Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Entscheidung vom 22.06.2020; Aktenzeichen 2 A 878/18) |
VG Leipzig (Entscheidung vom 19.04.2018; Aktenzeichen 3 K 645/16) |
Tenor
Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2020 wird aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 19. April 2018 zurückgewiesen, soweit das Oberverwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2016 dazu verurteilt hat, dem Kläger für die im Zeitraum vom 31. Mai bis 9. Juni 2015 geleisteten Einsatzstunden weiteren Freizeitausgleich in Höhe von mehr als 78,7 Stunden zu gewähren.
Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 18 % und die Beklagte zu 82 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 17 % und die Beklagte zu 83 %.
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Polizeibeamter im Dienste der Beklagten, zur Zeit des Streitfalls im Amt eines Polizeioberkommissars (Besoldungsgruppe A 10 BBesO). Er erstrebt (über die ihm bereits gewährte Dienstbefreiung hinaus) weiteren Freizeitausgleich für seinen Einsatz anlässlich des G7-Gipfels in Elmau vom 31. Mai bis zum 9. Juni 2015.
Rz. 2
Der Kläger war bei dem Einsatz zur Unterstützung der Bundespolizeidirektion M. eingesetzt. In dem Einsatzbefehl Nr. 2 der Direktion vom 20. Mai 2015 heißt es unter Ziff. 6.2.2:
"Die erforderliche Mehrarbeit wird hiermit auf Grundlage des § 88 BBG angeordnet. Bei Vorliegen der Voraussetzungen sollen die Regelungen des § 11 BPolBG in Verbindung mit der hierzu gültigen Erlass-/Verfügungslage Anwendung finden. Die Entscheidung über die Höhe des Freizeitausgleichs trifft in diesem Fall der Polizeiführer nach dem Einsatz. Eine vorherige Anordnung/Festlegung ist unzulässig."
Rz. 3
Für die Dauer des Einsatzes war der Kläger in der Evangelischen Akademie in Tutzing untergebracht und verpflichtet, sich dort auch während der so bezeichneten "Ruhezeiten" aufzuhalten. Er durfte während dieser Zeit keinen Alkohol zu sich nehmen und musste jederzeit erreichbar sein. Er war während der gesamten Zeit selbst für die sichere Verwahrung seiner Dienstwaffe verantwortlich und konnte diese Verantwortung höchstens für einen Jogginglauf auf einen anderen Beamten übertragen, wobei er wiederum über sein Mobiltelefon jederzeit erreichbar sein musste. Er hatte jederzeit mit einem Einsatz zu rechnen und sollte in diesem Fall schnellstmöglich einsatzfähig sein.
Rz. 4
Für den Einsatz errechnete die Beklagte für den Kläger im Wege einer sog. "spitzen Abrechnung" einen Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe von 58 Stunden. Die "Ruhezeiten" des Klägers in der Unterkunft im Umfang von 112 Stunden berücksichtigte sie bei dieser Berechnung anteilig als Rufbereitschaft. Zusätzlich genehmigte sie dem Kläger einen besonderen Zeitausgleich in Höhe von zwei Tagen.
Rz. 5
Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 beantragte der Kläger, den Einsatz beim G7-Gipfel pauschal nach § 11 BPolBG abzurechnen. Die Beklagte lehnte dies ab, Widerspruch und die Klage blieben erfolglos.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2016 verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum vom 31. Mai bis zum 9. Juni 2015 geleisteten Einsatzstunden einen weiteren Freizeitausgleich in Höhe von 95,1 Stunden zu gewähren. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Anträge des Klägers zurückgewiesen.
Rz. 7
Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte,
das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2020 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 19. April 2018 zurückzuweisen.
Rz. 8
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Rz. 9
Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt den Antrag der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die zulässige Revision der Beklagten ist zum Teil begründet.
Rz. 11
Das Berufungsurteil beruht in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). In diesem Umfang stellt es sich auch nicht i.S.d. § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar.
