Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrarbeitsvergütung für Soldaten im Bundesnachrichtendienst;. Arbeitszeit der Soldaten. Vergütung für Soldaten mit Spitzendienstzeiten;. Bundesnachrichtendienst, Mehrarbeitsvergütung für Soldaten im –
Leitsatz (amtlich)
Der Status des Soldaten und die damit verbundene grundsätzliche Pflicht zur Dienstleistung in dem durch dienstliche Erfordernisse bestimmten zeitlichen Umfang schließen die Gewährung der nur für Beamte mit geregelter Arbeitszeit vorgesehenen Mehrarbeitsvergütung auch an Soldaten im Bundesnachrichtendienst aus.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BBesG § 2 Abs. 2 S. 1, §§ 48, 50a, Vorbem. Nr. 8 zu BBesO A und B; SG §§ 7, 30 Abs. 1 S. 1; MVergV §§ 1, 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1; VO über die Vergütung für Soldaten mit besonderer zeitlicher Belastung § 3 Nr. 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Soldat im Bundesnachrichtendienst (BND). Er erhält die Stellenzulage nach Nr. 8 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes. In der Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 2. Juli 1995 wurde er bei einer Außenstelle in Berlin verwendet. Die Mitarbeiter dieser Außenstelle leisteten in nicht unerheblichem Umfang Mehrarbeit, für die nur zum Teil ein Freizeitausgleich gewährt wurde. Die vom Kläger selbst geführte Arbeitszeitkarte wies am Ende seiner Tätigkeit bei der Außenstelle ein Zeitguthaben von 20464 Zeiteinheiten von jeweils sechs Minuten Dauer auf. Durch seine Unterschrift bestätigte der damalige Außenstellenleiter, daß er von dem Zeitguthaben Kenntnis erlangt hatte.
Den Antrag des Klägers, sein Zeitguthaben finanziell auszugleichen, lehnte der BND durch Bescheid vom 27. Juli 1998 ab.
Mit der nach erfolglosem Widerspruch beim Bundesverwaltungsgericht erhobenen Klage macht der Kläger geltend:
Für die vom damaligen Dienststellenleiter angeordnete Mehrarbeit habe ihm aus dienstlichen Gründen Freizeitausgleich nicht gewährt werden können. Da er seine Tätigkeit beim BND ebenso wie ein Beamter verrichtet habe und sich bei der Ausübung seines Dienstes wie ein Beamter habe behandeln lassen müssen, stehe ihm auch wie einem Beamten die begehrte Mehrarbeitsvergütung zu. Dies gebiete mangels eines sachlichen Differenzierungsgrundes der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der damalige Dienststellenleiter habe auf Nachfrage immer wieder bestätigt, daß die Mehrarbeit vergütet werde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juli 1998 und des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1998 zu verpflichten, ihm Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 71 652,48 DM brutto zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 5. November 1998 – BVerwG 2 A 2.98 – für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug zu entscheiden hat (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist als Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist aber unbegründet. Der Kläger hat als Soldat keinen Anspruch auf die begehrte Mehrarbeitsvergütung.
Der Senat hat bereits in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 5. November 1998 – BVerwG 2 A 2.98 – im einzelnen dargelegt, daß der Status des Soldaten und die damit verbundene grundsätzliche Pflicht zur Dienstleistung in dem durch dienstliche Erfordernisse bestimmten zeitlichen Umfang (BVerwGE 60, 118 ≪122≫) die Gewährung der nur für Beamte mit geregelter Arbeitszeit vorgesehenen Mehrarbeitsvergütung auch an Soldaten im Bundesnachrichtendienst ausschließen. Daran ist festzuhalten. Das Klagevorbringen vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen.
Wegen der Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BBesG, § 30 Abs. 1 Satz 1 SG) kann der Kläger seinen Klageanspruch weder auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn oder auf die Alimentationspflicht stützen. Zusätzliche Besoldungsleistungen dürfen nur auf der Grundlage ergänzender besoldungsrechtlicher Vorschriften gewährt werden (stRspr; vgl. BVerwGE 69, 83 ≪85≫ m.w.N.). Eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung enthält § 48 BBesG. Der Wortlaut dieser Ermächtigungsnorm – namentlich die Bezugnahme des § 48 Abs. 1 Satz 1 BBesG auf § 72 BBG, § 44 BRRG und entsprechende landesrechtliche Vorschriften für Beamte sowie das ausdrückliche Erfordernis der Meßbarkeit der Dienstverrichtung in § 48 Abs. 1 Satz 2 BBesG – bringt eindeutig zum Ausdruck, daß eine Mehrarbeitsvergütung nur einem Beamten gewährt werden darf, der überdies einer Arbeitszeitregelung – durch Gesetz oder Verordnung – unterliegen muß (vgl. Beschluß vom 31. August 1982 – BVerwG 2 B 172.81 – ≪Buchholz 235 § 48 Nr. 5≫). Das ergibt sich auch aus der aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung des § 48 BBesG erlassenen Verordnung über die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV). Nach dem Wortlaut der §§ 1, 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 MVergV wird eine Mehrarbeitsvergütung nur gewährt, wenn die Mehrarbeit – erstens – von einem Beamten geleistet wurde, der – zweitens – der Arbeitszeitregelung – durch Gesetz oder Verordnung – unterliegt. Beide Anspruchsvoraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er ist kein Beamter, sondern Soldat und unterliegt als solcher auch keiner Arbeitszeitregelung.
Während die Arbeitszeit der Beamten durch Arbeitszeitverordnungen (vgl. Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten i.d.F. vom 24. September 1974, BGBl I S. 2356, mit späteren Änderungen) geregelt ist, gibt es für Soldaten keine gesetzliche Arbeitszeitregelung (vgl. u.a. BVerwGE 63, 99 ≪104≫; 69, 83 ≪89≫; 86, 159 ≪160 ff.≫). Die Dauer ihrer täglichen und wöchentlichen Dienstleistung richtet sich nach den Erfordernissen des militärischen Dienstes, namentlich der ständigen Einsatzbereitschaft der Truppe, der militärischen Ausbildung und sonstigen dienstlichen Notwendigkeiten (vgl. BVerwGE 60, 118 ≪120 f.≫; 86, 159 ≪162 f.≫). Im Rahmen der Fürsorgepflicht hat der Dienstherr zwar für angemessene Freizeit des Soldaten Sorge zu tragen. Dieser bleibt jedoch zu ständiger Einsatzbereitschaft verpflichtet (§ 7 SG) und muß auf Verlangen seines Vorgesetzten jederzeit (wieder) Dienst leisten (vgl. BVerwGE 60, 118 ≪122≫; 63, 99 ≪104≫). Dies gilt im Grundsatz auch für diejenigen Soldaten, die zusammen mit Beamten bei „gemischten Behörden” verwendet werden und dort gemeinsam mit zivilen Beschäftigten – namentlich Beamten – Aufgaben in verwaltungsförmiger Weise erledigen (vgl. Beschluß vom 21. Dezember 1984 – BVerwG 6 P 35.82 – ≪Buchholz 238.3 A § 75 Nr. 35≫).
Der Anwendungsbereich der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte kann auf Soldaten, die – wie der Kläger – zusammen mit Beamten und im Rahmen der für diese geltenden Arbeitszeitregelung bei einer zivilen Behörde verwendet werden, weder durch eine erweiternde Auslegung noch im Wege der Analogie ausgedehnt werden. Das Besoldungsrecht legt die Ansprüche von Beamten und Soldaten nach Grund und Höhe durch zwingende Vorschriften im einzelnen fest. Es läßt keinen Raum für eine Erweiterung oder Ergänzung der ausdrücklich geregelten Anspruchsvoraussetzungen (stRspr; vgl. z.B. Urteile vom 22. März 1990 – BVerwG 2 C 11.89 – ≪Buchholz 240 § 19 a Nr. 10≫ m.w.N. und vom 25. Juni 1992 – BVerwG 2 C 13.91 – ≪Buchholz 239.2 § 11 Nr. 6≫; Beschluß vom 27. März 1995 – BVerwG 2 B 29.95 – ≪Buchholz 240.1 Nr. 12≫).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen Soldaten durch Rechtsverordnung eine Vergütung für Spitzendienstzeiten gewährt werden kann, hat der Besoldungsgesetzgeber in § 50 a BBesG geregelt. Diese Vorschrift ist keine unmittelbare Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Vergütung für Soldaten mit Spitzendienstzeiten. Sie enthält lediglich eine Ermächtigung, durch Rechtsverordnung die Gewährung der Vergütung für Soldaten mit Dienstbezügen aus der Besoldungsordnung A zu regeln, die mehr als 12 und höchstens 16 Stunden sowie mehr als 16 und höchstens 24 Stunden zusammenhängenden Dienst leisten und denen dafür keine Freistellung vom Dienst gewährt werden kann (vgl. Beschluß vom 28. September 1984 – BVerwG 6 B 67.84 – ≪Buchholz 235 § 50 a Nr. 1≫). Die Vorschrift trägt den Besonderheiten des Soldatenstatus Rechnung. Ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung der Mehrarbeit steht dem Kläger jedoch auch nach der aufgrund des § 50 a BBesG erlassenen Verordnung über die Vergütung für Soldaten mit besonderer zeitlicher Belastung nicht zu. Denn die Vergütung wird gemäß § 3 Nr. 3 dieser Verordnung nicht neben einer Stellenzulage nach Nr. 8 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B gewährt, die der Kläger während seiner Verwendung beim BND erhielt.
Die durch den Gleicheitssatz gezogenen Grenzen der besoldungsrechtlichen Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfGE 58, 68 ≪79≫) sind gewahrt. Die unterschiedlichen Regelungen der Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für Beamte, die einer rechtssatzmäßigen Arbeitszeitregelung unterliegen, und für Soldaten, für die eine solche nicht gilt, werden durch die Unterschiede des rechtlichen Status von Beamten und Soldaten sachlich hinreichend gerechtfertigt.
Die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung des Klägers, der damalige Dienststellenleiter habe auf Nachfrage immer wieder bestätigt, daß die Mehrarbeit vergütet werde, ist nicht entscheidungserheblich. Selbst eine – zugunsten des Klägers unterstellte – Zusicherung der Mehrarbeitsvergütung wäre unwirksam (§ 2 Abs. 2 BBesG).
Für einen Schadensersatzanspruch des Klägers fehlt es bereits an der im Prozeß nicht nachholbaren Klagevoraussetzung eines vor Klageerhebung an die Behörde zu stellenden auf Schadensersatz gerichteten Antrags (vgl. u.a. Beschluß vom 1. Dezember 1993 – BVerwG 2 B 115.93 – ≪Buchholz 232 § 79 Nr. 110≫ m.w.N.; Urteil vom 10. April 1997 – BVerwG 2 C 38.95 – ≪DÖD 1997, 278≫). Davon abgesehen ist dem Kläger durch die Leistung der Mehrarbeit ohne Freizeitausgleich kein in Geld zu ersetzender Vermögensschaden entstanden (vgl. insoweit BVerwGE 88, 60 ≪63 f.≫ m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franke, Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.11.1999 durch Rasch Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstellle
Fundstellen