Entscheidungsstichwort (Thema)
ruhegehaltfähige Vordienstzeiten. Zeiten einer praktischen Ausbildung. Aufstieg in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes. Vorbildungsvoraussetzungen. Ersetzung einer vorgeschriebenen allgemeinen Schulbildung durch die praktische Ausbildung
Leitsatz (amtlich)
Die Zeit einer Handwerksausbildung, die ein in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes aufgestiegener Soldat vor seinem Eintritt in das Soldatenverhältnis absolviert hat, kann nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, wenn diese Ausbildung die für den Aufstieg erforderliche allgemeine Schulbildung ersetzt hat.
Normenkette
SVG § 23 Abs. 1; SLV § 33 a.F. (entspricht § 29 n.F.); SG § 27 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der 1957 geborene Kläger absolvierte nach dem Abschluss der Realschule erfolgreich eine 21/2-jährige Lehre zum Kfz-Mechaniker bei der Standortverwaltung M…, wo er anschließend auch kurze Zeit als Arbeiter beschäftigt war. Mit Wirkung vom 1. August 1976 berief ihn die Beklagte unter Ernennung zum Obergefreiten UA in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit. Auf Antrag des Klägers, ihn als Offizier des Truppendienstes in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten zu übernehmen, ließ die Beklagte mit Personalverfügung vom 20. Mai 1980 den inzwischen zum Feldwebel beförderten Kläger als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zu, ordnete seine Teilnahme am Bildungslehrgang für Offiziersanwärter an und versetzte ihn zur Bildungsförderungskompanie nach München. Aufgrund der an der dortigen Bundeswehrfachschule erfolgreich abgelegten Abschlussprüfung im Fachhochschulreifelehrgang “Technik”, des Abschlusszeugnisses der Realschule und der abgeschlossenen Berufsausbildung zum Kfz-Mechaniker erkannte die Oberste Schulaufsichtsbehörde des Freistaates Bayern dem Kläger die Fachhochschulreife zu. Während seines anschließenden Studiums an der Hochschule der Bundeswehr im Fachhochschulstudiengang Maschinenbau ernannte die Beklagte ihn zum 1. Juli 1983 unter Verleihung der Eigenschaft eines Berufssoldaten zum Leutnant. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums wurde der zuletzt zum Oberstleutnant beförderte Kläger meist bei Instandsetzungseinheiten verwendet.
Im Jahre 1998 beantragte der Kläger, die Zeit seiner Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und das Arbeitsverhältnis bei der Standortverwaltung M… als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen. Die Beklagte entsprach dem nur für die Zeit des Arbeitsverhältnisses, lehnte die Anerkennung der Ausbildungszeit hingegen ab. Die Beschwerde des Klägers wurde zurückgewiesen. Seine Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht zum Teil Erfolg; das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten in vollem Umfang abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zeiten einer praktischen Ausbildung, durch die die erforderliche allgemeine Schulbildung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SVG ersetzt wird, könnten einem Berufssoldaten nicht als eine außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebene oder nach § 23 Abs. 2 SVG als eine für die Wahrnehmung der ihm als Berufssoldaten übertragenen Aufgaben förderliche Ausbildung anerkannt werden. Offizier im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten könne nur werden, wer über die Hochschul- bzw. Fachhochschulreife verfüge. Voraussetzung und Bestandteil dieser dem Kläger zuerkannten Befähigung sei ausweislich des Vermerks der Obersten Bayerischen Schulaufsichtsbehörde die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gewesen. Auch wenn der Wechsel aus der Laufbahn der Unteroffiziere in die Laufbahn der Offiziere bereits bei Eignung des Betreffenden möglich gewesen sei, habe die Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis, aus dem der Anspruch auf Ruhegehalt fließe, die Fachhochschulreife des Betreffenden zur Voraussetzung gehabt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er stellt den Antrag,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Januar 2003 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit seiner Lehre zum Kfz-Mechaniker als ruhegehaltfähig berücksichtigt oder auch nur erneut über die Anerkennung dieser Zeit als ruhegehaltfähig entscheidet. Die eine derartige Anerkennung ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, unter denen § 23 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz – SVG), hier anzuwenden i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. April 2002 (BGBl I S. 1258) mit späteren Änderungen, eine Berücksichtigung dieser Zeit zulässt.