Rz. 12
Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach dem einschlägigen materiellen Recht der Zeitraum des streitgegenständlichen Einsatzes (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 5. November 2013 - 5 LB 64/13 - DÖV 2014, 128 ≪nur LS≫ = juris Rn. 28; OVG Münster, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 6 A 1219/14 - juris Rn. 6 und Urteil vom 15. September 2020 - 6 A 2634/18 - NWVBl 2021, 69 ≪70≫).
Rz. 13
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf weitere Dienstbefreiung gemäß § 88 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), im hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 6. März 2015 (BGBl. I S. 250), jedoch nur in einem geringeren Umfang als vom Berufungsgericht zugesprochen.
Rz. 14
Gemäß § 88 Satz 1 BBG sind Beamtinnen und Beamte verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen gemäß § 88 Satz 2 BBG innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren.
Rz. 15
Das Berufungsurteil geht zutreffend davon aus, dass im Streitfall § 88 Satz 2 BBG als Anspruchsgrundlage nicht von § 11 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Juni 1976 (BGBl. I S. 1357), im hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 462), verdrängt wird (a). Rechtsfehlerfrei ist auch die weitere Annahme, dass die so bezeichneten "Ruhezeiten" des Klägers während des Einsatzes bei zutreffender rechtlicher Einordnung Zeiten des Bereitschaftsdienstes darstellen (b) und dass die Beklagte diesbezüglich Mehrarbeit angeordnet hat (c). Das Berufungsgericht ist hinsichtlich des Umfangs des dem Kläger zustehenden Freizeitausgleichs auch zutreffend davon ausgegangen, dass im Rahmen des § 88 Satz 2 BBG für jede Stunde Bereitschaftsdienst eine Stunde Dienstbefreiung zu gewähren ist. Rechtsfehlerhaft ist insoweit lediglich die Nichtberücksichtigung des dem Kläger bereits gewährten besonderen Zeitausgleichs im Umfang von zwei Tagen (d). In diesem Umfang ist das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen i.S.d. § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis richtig (e).
Rz. 16
Der Senat hat zum Anspruch gemäß § 11 BPolBG, zur Bewertung der "Ruhezeiten" als Zeiten des Bereitschaftsdienstes und zur Anordnung der Mehrarbeit in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom heutigen Tage in dem Parallelverfahren BVerwG 2 C 18.20 betreffend die dortigen Kläger ausgeführt:
a) Der Anspruch auf Dienstbefreiung gemäß § 88 Satz 2 BBG für den Einsatz beim G7-Gipfel in Elmau wird nicht durch einen Anspruch gemäß § 11 BPolBG verdrängt. Dieser Anspruch wäre nur dann an die Stelle einer Dienstbefreiung gemäß § 88 Satz 2 BBG getreten, wenn sich der Dienstherr für eine pauschale Abrechnung entschieden hätte.
Gemäß § 11 Satz 1 BPolBG wird bei Einsätzen und bei Übungen von Verbänden, Einheiten oder Teileinheiten der Bundespolizei von einer Dauer von mehr als einem Tag anstelle einer Dienstbefreiung nach den §§ 87 und 88 BBG ein einheitlicher Freizeitausgleich festgesetzt, der die Dauer des Einsatzes oder der Übung und die damit verbundene dienstliche Beanspruchung angemessen berücksichtigen muss. Die Entscheidung trifft gemäß § 11 Satz 2 BPolBG der Bundesminister des Innern oder die von ihm bestimmte Dienststelle. Der Freizeitausgleich soll gemäß § 11 Satz 3 BPolBG gewährt werden, sobald die dienstlichen Verhältnisse es zulassen, möglichst innerhalb von drei Monaten.