Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßige und endgültige Herstellung. Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde. Minderausbau. Abweichung vom Ausbauplan. Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht. einseitig anbaubare Straße. anderweitige Deckung. satzungsmäßiger Artzuschlag. Vergünstigung für mehrfach erschlossene Grundstücke

 

Leitsatz (amtlich)

Weicht der tatsäche Ausbau einer Anbaustraße, die von keinem Bebauungsplan erfaßt wird, von dem der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde zugrundeliegenden Ausbauplan ab, so richtet sich die Rechtmäßigkeit der Herstellung nach den Kriterien des § 125 Abs. 3 BauGB.

Zur Wirksamkeit einer satzungsmäßigen Artzuschlagsregelung und einer satzungsmäßigen Vergünstigungsregelung für mehrfach erschlossene Grundstücke (wie Urteile vom 26. Januar 1979 – BVerwG 4 C 61-68 und 80-84.75 – BVerwGE 57, 240 ≪244, 251≫ und vom 8. Oktober 1976 – BVerwG IV C 56.74 – BVerwGE 51, 158 ≪159 f.≫).

 

Normenkette

BauGB § 125 Abs. 2, § 127 Abs. 2 Nr. 1, § 129 Abs. 1 S. 1, § 131 Abs. 1, 3, § 133 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 16.11.1995; Aktenzeichen 2 S 2522/93)

VG Karlsruhe (Entscheidung vom 29.06.1993; Aktenzeichen 11 K 418/93)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. November 1995 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellungskosten einer ca. 145 m langen Teilstrecke der D… Straße von der Einmündung des F…wegs bis zum nördlichen Ausbauende; an dieser Teilstrecke liegen drei bebaute Grundstücke. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks …, das mit seiner Ostseite an diese Straße angrenzt und im Bebauungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen ist. Für das südliche Nachbareckgrundstück zur R…straße (Flurstück Nr. …) – das wie auch das Grundstück des Klägers gewerblich genutzt wird -setzt der Bebauungsplan ein “Mischgebiet” fest. Das abgerechnete Teilstück der D… Straße sowie die westlich daran angrenzenden unbebauten Grundstücke … und … werden von dem Bebauungsplan nicht erfaßt.