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SVG kann einem Berufssoldaten die nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, übliche Prüfungszeit) als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn die allgemeine Schulbildung durch eine andere Art der Ausbildung ersetzt wird, diese der Schulbildung gleichsteht. Die Regelung knüpft daran an, dass Zeiten einer allgemeinen Schulausbildung grundsätzlich nicht als ruhegehaltfähig in Betracht kommen. Dasselbe muss dann aber auch für andere Ausbildungen gelten, die die allgemeine Schulbildung ersetzen. Die Mechanikerlehre des Klägers hatte diese Funktion im Hinblick auf den Dienstgrad in der Offizierslaufbahn, der für die Berechnung der Versorgungsbezüge maßgebend sein wird (§ 17 Abs. 1 SVG). Sie hat – zusammen mit weiteren Bildungsabschlüssen – die Fachhochschulreife ersetzt, die als Voraussetzung für den Aufstieg eines Unteroffiziers in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes gefordert war, über die der Kläger aber nicht verfügte.
Welche Schulausbildung als Vorbildung für den Aufstieg des Klägers in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes vorgeschrieben war, bestimmt sich nach dem damaligen Laufbahnrecht. Das war § 33 der aufgrund der Ermächtigung in § 27 Abs. 1 SG erlassenen Soldatenlaufbahnverordnung vom 27. Januar 1977 (BGBl I S. 233) unter Berücksichtigung der nachfolgenden Änderungen einschließlich derjenigen durch die Zwölfte Verordnung zur Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung vom 24. April 1980 (BGBl I S. 466) und – für die Zeit ab dem 25. März 1983 – derjenigen durch die Dreizehnte Verordnung zur Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung vom 16. März 1983 (BGBl I S. 306 – SLV a.F.). Nach dieser Vorschrift konnten Unteroffiziere aller Laufbahnen bei Eignung zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zugelassen werden, wenn sie im Zeitpunkt der Zulassung mindestens 21 Jahre alt waren und an einem Auswahllehrgang teilgenommen hatten. § 33 Abs. 1 SLV a.F. enthält indessen keine abschließende Normierung der Vorbildungsvoraussetzungen für den Aufstieg als solchen, sondern regelt lediglich die Zulassung zum Aufstiegsverfahren, also die Gestattung der Teilnahme am Aufstiegsverfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Mai 1982 – BVerwG 2 A 1.79 – Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 1 und vom 12. April 2001 – BVerwG 2 C 16.00 – BVerwGE 114, 149 ≪153≫; Beschluss vom 9. März 2000 – BVerwG 1 WB 86.99 – Buchholz 236.11 § 33 SLV Nr. 1). § 33 SLV a.F. kann deshalb nicht entnommen werden, dass der zum Aufstieg in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zugelassene Unteroffizier zur Erreichung der höheren Laufbahn keinen weiteren Bildungsanforderungen genügen muss.
Aufgrund der Zulassung zum Aufstiegsverfahren erlangen die Unteroffiziere den Status eines Offiziersanwärters und unterfallen damit auch nicht mehr den für Unteroffiziere geltenden Vorschriften über die laufbahnrechtlichen Vorbildungsvoraussetzungen. Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 SLV a.F. gilt für sie § 19 SLV a.F. entsprechend. Nach dieser Vorschrift dauert die Ausbildung der Offiziersanwärter drei Jahre. Wesentlicher Bestandteil dieser dreijährigen Ausbildung des Berufsoffiziers ist nach Anlage 10/1 Nr. 1 zu ZDv 20/7 das Studium an einer Universität der Bundeswehr. Da die Aufnahme eines Studiums nur möglich ist, wenn der Bewerber über die – von den Behörden der Bundesländer zu verleihende – Hochschul- bzw. Fachhochschulreife verfügt, hat die Beklagte den Erwerb dieses Bildungsabschlusses den aus der Unteroffizierslaufbahn kommenden Offiziersanwärtern auferlegt und in die Gesamtausbildung einbezogen. Das ist dadurch geschehen, dass diesen Offiziersanwärtern die Teilnahme an einem zu diesem Abschluss führenden Bildungslehrgang zur Pflicht gemacht worden ist. Die Dauer des – maximal 18 Monate währenden – Lehrgangs richtete sich nach dem Stand der Bildung, die der Offiziersanwärter bei Beginn des Lehrgangs nachweisen konnte. Offiziersanwärter, die die Hochschul- oder Fachhochschulreife oder einen im Einzelnen genannten vergleichbaren sonstigen Bildungsabschluss besaßen, waren von der Teilnahme am Bildungslehrgang befreit (Nr. 516, 518 ZDv 20/7).
Aus § 27 Abs. 5 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz – SG vom 19. März 1956 (BGBl I S. 114) in der während des Laufbahnaufstiegs des Klägers geltenden Fassungen vom 22. Mai 1980 (BGBl I S. 581), 7. Juli 1980 (BGBl I S. 851) und 24. Februar 1983 (BGBl I S. 179) – SG a.F. – ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach § 27 Abs. 5 Satz 1 SG a.F. war der Aufstieg aus einer Laufbahn der Unteroffiziere in die Laufbahn der Offiziere auch ohne die Erfüllung der Eignungsvoraussetzungen möglich. Die Vorschrift besagte nur, dass Unteroffiziere, die nicht über die Vorbildungsvoraussetzungen nach § 27 Abs. 2 Nr. 2a SG a.F. verfügen, den Aufstieg erreichen konnten, also nicht bei fehlenden Vorbildungsvoraussetzungen von vornherein vom Aufstieg ausgeschlossen waren. Welche weiteren Leistungen einschließlich des Erwerbs weiterer Bildungsabschlüsse ein in die Offizierslaufbahn aufsteigender Unteroffizier erbringen musste, ließ die Vorschrift offen. Sie stand deshalb Regelungen nicht entgegen, die dem Aufstiegsbewerber den Erwerb weiterer Bildungsabschlüsse im Verlaufe des Aufstiegsverfahrens auferlegten.
Diese Auslegung des § 27 Abs. 5 SG a.F. deckt sich mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die dahingehen, geeigneten Unteroffizieren, die wegen fehlender Vorbildungsvoraussetzungen nicht als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr eingestellt werden konnten, nachträglich den Zugang zu dieser Laufbahn zu öffnen. Dafür war erforderlich, sie ungeachtet der fehlenden Vorbildungsvoraussetzungen in das Aufstiegsverfahren einzubeziehen.
Das Regelungsgefüge aus § 27 SG a.F., §§ 33, 19 SLV a.F., Nr. 516 und 518 ZDv 20/7 sowie Anlage 10/1 zur ZDv 20/7 macht deutlich, dass Voraussetzung für die Erreichung der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes durch Unteroffiziere im Aufstiegsverfahren der Erwerb der Hochschul- bzw. Fachhochschulreife in diesem Verfahren war. Deshalb sind sonstige, sich in Berufs- und Bildungsabschlüssen ausdrückende Qualifikationen, die zusammen mit den im Aufstiegsverfahren erworbenen Bildungsabschlüssen die erforderliche Hochschul- bzw. Fachhochschulreife begründen, Teil der anderen Ausbildung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 SVG a.F., welche die erforderliche allgemeine Schulbildung ersetzt.
Dem Kläger ist in der Bescheinigung der Obersten Bayerischen Schulaufsichtsbehörde die Fachhochschulreife zuerkannt worden aufgrund der erfolgreichen Abschlussprüfung im Fachhochschulreifelehrgang “Technik” an der Bundeswehrfachschule, des Abschlusszeugnisses der Realschule und der abgeschlossenen Ausbildung als Kfz-Mechaniker. Damit hat die Mechanikerlehre als andere Ausbildung die dem Kläger fehlende Schulbildung, die unmittelbar zur Fachhochschulreife geführt hätte, ersetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen