Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatsangehörigkeit, Verlust der – durch Legitimation. Verlust der Staatsangehörigkeit durch Legitimation. Legitimation, Verlust der Staatsangehörigkeit durch –. Gleichberechtigung von Frauen und Männern
Leitsatz (amtlich)
§ 17 Nr. 5 RuStAG 1913 widersprach Art. 3 Abs. 2 GG und blieb – ungeachtet seiner förmlichen Aufhebung durch (einfaches) Gesetz erst zum 1. Januar 1975 – nach Art. 117 Abs. 1 GG nicht über den 31. März 1953 hinaus in Kraft.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 2, Art. 117 Abs. 1, Art. 123 Abs. 1; RuStAG F. 1955 § 4 Abs. 1, § 17 Nr. 5
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 17.08.2004; Aktenzeichen 12 UE 339/04) |
VG Darmstadt (Urteil vom 27.08.2003; Aktenzeichen 5 E 247/02) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. August 2004 wird aufgehoben. Ferner werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 27. August 2003 und der Bescheid des Landrates des Kreises Bergstraße vom 19. Juni 2001 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 8. Januar 2002 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises. Dafür ist streitentscheidend, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit, die sie durch Geburt nach ihrer Mutter erworben hatte, durch die Heirat ihrer Eltern im Juli 1955 und die dadurch erlangte Stellung eines eheliches Kindes verloren hat.
Die Klägerin ist am 29. Oktober 1952 als nichteheliches Kind einer deutschen Staatsangehörigen und eines US-amerikanischen Staatsangehörigen in B… in Deutschland geboren. Ihre Eltern heirateten am 2. Juli 1955. Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts G… vom 13. August 1955 wurde festgestellt, dass die Klägerin durch die Heirat ihrer Eltern die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt hat; dies wurde durch Randvermerk vom 20. August 1955 im Geburtenbuch des Standesamtes B… eingetragen. Die Klägerin besitzt die US-amerikanische Staatsangehörigkeit; seit ihrem vierten Lebensjahr ist sie auch im Besitz eines US-amerikanischen Passes. Von 1957 bis 1979 lebte sie in den Vereinigten Staaten von Amerika und heiratete 1975 einen amerikanischen Staatsangehörigen. Seit 1979 lebt sie wieder in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Antrag auf Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises wurde mit Bescheid vom 19. Juni 2001 mit der Begründung abgelehnt, sie habe die deutsche Staatsangehörigkeit durch die mit der Eheschließung ihrer Eltern bewirkte Legitimation verloren.
Die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2002) erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. August 2003 abgewiesen. Ihre Berufung hiergegen hat der Verwaltungsgerichtshof mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen:
Die Klägerin sei keine deutsche Staatsangehörige. Die zunächst mit ihrer Geburt als nichteheliche Tochter einer deutschen Staatsangehörigen erworbene deutsche Staatsangehörigkeit habe sie gemäß § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. aufgrund wirksamer Legitimation durch ihren US-amerikanischen Vater mit der Eheschließung ihrer Eltern am 2. Juli 1955 verloren. Da § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. bis zur formellen Aufhebung zum 1. Januar 1975 durch Art. 1 Nr. 3 RuStAÄndG 1974 von der Verwaltungspraxis und den Gerichten – wenn auch möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Art. 117 Abs. 1 GG – angewandt worden sei und weitreichende statusrechtliche Wirkungen entfaltet habe, könne die Vorschrift bei der Beurteilung der Staatsangehörigkeit der Klägerin auch nicht außer Betracht bleiben, wenn sie, wie das Bundesverfassungsgericht zu § 4 RuStAG a.F. entschieden habe, ebenfalls seit dem 1. April 1953 verfassungswidrig gewesen sei. Mit dem in Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 geschaffenen Erklärungsrecht sei gesetzlich geregelt, dass die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. nicht zur Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der hierauf gestützten Rechtsakte und -folgen führe und dass befristet auf drei Jahre die Möglichkeit bestehe, durch Erklärung die deutsche Staatsangehörigkeit wieder zu erlangen. Von diesem Erklärungsrecht habe die Klägerin in offener Frist nicht Gebrauch gemacht.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, ihr einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen.
Der Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Berufungsurteil, das die Klageabweisung bestätigt hat, beruht auf der Verletzung von Bundesrecht.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis. Sie ist durch Geburt deutsche Staatsangehörige nach ihrer Mutter (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 RuStAG in der zur Zeit ihrer Geburt 1952 unveränderten Fassung von 1913) und hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht dadurch verloren, dass sie, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, durch die Heirat ihrer Eltern im Juli 1955 die Stellung eines ehelichen Kindes erworben hat und die so von ihrem Vater US-amerikanischer Staatsangehörigkeit bewirkte Legitimation nach deutschem Recht wirksam war. Denn § 17 Nr. 5 RuStAG, der in seiner bis zu seiner Aufhebung durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStAÄndG 1974 nicht geänderten Fassung von 1913 bestimmte, dass ein uneheliches Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch eine von einem Ausländer bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation verlor, hatte im Jahr der Legitimation 1955 bereits keine Geltung mehr.
