Tenor
Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung … – …– vom 22. Februar 2002 und deren Beschwerdebescheid vom 4. Juli 2002 werden insoweit aufgehoben, als vom Kläger noch Dienstbezüge in Höhe von 811,97 € zurückgefordert werden
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Dienstbezüge.
Durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) vom 24. Februar 1997 (BGBl I S. 322) wurden die in § 27 BBesG festgelegten zeitlichen Intervalle des Aufsteigens in den Dienstaltersstufen geändert. Da dies bei zahlreichen Beamten zu niedrigeren Dienstbezügen führte, sah Art. 14 § 1 Reformgesetz für diese Fälle einen Ausgleich durch eine ruhegehaltfähige Überleitungszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem nach bisherigem Recht zustehenden Grundgehalt, Ortszuschlag der Stufe 1 und der allgemeinen Stellenzulage und dem nach dem geänderten Recht zustehenden Grundgehalt und allgemeiner Stellenzulage vor. Die Überleitungszulage verringerte sich durch künftige Besoldungserhöhungen.
Im Jahre 2001 wurde offenbar, dass dem Kläger trotz Erhöhung seiner monatlichen Dienstbezüge infolge Aufsteigens in die Dienstaltersstufe 11 die Überleitungszulage ungekürzt weitergezahlt worden war. Von Dezember 1998 bis März 2001 waren insgesamt 3 923,26 DM überzahlt worden. Unter Berücksichtigung der Beträge einerseits, die in der Folgezeit von den monatlichen Dienstbezügen des Klägers einbehalten worden waren, und einer dem Kläger zustehenden, bislang aber nicht ausgezahlten Ausgleichszulage andererseits errechnete die Beklagte im Februar 2002 als – noch – überzahlte Dienstbezüge einen Betrag von 811,97 € und forderte diesen mit Bescheid vom 22. Februar 2002 zurück.
Der Kläger hat nach erfolglosem Beschwerdeverfahren Klage erhoben. Er macht geltend: Er habe die zuviel gezahlten Bezüge verbraucht. Den Mangel des rechtlichen Grundes habe er nicht erkennen können. Das Merkblatt “Informationen zur Dienstrechtsreform für den Geschäftsbereich des BMVg” mit dem Hinweis, dass die Überleitungszulage durch Besoldungserhöhungen aufgezehrt werde, habe er nicht erhalten.
Er stellt den Antrag,
den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung … – … – vom 22. Februar 2002 und deren Beschwerdebescheid vom 4. Juli 2002 insoweit aufzuheben, als vom Kläger noch Dienstbezüge in Höhe von 811,97 € zurückgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Das Merkblatt “Informationen zur Dienstrechtsreform für den Geschäftsbereich des BMVg” sei im Juni 1997 allen Besoldungsempfängern im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung zusammen mit der Gehaltsmitteilung für den Monat Juli 1997 übermittelt worden. Da diese Mitteilungen im Wege der elektronischen Datenverarbeitung versandt würden, ergebe der Beweis des ersten Anscheins, dass jeder Besoldungsempfänger und damit auch der Kläger das Merkblatt erhalten habe. Im Übrigen sei im Kameradenkreis des Klägers darüber gesprochen worden, dass die Überleitungszulage bei Besoldungserhöhungen aufgezehrt werde.
Der Senat hat den Hauptmann a.D. … H.…, der im Sommer 1997 in derselben Unterabteilung des Bundesnachrichtendienstes eingesetzt war wie der Kläger, als Zeugen zu der Frage vernommen, ob alle Soldaten das Merkblatt “Informationen zur Dienstrechtsreform für den Geschäftsbereich des BMVg” von Juni 1997, das mit der Gehaltsmitteilung für den Monat Juli 1997 zentral versandt worden ist, erhalten haben.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die Zeugenvernehmung vom 29. April 2004, wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage, über die der Senat gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, ist begründet. Der Bescheid vom 22. Februar 2002 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Rückzahlung zuviel gezahlter Dienstbezüge.
Nach § 12 Abs. 2 BBesG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dienstbezüge sind zuviel gezahlt, wenn sie ohne rechtlichen Grund gezahlt sind. Der Kläger hat von Dezember 1998 bis März 2001 den Teilbetrag der Überleitungszulage nach Art. 14 § 1 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) vom 24. Februar 1997 (BGBl I S. 322), der dem Betrag entspricht, um den sich sein Grundgehalt infolge des Aufsteigens in die Gehaltsstufe 11 am 1. Dezember 1998 erhöht hatte, ohne rechtlichen Grund erhalten. Denn um diesen Teilbetrag hatte sich die Überleitungszulage ab dem 1. Dezember 1998 gemäß Art. 14 § 1 Satz 3 Halbsatz 1 Reformgesetz verringert. Die Überzahlung beläuft sich unter Berücksichtigung der dem Kläger zustehenden, aber über längere Zeit nicht ausgezahlten Sicherheitszulage und der von der Beklagten einbehaltenen Gehaltsbestandteile auf 811,97 €.
Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückzahlungsverlangen auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da er das Geld für seinen Lebensunterhalt verbraucht hat (§ 12 Abs. 2 BBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB). Er haftet nicht verschärft (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i.V.m. § 819 BGB, § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG). Weder kannte er den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung, noch war dieser Mangel so offensichtlich, dass er ihn hätte erkennen müssen.
Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger gewusst hat, ihm hätten ab Dezember 1998 um (umgerechnet) 811,97 € verminderte Dienstbezüge nach den gesetzlichen Regelungen zugestanden. Von einer positiven Kenntnis der Überzahlung ist auch die Beklagte nicht ausgegangen. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Mangel des rechtlichen Grundes offensichtlich war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Mangel offensichtlich, wenn der Empfänger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 – BVerwG 2 C 4.85 – Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 12 und – BVerwG 2 C 9.85 – Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 13; vom 28. Juni 1990 – BVerwG 6 C 41.88 – Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 17). Für das Erkennenmüssen kommt es auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Beamten/Soldaten an (Urteile vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 14.81 – Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3 und vom 28. Juni 1990 – BVerwG 6 C 41.88 – a.a.O.). Von jedem Beamten/Soldaten ist zu erwarten, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein eigenes statusrechtliches Amt nebst besoldungsrechtlicher Einstufung sowie die ihm zustehenden Besoldungsbestandteile wie Grundgehalt, Familienzuschlag und wohl auch die ihm zustehenden Zulagen kennt. Von juristisch vorgebildeten oder mit Besoldungsfragen befassten Beamten sind weitergehende Kenntnisse zu erwarten. Bei Unklarheiten oder Zweifeln ist der Beamte aufgrund seiner Treuepflicht gehalten, sich durch Rückfragen bei der auszahlenden oder anweisenden Stelle Gewissheit zu verschaffen, ob die Zahlung rechtmäßig ist. Merkblätter und Erläuterungen zu seiner Besoldung muss er sorgfältig lesen (vgl. Urteil vom 25. Juni 1969 – BVerwG 6 C 103.67 – BVerwGE 32, 228).
Von dem Kläger als Soldaten, der mit Besoldungsangelegenheiten nicht dienstlich befasst war, kann mehr als ein besoldungsrechtliches Grundwissen nicht erwartet werden. Spezielle Kenntnisse auch aktueller Neuregelungen gehören nicht dazu. Deshalb brauchte der Kläger auch nicht zu wissen, dass besoldungsrechtliche Überleitungszulagen als Ausgleich für eine Verringerung der Dienstbezüge infolge einer Gesetzesänderung in der Regel als Zulagen ausgestaltet sind, die durch spätere Besoldungserhöhungen aufgezehrt werden, oder dass dies jedenfalls bei der Überleitungszulage nach Art. 14 § 1 Reformgesetz so war.
Die Gehaltsmitteilungen, die der Kläger erhalten hat, waren nicht geeignet, ihn die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung erkennen zu lassen oder auch nur Zweifel auszulösen, ob die Gehaltszahlungen der Höhe nach rechtmäßig waren. In ihnen waren drei vom Kläger bezogene Zulagen ausgewiesen, darunter die Überleitungszulage nach den Gehaltsmitteilungen für die Zeit bis Juni 1999 in Höhe von 226,80 DM monatlich. In der Gehaltsmitteilung mit Geltung ab 1. Dezember 1998 war zwar ein höheres Grundgehalt als in der zuvor erhaltenen Mitteilung für November 1998 ausgewiesen, es war die neue höhere Gehaltsstufe 11 angegeben. Dass sich deshalb die Überleitungszulage reduzierte, war für den Kläger nicht offensichtlich. Die anderen aufgeführten Zulagen veränderten sich auch nicht. Die Reduzierung der Überleitungszulage laut Gehaltsmitteilung ab 1. Juli 1999 erklärte sich für den Kläger zwanglos dadurch, dass er in den Genuss einer allgemeinen Besoldungserhöhung gelangt war. Auf diese war in der Besoldungsmitteilung ausdrücklich in Fettdruck hingewiesen. Wie unübersichtlich die einzelnen Komponenten in der Besoldung des Klägers damals waren, zeigt sich u.a. daran, dass auch die Beklagte über Monate die Höhe der dem Kläger zustehenden Besoldung unzutreffend ermittelt hat.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger aufgrund von Gesprächen im Kollegenkreis oder bei sonstigen Gelegenheiten darüber informiert war, dass die Überleitungszulage durch Besoldungserhöhungen abgeschmolzen wurde. Zwar behauptet die Beklagte, der Kläger habe an Gesprächen anderer Soldaten teilgenommen, in denen hiervon die Rede gewesen sei. Die mündliche Verhandlung hat indessen gezeigt, dass die Beklagte damit nur eine Vermutung ausgesprochen hat. Die Beklagte hat kein Gespräch zwischen Soldaten oder Beamten des Bundesnachrichtendienstes nennen können, an dem der Kläger teilgenommen hat und in dem über die Überleitungszulage gesprochen worden ist. Gespräche dieses Inhalts können auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht durchgängig für jeden Beamten unterstellt werden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Kläger auch nicht von der Beklagten durch Informationsschreiben über die besoldungsrechtlich relevanten Änderungen des Reformgesetzes unterrichtet worden. Im Merkblatt “Informationen zur Dienstrechtsreform für den Geschäftsbereich des BMVg” sind zwar in verständlicher Form die Änderungen durch das Reformgesetz und auch die Regelungen zur Überleitungszulage einschließlich ihrer Aufzehrung durch nachfolgende Besoldungserhöhungen erläutert. Der Senat hat aber nicht festzustellen vermocht, dass der Kläger in den Besitz dieses Merkblatts gelangt ist. Dabei kann offen bleiben, ob das Verfahren, das die Beklagte zur Übermittlung des Merkblatts an die einzelnen Besoldungsempfänger gewählt hat, geeignet ist, den Anscheinsbeweis zu erbringen, dass jeder Besoldungsempfänger das Merkblatt erhalten hat. Die Beklagte gibt an, mittels Computer in jeden Briefumschlag, der die für jeden elektronisch erfassten Besoldungsempfänger ausgedruckten Gehaltsmitteilungen für den Monat Juli 1997 enthielt, ein Exemplar des Merkblatts eingelegt zu haben und dann die verschlossenen Umschläge, die für die Besoldungsempfänger bei den einzelnen Dienststellen bestimmt waren, en bloc der jeweiligen Dienststelle zur internen Verteilung zugeleitet zu haben. Denn die Übermittlung der Briefe an die Dienststelle des Klägers sowie die dortige interne Verteilung weisen Besonderheiten auf, die untypisch für ein computergesteuertes und -gestütztes Verfahren sind und deshalb nicht den Schluss erlauben, dass bei diesem Verfahrensablauf das Merkblatt an den Kläger gelangen musste. Jedenfalls könnte darauf nicht die Überzeugung gestützt werden, dass eine lückenlose Verteilung des Merkblatts gewährleistet war. Die Behauptung des Klägers, er habe das Merkblatt nicht erhalten, ist nicht zu widerlegen. Sie kann auch nicht als bloße Schutzbehauptung abgetan werden, weil davon auszugehen ist, dass den Gehaltsmitteilungen für die Besoldungsempfänger in der Unterabteilung des Bundesnachrichtendienstes, in der auch der Kläger damals verwendet wurde, zumindest in einem Fall das Merkblatt nicht beigefügt war. Das hat die Beweisaufnahme durch den Senat ergeben.
Der Zeuge … H.…, Hauptmann a.D., der im Sommer 1997 als einziger weiterer Soldat neben dem Kläger in der Unterabteilung des Bundesnachrichtendienstes beschäftigt war, in der auch der Kläger Dienst leistete, hat bekundet, dass sich in dem Aktenordner, in dem er die während seiner Dienstzeit erhaltenen Informationsblätter abgeheftet hat, das Merkblatt “Informationen zur Dienstrechtsreform für den Geschäftsbereich des BMVg” nicht befindet, während die Gehaltsmitteilung für Juli 1997 vorhanden ist. Der Zeuge, der ausgesagt hat, er habe alle Gehaltsmitteilungen und alle Merkblätter, die er erhalten habe, gesammelt und abgeheftet, kann sich das Fehlen des fraglichen Merkblatts nur dadurch erklären, dass er dieses Informationsblatt nicht erhalten hat.
Der Senat glaubt dem Zeugen, dass das Merkblatt “Informationen zur Dienstrechtsreform für den Geschäftsbereich des BMVg” in der Sammlung des Zeugen fehlt. Das Vorhanden- oder Nicht-Vorhandensein des Merkblatts in dem der Aufbewahrung der besoldungsrechtlichen Merkblätter dienenden Aktenordner ist eine ohne weiteres feststellbare Tatsache. Der Zeuge hat den Ordner durchgesehen und das Fehlen des Merkblatts festgestellt, dies hat er vor dem Senat eindeutig und bestimmt bekundet. Nichts spricht dafür, dass der Zeuge sich geirrt oder bewusst die Unwahrheit gesagt hat.
Die sorgfältige Aufbewahrung der empfangenen Gehaltsmitteilungen und Merkblätter entspricht, wie der Zeuge erläutert hat, seinen Gepflogenheiten. Wenn in der sonst vollständigen Sammlung besoldungsrechtlicher Merkblätter das Informationsblatt vom Juni 1997 fehlt, und wenn nichts dafür ersichtlich ist, dass das Merkblatt später aus dem Ordner entfernt worden ist, lässt sich das Fehlen nur dadurch erklären, dass der Zeuge das Merkblatt nicht erhalten hat. Davon ist der Senat überzeugt.
Da weitere Aufklärungsmöglichkeiten, dass der Kläger das Informationsblatt erhalten hat, nicht bestehen und die Beklagte die materielle Beweislast für die Voraussetzungen trägt, aus denen sich die verschärfte Haftung des Bezügeempfängers ergibt, waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen