Berufung eingelegt worden, sondern die Zulassung der Berufung beantragt worden sei. Vorsorglich beantragten sie “nochmals” die Zulassung der Berufung.
Mit Verfügung vom 17. November 2006, zugestellt am 23. November 2006, wies der Berichterstatter des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hin, dass die Berufung unzulässig sein dürfte und der Senat “die Beschwerde” gemäß § 125 Abs. 2 VwGO verwerfen könne. Er setzte eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen. Mit weiterer Verfügung vom 17. November 2006 wies der Berichterstatter unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 13. November 2006 darauf hin, dass der Schriftsatz vom 8. November 2006 eindeutig und nicht auslegungs- oder umdeutungsfähig eine Berufungseinlegung darstellen dürfte, und legte deren Rücknahme nahe. Zugleich bat er um Erläuterung “der Ungereimtheit Ihres am 12.10.06 gefaxten EB über eine Zustellung am 14.10.06”.
Mit Beschluss vom 6. Dezember 2006, also vor Ablauf der Äußerungsfrist aus der Verfügung vom 17. November 2006, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Berufung als unzulässig verworfen und die Revision nicht zugelassen. Der Beschluss wurde am 7. Dezember 2006 abgesandt und am 14. Dezember 2006 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt.
Mit am 7. Dezember 2006 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag nahmen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu der Verfügung vom 17. November 2006 Stellung. Dabei wiesen sie darauf hin, dass “noch innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist” mit dem Schriftsatz vom 13. November 2006 “klargestellt” worden sei, dass nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007, als Fax zugegangen am selben Tag, legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2006 Beschwerde ein, die sie unter anderem damit begründeten, dass dem Verwaltungsgerichtshof deshalb ein Verfahrensfehler unterlaufen sei, weil er den Beschluss vom 6. Dezember 2006 vor Ablauf der Äußerungsfrist aus der gerichtlichen Verfügung vom 17. November 2006 erlassen und damit der Klägerin das rechtliche Gehör versagt habe.
Mit Beschluss vom 12. März 2007 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2006 abgelehnt.
Mit weiterem Beschluss vom 12. März 2007 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen seinen Beschluss vom 6. Dezember 2006 zugelassen, weil dieser auf dem absoluten Revisionsgrund der Versagung des rechtlichen Gehörs beruhe. Er hat seinen Beschluss mit Beschluss vom 4. Mai 2007 um eine Rechtsmittelbelehrung ergänzt, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin durch ein Postunternehmen am 3. Juli 2007 zugestellt worden ist.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Revision geltend, der Schriftsatz vom 8. November 2006 hätte nicht als Berufung, sondern als Antrag auf Zulassung der Berufung behandelt werden müssen. In der Sache wiederholt und vertieft sie ihre Auffassung, dass der angefochtene Beitragsbescheid rechtswidrig sei, weil die Heranziehung einer in das Handelsregister eingetragenen Aktiengesellschaft, deren Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 € nicht übersteige, gegenüber nicht eingetragenen Gewerbetreibenden mit einem derartigen Gewerbeertrag oder Gewinn gleichheitswidrig sei.
Die Beklagte hält die Revision für unzulässig, weil die Klägerin keinen Revisionsantrag gestellt habe. Sie meint, soweit die Klägerin sich mit den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts auseinandersetze, liege eine unzulässige Sprungrevision vor. Außerdem tritt sie der Rechtsauffassung der Klägerin in der Sache entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses äußert sich zur Auslegung des § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision führt zur Aufhebung des Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2006. Eine Rechtmäßigkeitskontrolle der angefochtenen Beitragsbescheide ist nicht mehr möglich, da das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2006 abgelehnt hat und dagegen kein Rechtsmittel gegeben ist. Das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
1. Die Revision ist gleichwohl zulässig.
a) Die Revision ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schon deswegen als unzulässig zu verwerfen, weil die Klägerin keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat (vgl. § 139 Abs. 3 VwGO). Denn die Klägerin hat in ihrer Revisionsbegründungsschrift den rechtlichen Ansatz im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2006 als rechtsfehlerhaft bewertet. Diese Ausführungen lassen mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass sie die Verwerfung der ihrer Ansicht nach nicht eingelegten Berufung für fehlerhaft hält. Da sie zugleich ihre Rechtsansicht zu dem angefochtenen Beitragsbescheid dargelegt hat, war deutlich, dass sie im Ergebnis eine Aufhebung des Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Beitragsbescheids der Beklagten anstrebte. Damit ist den Anforderungen des § 139 Abs. 3 VwGO Genüge getan (vgl. Urteil vom 20. Juni 1991 – BVerwG 3 C 6.89 – Buchholz 310 § 140 VwGO Nr. 5 = NJW 1992, 703).