§ 17 Nr. 5 RuStAG 1913 widersprach im Sinne von Art. 123 Abs. 1 GG dem Art. 3 Abs. 2 GG, der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, er stand ihm im Sinne von Art. 117 Abs. 1 GG entgegen und galt folglich nicht über den 31. März 1953 hinaus fort. § 17 Nr. 5 RuStAG ist – ungeachtet seiner förmlichen Aufhebung durch (einfaches) Gesetz (Art. 1 Nr. 3 Buchst. b, Art. 6 RuStAÄndG 1974) erst zum 1. Januar 1975 – nach Art. 117 Abs. 1 GG längstens bis zum 31. März 1953 in Kraft geblieben, hatte also zur Zeit der Legitimation der Klägerin im Jahre 1955 keine Geltungskraft mehr.
Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGBl S. 583) in seiner am 24. Mai 1949 bestehenden und bis zum 31. März 1953 nicht geänderten Fassung knüpfte für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt an die Abstammung an, wobei es bei ehelichen Kindern allein auf die Abstammung von einem deutschen Vater abstellte, die Abstammung von einer deutschen Mutter hingegen nicht ausreichen ließ (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 RuStAG 1913). Diese Regelung war mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht vereinbar. Zur Begründung wird auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1971 – BVerwG 1 C 75.67 – (Buchholz 130 § 4 RuStAG Nr. 3 = DÖV 1972, 94 = DVBl 1971, 861 = FamRZ 1971, 577 = StAZ 1972, 172) sowie auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1974 – 1 BvL 22/71 und 21/72 – (BVerfGE 37, 217) verwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Vorlagebeschluss ausgeführt, § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG i.d.F. des Gesetzes vom 19. Dezember 1963 (BGBl I S. 982) sei insoweit mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht vereinbar, als das eheliche Kind eines deutschen Mannes, nicht aber auch das eheliche Kind einer deutschen Frau durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt; zur Vorlage sei es verpflichtet, weil der nachkonstitutionelle Gesetzgeber die unverändert gebliebene Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG mit der Anfügung des Satzes 2 durch Gesetz vom 19. Dezember 1963 in seinen Willen aufgenommen habe. Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O. S. 239) hat entschieden, die Regelung der Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder mit nur einem deutschen Elternteil in § 4 Abs. 1 RuStAG sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil sie Kindern deutscher Mütter den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in gleichem Maße ermögliche wie Kindern deutscher Väter.
§ 4 Abs. 1 RuStAG 1913 muss im sachlichen Zusammenhang mit § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 gesehen werden. Denn beide Vorschriften bestimmen die Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder maßgeblich nach der des Vaters, nicht – den Sonderfall der Staatenlosigkeit des Vaters ausgenommen (dazu Urteil vom 21. Dezember 1962 – BVerwG 1 C 115.61 – BVerwGE 15, 226 und § 4 Abs. 1 Satz 2 RuStAG F. 1963) – der der Mutter. Damit verstößt – wie es das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. Mai 1974 (a.a.O.) zu § 4 Abs. 1 RuStAG entschieden hat – auch § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 gegen Art. 3 Abs. 2 GG (OVG Koblenz, Beschluss vom 23. April 1993 – 7 B 12396/92.OVG – InfAuslR 1993, 276; VG Stuttgart, Urteil vom 5. März 1997 – 7 K 4077/95 – StAZ 1997, 346; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand 1985, § 17 RuStAG Rn. 10 und Art. 3 RuStAÄndG 1974 Rn. 15 – 21; Marx, Staatsangehörigkeitsrecht, 1997, § 17 RuStAG Rn. 21; Marx, in: GK-StAR GW 2000, § 17 StAG Rn. 51; a.A. VG Augsburg, Urteil vom 9. Oktober 2001 – Au 1 K 99.1087 – juris). Diese Bewertung stützt, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 – (juris) entschieden hat, es sei mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar, die erleichterte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein im Bundesgebiet geborenes Kind allein an den Aufenthaltstitel der Mutter, nicht hingegen auch des Vaters zu knüpfen.
Anders als das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21. Dezember 1962 (a.a.O.) hielt es das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. Mai 1974 (a.a.O.) für nicht zulässig, eine als verfassungswidrig erkannte Norm selbst zu einer verfassungsgemäßen zu ergänzen. Das Bundesverfassungsgericht hatte daher über die Frage zu entscheiden, ob der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit von ehelichen Kindern nach § 4 Abs. 1 RuStAG allein nach dem Vater verfassungsgemäß ist. Die Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Regelung mit der Verfassung führte aber, wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, zum einen nicht dazu, dass das eheliche Kind ohne Geltung des § 4 Abs. 1 RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit nach der Mutter erworben hätte, noch notwendig zu einer Normergänzung des als verfassungswidrig erkannten § 4 Abs. 1 RuStAG dahin, dass das eheliche Kind mit der Geburt (auch) die Staatsangehörigkeit nach der Mutter erwerbe. Deshalb war die Unvereinbarkeit der bestehenden Regelung festzustellen und dem Gesetzgeber die Ausgestaltung einer neuen verfassungsgemäßen Regelung des Staatsangehörigkeitserwerbs zu überlassen.
Anders liegt es bei § 17 Nr. 5 RuStAG. Denn während ein eheliches Kind weder bei Gültigkeit noch bei Ungültigkeit des § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 die deutsche Staatsangehörigkeit nach seiner Mutter hat erwerben können, hat ein uneheliches Kind seine nach der deutschen Mutter erworbene deutsche Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 RuStAG durch Legitimation nur dann verlieren können, wenn § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 zur Zeit der Legitimation (noch) wirksam war. § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 ist aber als Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes Recht nach Art. 117 Abs. 1 GG bereits mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft getreten. § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 ist zwar, da er die Abhängigkeit der deutschen Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder allein vom Vater regelt, aus gleichem Grund, nämlich wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 GG, verfassungswidrig, die Auswirkungen der Verfassungswidrigkeit auf zurückliegende Fälle sind aber unterschiedlich. Denn § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 regelte einen Staatsangehörigkeitserwerbsgrund, § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 dagegen einen Staatsangehörigkeitsverlustgrund. So wie ein Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG widersprechender Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 RuStAG nach Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht mehr eintreten konnte (so zu Recht BGH, Beschluss vom 8. Juni 1983 – IVb ZB 637/80 – unter III. 2. b aa, NJW 1984, 562 ≪564≫), so konnte auch ein Art. 3 Abs. 2 GG widersprechender Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 RuStAG nach dem Ablauf des 31. März 1953 (Art. 117 Abs. 1 GG) nicht mehr eintreten (VG Stuttgart, Urteil vom 5. März 1997 – 7 K 4077/95 – StAZ 1997, 346; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand 1985, § 17 RuStAG Rn. 10 und Art. 3 RuStAÄndG 1974 Rn. 15 – 21; a.A. BGH, Beschluss vom 8. Juni 1983 a.a.O. unter III. 2b bb; OVG Berlin, Urteil vom 13. September 1979 – V B 3.78 – juris; OVG Hamburg, Urteil vom 24. Februar 1997 – Bf III 53/95 – juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2003 – 11 K 3824/02 – juris). Auf Anfrage hat der Bundesgerichtshof mit Stellungnahme vom 13. September 2006 erklärt, er halte an seiner im Beschluss vom 8. Juni 1983 vertretenen Rechtsauffassung, dass ein uneheliches Kind seine deutsche Staatsangehörigkeit nach seiner Mutter durch eine nach dem 31. März 1953, aber vor dem 1. Januar 1975 von einem Ausländer bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation verloren habe, nicht fest.
Das Bundesverwaltungsgericht ist ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht befugt, im Streitfall inzident zu entscheiden, dass § 17 Nr. 5 RuStAG zur Zeit der Legitimation der Klägerin verfassungswidrig und wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 GG bereits (seit dem 31. März 1953) außer Kraft getreten war. Denn § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 war zur Zeit der Legitimation im Jahre 1955 kein nachkonstitutionelles Recht. Art. 117 Abs. 1 GG hat nur angeordnet, dass das dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehende Recht längstens bis zum 31. März 1953 in Kraft bleibt. Er hat damit aber nicht das dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehende Recht für die Zeit bis zum Außerkrafttreten spätestens zum 31. März 1953 für als der Verfassung entsprechend erklären wollen; vielmehr sollte dem Gesetzgeber nur eine Frist eingeräumt werden, das dem Art. 3 Abs. 2 GG widersprechende Recht durch verfassungsgemäßes Recht zu ersetzen. Mit Ablauf der Frist am 31. März 1953 ist das dem Art. 3 Abs. 2 GG widersprechende Recht außer Kraft getreten (BGH, Urteil vom 14. Juli 1953 – V ZR 97/52 – BGHZ 10, 266). Nach dem 31. März 1953 konnte demnach eine Legitimation keinen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 StAG 1913 bewirken.
§ 17 Nr. 5 RuStAG ist auch später nicht rückwirkend nachkonstitutionelles Recht geworden.