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dient die in § 11 BPolBG vorgesehene Pauschalierungsmöglichkeit nicht den Individualinteressen der Beamten, sondern allein den Interessen des Dienstherrn. Gemeint ist dabei das öffentliche Interesse an einer Reduzierung des Verwaltungsaufwands und - heute nur noch im verringerten Umfang - an der Sicherung der Einsatzbereitschaft der Polizeiverbände (vgl. BT-Drs. 7/3494 S. 16, BT-Drs. 11/3293 S. 51; BVerwG, Beschluss vom 28. November 2018 - 2 B 29.18 - Buchholz 236.0 § 11 BPolBG Nr. 1 Rn. 13). Die Norm wurde ausdrücklich geschaffen, um dem Dienstherrn die "Möglichkeit" zu geben, den Beamten "anstelle" der genau ("spitz") zu ermittelnden Dienstbefreiung den pauschalierten Ausgleich zu gewähren (BT-Drs. 7/3494 S. 16). Der Dienstherr kann insofern zwischen der sog. Spitzabrechnung und der pauschalierenden ("einheitlichen") Abrechnung wählen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2018 - 2 B 29.18 - Buchholz 236.0 § 11 BPolBG Nr. 1 Rn. 11). Ob und in welcher Höhe pauschaliert wird, richtet sich allein danach, ob der Bundesminister des Innern oder die von ihm bestimmte Dienststelle von dieser Pauschalierungsbefugnis in am Gesetzeszweck orientierter Ermessensausübung Gebrauch macht. Entscheidet sich der Dienstherr gegen eine Pauschalierung, ergibt sich aus § 11 BPolBG grundsätzlich kein subjektiv-öffentliches Recht des Beamten.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Änderung des § 11 BPolBG im Jahr 1988 (BGBl. I S. 2363). Mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber zwar in Satz 1 die Wendung "kann... bestimmen" durch "wird... festgesetzt" ersetzt sowie den neuen Satz 2 mit der Wendung "trifft" eingefügt; doch hat er damit nicht die Wahlmöglichkeit des Dienstherrn abgeschafft. Ein dahin gehendes Verständnis der Norm würde den Umfang der Änderung verkennen und widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, der an der bisherigen Wahl- und Entscheidungsmöglichkeit des Dienstherrn nichts ändern wollte. Mit der damaligen Änderung sollten vielmehr Voraussetzungen und Umfang der Norm ausgeweitet werden, die sich als zu eng erwiesen hatten. Es sollten insbesondere polizeiliche Einsätze mit weniger als fünf Tagen Dauer erfasst und bei der Pauschalierung auch Belastungen durch Rufbereitschaft, Reisezeiten und Ruhezeiten berücksichtigt werden können (BT-Drs. 11/3293 S. 51). Die Begründung des Gesetzentwurfs enthält keinen Hinweis darauf, dass die Norm mit der Umformulierung von "kann" zu "wird" und "trifft" dahin gehend umgestaltet werden sollte, dass dadurch die Wahlmöglichkeit des Dienstherrn beseitigt werden sollte.
b) Die von der Beklagten in den aufgestellten Dienstplänen ausgewiesenen und so bezeichneten "Ruhezeiten" der Kläger während des Einsatzes stellen bei zutreffender rechtlicher Einordnung Arbeitszeit dar, und zwar Zeiten des Bereitschaftsdienstes i.S.v. § 2 Nr. 12 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (AZV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. Februar 2006 (BGBl. I S. 427), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 11. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2191). Danach ist der Bereitschaftsdienst die Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt Bereitschaftsdienst vor, wenn der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat und erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 - Buchholz 240.01 BBesO Nr. 31 Rn. 14, vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 12 und vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 15). Der Senat hat dies zuletzt dahin gehend zusammengefasst, dass Bereitschaftsdienst in diesem Sinne voraussetzt, dass sich der Beamte an einem nicht "privat" frei wählbaren und wechselbaren Ort bereitzuhalten hat und dass die in Rede stehenden Zeiten von einem "Sich-Bereit-Halten" für einen jederzeit möglichen Einsatz geprägt sind (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Oktober 2020 - 2 B 36.20 - NVwZ 2021, 501 Rn. 20 und vom 1. Dezember 2020 - 2 B 38.20 - ZBR 2021, 162 Rn. 12, 16 f.).