b) Die Revision stellt sich auch nicht, wie die Beklagte meint, als (unzulässige) Sprungrevision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2006 dar. Sie ist nach Zulassung der Revision durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof als Revision mit dem Verfahrensfehler der Versagung des rechtlichen Gehörs und mit der Rechtsansicht begründet worden, dass der Verwaltungsgerichtshof eine in Wahrheit nicht eingelegte Berufung verworfen hat. Dass die Klägerin sich umfassend mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, bedeutet weder ausdrücklich noch sinngemäß, dass sie gegen dieses Urteil die nicht zugelassene Sprungrevision einlegt, sondern nur, dass sie den angefochtenen Beitragsbescheid für rechtswidrig und daher aufhebungsreif hält.
c) Der Klägerin kann auch nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse abgesprochen werden. Zwar kann sie, wie dargelegt, im vorliegenden Verfahren nur noch erreichen, dass der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2006 aufgehoben wird, weil das Berufungsgericht ihren Antrag auf Zulassung der Berufung bereits mit dem Beschluss vom 12. März 2007 abgelehnt hat und damit das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig geworden ist. Die Klägerin ist aber durch den angefochtenen Beschluss nicht nur wegen der Kostenentscheidung beschwert, die gemäß § 158 Abs. 1 VwGO nicht angefochten werden kann, wenn nicht zugleich gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein (zulässiges) Rechtsmittel eingelegt wird. Sie ist auch dadurch (formell) beschwert, dass der Verwaltungsgerichtshof ihre “Berufung” zurückgewiesen hat, obwohl das Berufungsgericht, wie die nachfolgenden Ausführungen ergeben, ihr Rechtsmittel nicht als Berufung, sondern als Antrag auf Zulassung der Berufung hätte behandeln müssen. Die Zurückweisung einer nicht eingelegten Berufung belastet die davon betroffene Partei, die daher die Möglichkeit haben muss, den Rechtsschein einer für sie negativen berufungsgerichtlichen Entscheidung zu beseitigen (vgl. Beschluss vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 1 B 110.98 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 6 S. 13 = NVwZ 1999, 405; BGH, Urteile vom 9. Oktober 1990 – VI ZR 89/90 – NJW 1991, 703 ≪704≫, vom 10. März 1993 – VIII ZR 85/92 – NJW 1993, 2052 ≪2053≫ und vom 20. Januar 2004 – XI ZR 69/02 – NJW-RR 2004, 1715 f.). Damit unterscheidet sich die prozessrechtliche Situation der Klägerin des vorliegenden Verfahrens von derjenigen des Klägers in dem mit Beschluss vom 14. Juni 1999 – BVerwG 4 B 18.99 – (Buchholz 310 § 158 VwGO Nr. 9 S. 3 = NVwZ-RR 1999, 692 ≪693≫) abgeschlossenen Rechtsstreit, der mit seinem Berufungsantrag in der Vorinstanz durchgedrungen, aber dennoch (gemäß § 155 Abs. 5 VwGO, nunmehr § 155 Abs. 4 VwGO) mit Kosten belastet worden war.
2. Die Revision ist mit dem Ergebnis der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begründet. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist ungeachtet des Gehörsverstoßes fehlerhaft ergangen, weil die “Berufung” der Klägerin nicht hätte verworfen werden dürfen.
a) Das mit Schriftsatz vom 8. November 2006 eingelegte Rechtsmittel der Klägerin kann allerdings nicht dahin ausgelegt werden, dass ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt war. Prozesshandlungen der Beteiligten eines Rechtsstreits unterliegen der Auslegung, zu der auch das Revisionsgericht ohne Einschränkung befugt ist. Die Auslegung hat den Willen des Erklärenden zu ermitteln. Dabei kommt es nicht auf den inneren, sondern auf den erklärten Willen an. Die Auslegung darf nicht am Wortlaut der Erklärung haften. Der maßgebende objektive Erklärungswert bestimmt sich danach, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss (Beschlüsse vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 1 B 110.98 – a.a.O. und vom 9. Februar 2005 – BVerwG 6 B 75.04 –). Danach ist nicht zweifelhaft, dass der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 8. November 2006 als Berufung und nicht als Antrag auf Zulassung der Berufung verstanden werden musste. Darin heißt es, dass gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts “Berufung” eingelegt wird, und die Klägerin wird zweimal als Berufungsklägerin, die Beklagte als Berufungsbeklagte bezeichnet. Ferner wird das Wort “Berufung” ein zweites Mal in Sperr- und Fettdruck hervorgehoben. Demgegenüber ist von der Zulassung eines Rechtsmittels an keiner Stelle die Rede.
b) Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben aber noch innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO an das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO) einen Schriftsatz gerichtet, in dem “klargestellt” wird, dass mit dem Schriftsatz vom 8. November 2006 keine Berufung habe eingelegt werden sollen, sondern darin der Antrag auf Zulassung der Berufung liege. Damit konnte zwar die eindeutige Erklärung der Berufungseinlegung nicht mehr abgeändert werden. Der nachgereichte Schriftsatz gab aber Veranlassung, den Antrag aus dem Schriftsatz vom 8. November 2006 in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umzudeuten, weil die Klägerin ihrem Rechtsmittel eine andere Zielrichtung gegeben hatte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings mehrfach entschieden, dass die von einem Rechtsanwalt gegen die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts ohne Zulassung eingelegte Berufung nach Ablauf der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 VwGO nicht in einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels umgedeutet werden kann (vgl. etwa Beschlüsse vom 29. Januar 1962 – BVerwG 2 C 83.60 – Buchholz 310 § 132 Nr. 27, vom 12. September 1988 – BVerwG 6 CB 35.88 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 83 und vom 12. März 1998 – BVerwG 2 B 20.98 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 2 = NVwZ 1999, 641). Eine Umdeutung ist aber dann nicht ausgeschlossen, wenn, wie hier, innerhalb der laufenden Einlegungsfrist zunächst “Berufung” eingelegt, dann aber beantragt worden ist, diese Prozesshandlung als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, gilt in entsprechender Anwendung des § 140 BGB auch im Verfahrensrecht der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2000 – XII ZR 219/98 – NJW 2001, 1217 ≪1218≫ m.w.N.). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht eine Umdeutung einer unzulässigen Berufung in eine zulässige Anschlussberufung vorgenommen (Urteil vom 11. Juli 2007 – BVerwG 9 C 1.07 – Buchholz 445.20 Wasserverbandsrecht Nr. 1 Rn. 12 bis 14). Die Voraussetzungen einer Umdeutung liegen auch hier vor.
Die Klägerin hat mit dem innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgericht gestellten Zulassungsantrag zu erkennen gegeben, dass die Umdeutung der eingelegten Berufung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung ihrem Willen entspricht. Dieser Rechtsbehelf ist trotz des Bestehens erheblicher Unterschiede insofern mit der Berufung vergleichbar, als mit ihm die Überprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts durch eine höhere Instanz angestrebt werden kann. Die Umdeutung kann keine schutzwürdigen Interessen der Beklagten berühren, da diese einen Antrag auf Zulassung der Berufung innerhalb der dafür laufenden Frist als möglich ansehen musste. Hat die Klägerin bei diesem Verständnis bereits mit dem (umgedeuteten) Schriftsatz vom 8. November 2006 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, ist von einem einzigen Rechtsbehelf auszugehen. Wird gegen eine gerichtliche Entscheidung zweimal dasselbe Rechtsmittel eingelegt, so ist über diese Rechtsmittel einheitlich zu entscheiden (vgl. Beschluss vom 26. März 2008 – BVerwG 6 B 11.08 – Rn. 1; BGH, Beschluss vom 20. September 1993 – II ZB 10/93 – NJW 1993, 3141 m.w.N.). Hat die Klägerin infolge der Umdeutung ihres Antrags in einen Antrag auf Zulassung der Berufung keine “Berufung” eingelegt, so ist der diese “Berufung” verwerfende Beschluss aufzuheben (vgl. Beschluss vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 1 B 110.98 – a.a.O.).
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO. Die Klägerin hat dadurch, dass sie zunächst ein unstatthaftes Rechtsmittel eingelegt hat, die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens ausgelöst, die bei alleiniger Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht entstanden wären. Die Gerichtskosten der Revisionsinstanz sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben, weil der Hessische Verwaltungsgerichtshof bei richtiger Sachbehandlung das unstatthafte Rechtsmittel in den statthaften Zulassungsantrag hätte umdeuten müssen. Über die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird der Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung nach § 21 GKG zu treffen haben (vgl. Beschlüsse vom 6. November 1989 – BVerwG 3 C 9.86 – Buchholz 360 § 8 GKG Nr. 3 und vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 1 B 110.98 – a.a.O. S. 15 bzw. S. 406; BGH, Urteil vom 29. März 2000 – RiZ (R) 4/99 – NJW 2000, 3786 ≪3788 f.≫).
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier
Fundstellen