Durch die bloße Aufnahme in die Sammlung des Bundesrechts (Bundesgesetzblatt Teil III, unter 102-1) ist die Bestimmung keine nachkonstitutionelle geworden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1982 – 2 BvL 13/79 – BVerfGE 60, 135 ≪149 f.≫). Auch hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 1 RuStAG durch Anfügen des Satzes 2 durch Gesetz vom 19. Dezember 1963 (RuStAÄndG 1963) zwar geändert und damit, allerdings nicht rückwirkend, zu nachkonstitutionellem Recht gemacht. Trotz des engen Zusammenhangs zwischen der Regelung der deutschen Staatsangehörigkeit für eheliche Kinder in § 4 Abs. 1 und § 17 Nr. 5 RuStAG hat der Gesetzgeber mit dem Änderungsgesetz 1963 § 17 Nr. 5 RuStAG aber nicht geändert und folglich auch nicht (offener noch BGH, Beschluss vom 8. Juni 1983 a.a.O. – unter III. 2b aa) als nachkonstitutionelles Recht in seinen Willen aufgenommen. Denn der Gesetzgeber hat in dem bezeichneten Änderungsgesetz 1963 zu § 17 Nr. 5 RuStAG nichts bestimmt; er hat ihn weder unverändert (und damit verfassungswidrig) bestätigt noch hin zu einer verfassungsgemäßen Vorschrift geändert.
Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStAÄndG 1974 hat der Gesetzgeber zwar die Nummer 5 des § 17 RuStAG “aufgehoben” und das Inkrafttreten des gesamten Änderungsgesetzes in Art. 6 RuStAÄndG 1974 auf den 1. Januar 1975 bestimmt. Dieses Gesetz geht aber, soweit es die Nummer 5 des § 17 RuStAG “aufhebt”, ins Leere. Denn § 17 Nr. 5 RuStAG war als Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes Recht bereits mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft getreten (Art. 117 Abs. 1 GG). Die Anordnung der (förmlichen) Aufhebung der Nummer 5 des § 17 RuStAG mit Wirkung zum 1. Januar 1975 kann auch nicht dahin verstanden werden, damit habe der Gesetzgeber die Regelung des § 17 Nr. 5 RuStAG nachkonstitutionell rückwirkend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 in Kraft setzen wollen. Denn damit würde man dem nachkonstitutionellen Gesetzgeber unzulässig unterstellen, er verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStAÄndG 1974 ist verfassungskonform dahin zu verstehen, dass er mit der Aufhebung des § 17 Nr. 5 RuStAG diesen nicht erst konstitutiv für die Vergangenheit in Kraft gesetzt hat, sondern dass er den bereits seit langem außer Kraft getretenen § 17 Nr. 5 RuStAG (nur noch) förmlich aufhebt. Damit entfaltet die Aufhebung zwar keine materiellrechtliche Wirkung, verstößt aber auch nicht gegen die Verfassung.
Entsprechendes gilt für die in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStAÄndG 1974 getroffene Regelung. Darin hat der Gesetzgeber zwar bestimmt, dass auch dem nichtehelich geborenen Kind, das durch Legitimation seine durch Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, das Recht zusteht, die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Erklärung, deutscher Staatsangehöriger werden zu wollen, zu erwerben. Auch dieser Regelung kann indessen nicht entnommen werden, damit habe der Gesetzgeber die Regelung des § 17 Nr. 5 RuStAG nachkonstitutionell rückwirkend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 in Kraft setzen wollen (an seiner Auffassung im Beschluss vom 8. Juni 1983 a.a.O. unter III. 2. b aa, der nachkonstitutionelle Gesetzgeber habe die Anwendbarkeit des § 17 Nr. 5 RuStAG für die zurückliegende Zeit in der Übergangsregelung des Art. 3 RuStAÄndG 1974 bestätigt, hält der Bundesgerichtshof nicht fest). In Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStAÄndG 1974 bestimmt der Gesetzgeber nämlich nicht einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine von einem Ausländer bewirkte Legitimation, sondern ein Erklärungsrecht zur deutschen Staatsangehörigkeit für den Fall eines Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine von einem Ausländer bewirkte Legitimation. Der Gesetzgeber geht demnach von einem solchen Verlust aus (ordnet ihn aber nicht an). Diese Annahme erweist sich allerdings für die Zeit ab dem 1. April 1953 als unzutreffend, weil § 17 Nr. 5 RuStAG als dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes Recht mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft getreten ist und nach diesem Zeitpunkt keinen Verlust der Staatsangehörigkeit mehr bewirken konnte. Eine unzutreffende Annahme des Gesetzgebers als Ausgangspunkt für eine gesetzliche Bestimmung führt aber nicht notwendig zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. Vielmehr läuft das Erklärungsrecht nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStAÄndG 1974 für Legitimationen nach dem 31. März 1953 lediglich leer. Damit verstößt diese Regelung aber nicht gegen die Verfassung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
InfAuslR 2007, 247 |
StAZ 2007, 299 |
DVBl. 2007, 326 |