Maßgeblich ist insoweit, ob sich die Zeiten bei wertender Betrachtung als Bereitschaftsdienst, Freizeit oder eine Form der Rufbereitschaft darstellen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 31 Rn. 17; Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 B 38.20 - ZBR 2021, 162 Rn. 17). Inwiefern erfahrungsgemäß mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist, kann dabei ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Annahme von Arbeitszeit in Form von Bereitschaftsdienst sein (BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 B 38.20 - ZBR 2021, 162 Rn. 16; vgl. Urteile vom 12. Dezember 1979 - 6 C 96.78 - BVerwGE 59, 176 ≪181 f.≫ und vom 29. Januar 1987 - 2 C 14.85 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 28 S. 3 f.). Auf eine solche typisierende Gesamtbetrachtung der Häufigkeit tatsächlicher Einsätze kommt es indes nicht an, wenn sich das Gepräge des "Sich-Bereit-Haltens" für einen jederzeit möglichen Einsatz bereits aus der Natur des Einsatzes ergibt (BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 B 38.20 - ZBR 2021, 162 Rn. 17).
(2) Mit diesen Maßstabsätzen sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dessen Rechtsprechung ist für die Abgrenzung von Arbeitszeit und Ruhezeit i.S.v. Art. 2 Nr. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG, Arbeitszeitrichtlinie - ABl. L 299 S. 9) zu beachten. Dies folgt für § 88 Satz 2 BBG zwar nicht unmittelbar aus dem Unionsrecht, doch entspricht dies dem Willen des deutschen Gesetzgebers.
Die Anwendung des Arbeitszeitbegriffs der RL 2003/88/EG ist auf den Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2018 - C-518/15 [ECLI:EU:C:2018:82], Matzak - NJW 2018, 1073 Rn. 43; Generalanwalt Saugmandsgaard Øe, Schlussantrag vom 28. Januar 2021 - C-742/19 [ECLI:EU:C:2021:77], Ministrstvo za obrambo - juris Rn. 109; Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 2 RL 2003/88/EG Rn. 2). Wie der Senat bereits zur insoweit identischen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG ausgeführt hat, beschränkt sich deren Anwendungsbereich auf das Arbeitsschutzrecht. Gegenstand der Richtlinie sind nach ihrem Art. 1 Abs. 2 lediglich die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 - Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 S. 3 f.; ebenso BAG, Urteil vom 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - BAGE 106, 252 ≪260≫).
Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber in § 2 AZV einen einheitlichen Begriff für den Bereitschaftsdienst normiert, der sowohl bei den arbeitsschutzrechtlichen Regelungen des Beamtenrechts - wie § 13 Abs. 1 Satz 2 AZV - als auch bei sonstigen arbeitszeitrechtlichen Regelungen - wie § 88 Satz 2 BBG - Anwendung findet. Obwohl die zuletzt genannte Regelung nicht in den Anwendungsbereich der RL 2003/88/EG fällt, ist der Begriff auch in diesen Fällen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen. Maßgeblich hierfür ist, dass eine solche Ausdehnung und auch die kontinuierliche Anpassung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Willen des deutschen Gesetzgebers entspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 26. März 2020 - C-66/19 [ECLI:EU:C:2020:242], Kreissparkasse Saarlouis - NJW 2020, 1423 Rn. 28 f.; BGH, Beschluss vom 31. März 2020 - XI ZR 581/18 - ZIP 2020, 868 ≪869≫; BAG, Beschluss vom 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 ≪A≫ - BAGE 141, 173 Rn. 15 f.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 Rn. 83). Dies ist hier der Fall. Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 87 Abs. 2 BBG (BT-Drs. 16/7076, S. 121) zeigen, dass der Gesetzgeber stets von einem einheitlichen Begriff des Bereitschaftsdienstes ausgegangen ist und keine unterschiedlichen Begriffsbestimmungen im Arbeitszeitrecht der Beamten angestrebt hat.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der der Senat folgt und die seiner eigenen zugrunde liegt, ist für die Einordnung von Bereitschaftsdienst als "Arbeitszeit" i.S.d. RL 2003/88/EG entscheidend, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02 [ECLI:EU:C:2003:437], Jaeger - Slg. 2003, I-8415 Rn. 63, vom 1. Dezember 2005 - C-14/04 [ECLI:EU:C:2005:728], Dellas - Slg. 2005, I-10279 Rn. 48 und vom 21. Februar 2018 - C-518/15, Matzak - NJW 2018, 1073 Rn. 59). Der Arbeitnehmer, der während einer solchen Bereitschaftszeit verpflichtet ist, zur sofortigen Verfügung seines Arbeitgebers an seinem Arbeitsplatz zu bleiben, muss sich außerhalb seines familiären und sozialen Umfelds aufhalten und kann weniger frei über die Zeit verfügen, in der er nicht in Anspruch genommen wird. Folglich ist dieser gesamte Zeitraum, unabhängig von den Arbeitsleistungen, die der Arbeitnehmer während dessen tatsächlich erbringt, als "Arbeitszeit" i.S.d. der RL 2003/88/EG einzustufen (EuGH, Urteile vom 9. März 2021 - C-344/19 [ECLI:EU:C:2021:182], Radiotelevizija Slovenija - NZA 2021, 485 Rn. 35 und - C-580/19 [ECLI:EU:C:2021:183], Stadt Offenbach am Main - NZA 2021, 489 Rn. 36; vgl. auch Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a. [ECLI:EU:C:2004:584], Pfeiffer u.a. - Slg. 2004 I-8878 Rn. 93). Kann wegen des Fehlens einer Verpflichtung, am Arbeitsplatz zu bleiben, eine Bereitschaftszeit nicht automatisch als "Arbeitszeit" i.S.d. RL 2003/88/EG eingestuft werden, haben die nationalen Gerichte noch zu prüfen, ob sich eine solche Einstufung nicht doch aus den Konsequenzen ergibt, die die gesamten dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen für seine Möglichkeit haben, während der Bereitschaftszeit die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen (EuGH, Urteile vom 9. März 2021 - C-344/19, Radiotelevizija Slovenija - NZA 2021, 485 Rn. 45 und - C-580/19, Stadt Offenbach am Main - NZA 2021, 489 Rn. 44).
(3) Nach diesen Maßstäben stellten die von der Beklagten so bezeichneten "Ruhezeiten" der Kläger während des Einsatzes beim G7-Gipfel in Elmau Zeiten des Bereitschaftsdienstes i.S.d. § 2 Nr. 12 AZV dar. Die Kläger mussten sich während der "Ruhezeiten" grundsätzlich durchgehend in einem vom Dienstherrn bestimmten Hotel und damit an einem nicht "privat" frei wählbaren Ort bereithalten. Die in Rede stehenden Zeiten waren wegen der die "Ruhezeiten" betreffenden Weisungen zudem von einem "Sich-Bereit-Halten" für einen jederzeit möglichen Einsatz geprägt. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Kläger jederzeit erreichbar sein mussten und das Hotel nur zu bestimmten Anlässen und nur nach vorheriger Genehmigung, nicht jedoch nach eigenem Belieben verlassen durften. Außerdem mussten sie ihre persönliche Ausrüstung einschließlich der Waffen ständig bei sich führen. Es handelte sich damit nicht bloß um eine Unterbringung der Kläger in einem Hotel, sondern aufgrund der Weisungslage um darüber deutlich hinausgehende Einschränkungen ihrer Möglichkeiten, sich ihren persönlichen und sozialen Interessen zu widmen. Inwiefern das Alkoholverbot noch ins Gewicht fallen könnte, kann dahinstehen.
c) Die Beklagte hat den während der "Ruhezeiten" angefallenen Bereitschaftsdienst auch i.S.d. § 88 Satz 2 BBG als Mehrarbeit angeordnet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen. Nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bereits bekannt ist.
Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 14; Beschluss vom 2. April 2019 - 2 B 43.18 - juris Rn. 9; vgl. auch Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 - BVerwGE 122, 65 ≪69≫). Hieran fehlt es z.B. bei der schlichten Festlegung von Arbeitszeiten in Dienstplänen oder Schichtplänen. Diese Festlegungen führen mangels einer Anordnung, die auf § 88 BBG Bezug nimmt, nicht zu Mehrarbeit, sondern lediglich zu regelmäßiger Arbeitszeit oder - bei rechtswidriger Höhe - zu Zuvielarbeit (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 5 f. und vom 19. April 2018 - 2 C 40.17 - BVerwGE 161, 377 Rn. 17, 20).
Der Annahme, dass Mehrarbeit angeordnet wurde, steht es nicht entgegen, wenn ein Dienstherr - wie im Streitfall - bei einem bestimmten Anlass sein Ermessen nicht für einen einzelnen Beamten, sondern für eine Mehrzahl von Beamten ausübt und die Mehrarbeit in einer sie alle umfassenden Weisung - hier: einem Einsatzbefehl - anordnet. Wenn der Dienstherr bei der Ausübung seines Ermessens zu dem Ergebnis kommt, dass eine Gruppe oder gar alle der bei dem Anlass einzusetzenden Beamten wegen der Bedeutung oder des Umfangs des Anlasses erforderlichenfalls Mehrarbeit leisten müssen, so ist es nicht erforderlich, dass der Dienstherr dies gegenüber jedem Beamten einzeln entscheidet und anordnet.
Die Anordnung unter Ziff. 6.2.2 des Einsatzbefehls Nr. 2 vom 20. Mai 2015 stellte nach obigen Maßstäben eine Anordnung von Mehrarbeit i.S.d. § 88 Satz 2 BBG dar. Die Beklagte hat mit dieser Anordnung zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche Überschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit wegen des Einsatzes anlässlich des G7-Gipfels als Mehrarbeit angeordnet sind. Die Abschnittsleiter und Hundertschaftsführer durften aufgrund dieser Anordnung während der gesamten Zeit des Einsatzes auch über die Schichtpläne hinaus auf die ihnen zugewiesenen Beamten zugreifen, ohne dass sie selbst noch über die Anordnung von Mehrarbeit entscheiden mussten. Über die Anordnung dieser Mehrarbeit war bereits auf höherer Ebene mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 entschieden worden. Dies gilt sowohl für die Zeiten des Volldienstes als auch für die Aufenthaltszeiten im Hotel. Der Einsatzbefehl Nr. 2 vom 20. Mai 2015 differenziert insoweit nicht. Er enthält insbesondere weder eine Beschränkung auf die Kategorien der Dienstpläne noch eine Beschränkung auf bestimmte Fälle der zusätzlichen Arbeit wie z.B. auf das zusätzliche Ausrücken aus dem Hotel in bestimmte Einsatzsituationen.
Dass der Dienstherr bei der Anordnung wegen des nicht vorhersehbaren Verlaufs des Einsatzes noch nicht absehen konnte, in welchem Umfang die Beamten Volldienst leisten und in welchem Umfang und mit welcher Intensität sie über den Volldienst hinaus herangezogen werden würden, und dass er deshalb nur die "erforderliche Mehrarbeit" anordnete, steht dem Vorliegen einer konkreten Anordnung nicht entgegen. Wie oben dargestellt, ist für eine Anordnung von Mehrarbeit nicht zu verlangen, dass im Zeitpunkt der Anordnung der Umfang der zu leistenden Mehrarbeitsstunden bereits bekannt ist. Mit dem Einsatz bei dem G7-Gipfel in Elmau lag ein konkreter und zeitlich abgegrenzter Mehrarbeitstatbestand vor, auf den sich die Anordnung bezog.
Rz. 17
Diese Ausführungen des vorerwähnten Parallelurteils gelten ebenso für den vorliegenden Streitfall. Dieser weist insoweit keine wesentlichen Unterschiede auf. Dass der Kläger die Evangelische Akademie in Tutzing während der "Ruhezeiten" für einen Jogginglauf verlassen durfte, reicht nicht aus, um diesen Zeiten das Gepräge des "Sich-Bereit-Haltens" für einen jederzeit möglichen Einsatz zu nehmen. Die Bindung an den Ort der Unterkunft, das Mitführen des Mobiltelefons und die Anforderung, bei einem jederzeitig möglichen Einsatz schnellstmöglich einsatzfähig zu sein, stehen dem entgegen. Die vom Berufungsgericht zusätzlich zum Einsatzbefehl Nr. 2 vom 20. Mai 2015 aufgeführten Befehle ändern auch nichts daran, dass die Beklagte den während der "Ruhezeiten" angefallenen Bereitschaftsdienst mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 i.S.d. § 88 Satz 2 BBG als Mehrarbeit angeordnet hat.
Rz. 18
d) Der dem Kläger für diesen Einsatz deshalb noch zuzusprechende Anspruch auf zusätzliche entsprechende Dienstbefreiung nach § 88 Satz 2 BBG beläuft sich auf weitere 78,7 Stunden. Zum Umfang des Anspruchs hat der Senat in dem vorerwähnten Parallelurteil ausgeführt:
"Entsprechende Dienstbefreiung" i.S.d. § 88 Satz 2 BBG bedeutet bei Bereitschaftsdienst ebenso wie bei Volldienst voller Freizeitausgleich im Verhältnis 1:1. Auch dies ergibt sich im Fall von Mehrarbeit nicht unmittelbar aus dem Unionsrecht, sondern aus dem nationalen Recht.
Die RL 2003/88/EG enthält keine Vorgaben für die Höhe des von § 88 Satz 2 BBG vorgesehenen Ausgleichsanspruchs für Mehrarbeit. Die Regelungen der Richtlinie wie Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG verlangen, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen der Richtlinie eingehalten werden und z.B. die durchschnittliche Arbeitszeit im Sieben-Tages-Bezugszeitraum von 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschritten wird. Zur Umsetzung der Richtlinie ist es daher insbesondere erforderlich, dass Regelungen getroffen werden, die z.B. ein Überschreiten der Grenze des Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG verhindern und die die Spielräume der Richtlinie wie jene von Art. 16 Buchst. b) und von Art. 19 RL 2003/88/EG lediglich in unionsrechtskonformer Weise umsetzen (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juli 2017 - 2 C 31.16 - BVerwGE 159, 245 Rn. 53 ff. und - 2 C 36.16 - Buchholz 237.21 § 76 BrbgLBG Nr. 2 Rn. 50 ff.). Die Richtlinie verlangt jedoch nicht, dass ein rein mitgliedstaatlicher Ausgleichsanspruch für die Überschreitung der mitgliedstaatlich geregelten regelmäßigen Arbeitszeit eine bestimmte Höhe hat (OVG Münster, Urteil vom 15. September 2020 - 6 A 2634/18 - NWVBl 2021, 69 ≪73≫). Soweit frühere Entscheidungen des Senats nahelegen können, das Unionsrecht enthalte solche "Vorgaben" (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 20 und Beschluss vom 28. November 2018 - 2 B 29.18 - Buchholz 236.0 § 11 BPolBG Nr. 1 Rn. 9), hält der Senat daran nicht fest.
§ 88 Satz 2 BBG sieht jedoch unabhängig vom Unionsrecht einen Anspruch auf eine Stunde Dienstbefreiung je Stunde Bereitschaft vor. Für dieses Verständnis sprechen der Wortlaut der Norm, der bei der Bestimmung des Umfangs des zu gewährenden Freizeitausgleichs allein an den zeitlichen Umfang der geleisteten Mehrarbeit anknüpft, und insbesondere der von ihr verfolgte Sinn und Zweck. Dienstbefreiung für Mehrarbeit soll die Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit - jedenfalls im Gesamtergebnis - gewährleisten. Dem Beamten soll in ungeschmälertem Umfang Freizeit zur Verwendung nach seinen persönlichen Bedürfnissen und Interessen zur Verfügung stehen. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Begriff der "entsprechenden" Dienstbefreiung wurde 1965 in die damals den Freizeitausgleichsanspruchregelnde Vorschrift des § 72 Abs. 2 BBG eingefügt. Beabsichtigt war damit eine dem (zeitlichen) Umfang - nicht der Intensität der Mehrleistung - entsprechende Dienstbefreiung (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 28. November 2018 - 2 B 29.18 - Buchholz 236.0 § 11 BPolBG Nr. 1 Rn. 9).
Rz. 19
Danach hat der Kläger für die als Bereitschaftsdienst einzustufende Ruhezeit einen Anspruch aus § 88 Satz 2 BBG auf weitere Dienstbefreiung in Höhe von 112 Stunden.
Rz. 20
Diesen Anspruch hat die Beklagte jedoch bereits zum Teil erfüllt. Neben den vom Berufungsgericht bereits zutreffend abgezogenen 16,9 Stunden sind auch noch die 16,4 Stunden (zwei Tage Freizeitausgleich) abzuziehen, die die Beklagte zusätzlich "zur Anrechnung des tatsächlich geleisteten Dienstes" also gerade für die "Ruhezeiten" gewährt hatte. Das Berufungsurteil, das dies nicht berücksichtigt, beruht deshalb auf einer Rechtsverletzung, soweit es dem Kläger mehr als 78,7 Stunden zusätzliche Dienstbefreiung für den Einsatz anlässlich des G7-Gipfels in Elmau zugesprochen hat.
Rz. 21
Der Senat hat in dem vorerwähnten Parallelurteil weiter ausgeführt:
e) Bezogen auf die hiernach gebotene Korrektur im Umfang von jeweils 16,4 Stunden stellen sich die Urteile des Berufungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen i.S.v. § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar. Aus anderen Anspruchsgrundlagen ergibt sich kein abweichender Anspruch auf Freizeitausgleich, weil nach dem Vorstehenden die gesamten Einsatztage im Umfang von jeweils 24 Stunden als Arbeitszeit anzuerkennen und entsprechend auszugleichen sind.
Daher bedarf es keines Eingehens auf die andernfalls in Betracht kommenden beiden weiteren Anspruchsgrundlagen des (nationalen) beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen Zuvielarbeit (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f. und vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 25) und des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen eines qualifizierten Verstoßes gegen die RL 2003/88/EG (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 15 ff. und vom 20. Juli 2017 - 2 C 31.16 - BVerwGE 159, 245 Rn. 9 ff.).
f) Der Senat verkennt nicht die auch vom Vertreter des Bundesinteresses hervorgehobenen erheblichen Probleme für die polizeiliche Personal- und Einsatzplanung einschließlich der haushalterischen Belastungen, die sich für die Beklagte insbesondere daraus ergeben, dass die von ihr so bezeichneten "Ruhezeiten" wegen der oben genannten Beschränkungen für die Beamten bei zutreffender rechtlicher Einordnung Zeiten des Bereitschaftsdienstes darstellen. Diese rechtliche Einordnung lässt sich nur vermeiden, wenn der Dienstherr den Beamten während solcher Zeiten keine Einschränkungen auferlegt, die - wie oben ausgeführt (Rn. 31) - diesen Zeiten doch das Gepräge eines "Sich-Bereit-Haltens" verleihen; er muss sie wirklich "in Ruhe lassen". Der Senat weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass es - neben der Umsetzung des Bezugszeitraums i.S.v. Art. 16 Buchst. b) der RL 2003/88/EG und der Weitung des Bezugszeitraums auf ein Jahr durch Tarifvertrag oder Vereinbarung zwischen Sozialpartnern gemäß Art. 19 der RL 2003/88/EG - für den Gesetzgeber durchaus Möglichkeiten gibt, die angeführten Belastungen zu mindern. So gebietet das Unionsrecht z.B. außerhalb des Regelungsbereichs der RL 2003/88/EG keine Gleichbehandlung von Voll- und Bereitschaftsdienst (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 - Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 S. 3; Beschluss vom 25. Juni 2020 - 1 WRB 3.19 - Buchholz 449 § 30c SG Nr. 3 Rn. 45; OVG Münster, Urteil vom 15. September 2020 - 6 A 2634/18 - NWVBl 2021, 69 ≪73≫).
Rz. 22
Auch dies gilt im vorliegenden Streitfall.
Rz. 23
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Fundstellen
Dokument-Index HI14677195 |