In den Jahren 1985 und 1986 baute die Beklagte die gesamte, 470 m lange D… Straße von der Einmündung der T…straße im Süden bis zur nördlichen Grenze des Bebauungsplangebiets (Flurstück Nr. …) auf der Grundlage eines Ausbauplans vom 9. September 1983 aus. Dieser Ausbauplan lag der Zustimmung des Landratsamts vom 26. September 1983 zugrunde. Für den Straßenausbau war der Beklagten durch Bescheid vom 14. März 1984 gemäß § 27 Abs. 1 FAG ein einmaliger Zuschuß in Höhe von 356 400 DM bewilligt worden. Die letzte Unternehmerrechnung für den Ausbau der D… Straße ging am 6. Februar 1986 bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 14. Juni 1988 zog die Beklagte den Kläger bei einem Beitragssatz von 15,22 DM/m(2) zu einem Erschließungsbeitrag von 64 318,66 DM heran. Dabei stellte sie nicht auf die gesamte ausgebaute D… Straße, sondern – da sie den südlichen “ortsinneren” Teil als vorhandene beitragsfreie Straße ansah – lediglich auf die letzte nördliche Teilstrecke zwischen der Einmündung des Feldwegs Nr. 20 und dem Ausbauende ab.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 29. Juni 1993 abgewiesen. Durch Urteil vom 16. November 1995 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid sei dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die abgerechnete Teilstrecke sei allerdings nicht die beitragsfähige Erschließungsanlage, weil die D… Straße entgegen der Annahme der Beklagten bis zur Einmündung des F…wegs keine “vorhandene Straße” im Sinne von § 242 Abs. 2 BauGB sei. Ob möglicherweise das Teilstück von der T…straße bis zum Baukilometer 0+287,5 als beitragsfreie “vorhandene Straße” anzusehen sei, bedürfe keiner Entscheidung, weil Vergleichsberechnungen der Beklagten für beide denkbaren Varianten jeweils höhere Beitragssätze als bei der angefochtenen Veranlagung nur des letzten Teilstücks ergeben hätten. Der von dem Kläger geforderte Beitrag sei deshalb keinesfalls zu hoch. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 15. Oktober 1984 (EBS 84) – insbesonder deren Artzuschlagsregelung – sei wirksam. Die Frage, ob von dem dort vorgesehenen grundstücksbezogenen Gewerbezuschlag nur überwiegend gewerblich genutzte Grundstücke des nichtbeplanten Innenbereichs oder auch solche in qualifiziert beplanten Misch- und Wohngebieten betroffen würden, könne hier offenbleiben, da auch die Behandlung des Eckgrundstücks … als Gewerbegrundstück für den Kläger – wie eine Vergleichsberechnung für beide in Betracht kommenden Ermittlungsräume zeige – keinen niedrigeren Beitrag zur Folge hätte. Die beiden Außenbereichsgrundstücke Nr. … und … seien nicht gemäß § 131 Abs. 1 BauGB erschlossen und seien deshalb bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands zu Recht unberücksichtigt geblieben. Die sachlichen Beitragspflichten seien ebenfalls entstanden. Denn die Erschließungsanlage sei endgültig und rechtmäßig hergestellt worden. Zwar entspreche die hergestellte Straße nicht vollständig dem Ausbauplan vom 9. September 1983, der der Zustimmung des Landratsamts gemäß § 125 Abs. 2 BBauG vom 26. September 1983 zugrunde gelegen habe; denn der auf der westlichen Seite der Straße in Höhe der Außenbereichsgrundstücke Nr. … und … in einer Breite von 1,50 m vorgesehene Randstreifen sowie eine Abgrenzung zur Fahrbahn seien nicht gebaut worden. Gleichwohl sei die Straße endgültig hergestellt im Sinne von § 133 Abs. 2 BauGB. Denn die Beklagte habe insoweit ihr Ausbauprogramm geändert und auf die Ausführung dieser Teilanlage verzichtet. Eine Änderung des Ausbauprogramms sei – auch in Abweichung von dem der Zustimmung des Landratsamts nach § 125 Abs. 2 BauGB zugrundeliegenden Ausbauplan – zulässig und als “Minderausbau” von § 125 Abs. 3 BauGB analog gedeckt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung materiellen Bundesrechts rügt und unter Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen eine Aufhebung der angegriffenen Bescheide begehrt.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 144 Abs. 2 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen, denn der von dem Kläger mit den angefochtenen Bescheiden geforderte Erschließungsbeitrag ist dem Grunde nach rechtmäßig und jedenfalls nicht zu hoch bemessen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Auf der Grundlage baden-württembergischen Orts- und Landesrechts geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, das abgerechnete Endstück der D… Straße sei auf keinen Fall eine beitragsfähige Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, weil die der Veranlagung der Beklagten zugrundeliegende Qualifizierung des südlichen, 345 m langen Teils der D… Straße – nämlich von der T…straße bis zur Einmündung des F…wegs – als “vorhandene Straße” gemäß § 242 Abs. 2 BauGB/§ 180 Abs. 2 BBauG nicht zutreffe. Das Berufungsgericht hat sodann erörtert, aber nicht abschließend entschieden, ob wenigstens die südlichste Teilstrecke der D… Straße – nämlich von der T…straße bis zum Baukilometer 0+287,5 (= Einmündung der R…straße) – als beitragsfreie “vorhandene Straße” anzusehen sei. Diese Annahmen beruhen im Ausgangspunkt auf der Auslegung und Anwendung des bis zum Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes geltenden irrevisiblen Anliegerbeitragsrechts; von ihr ist deshalb bei der revisionsrechtlichen Würdigung auszugehen (vgl. schon Urteil vom 16. September 1977 – BVerwG IV C 99.74 – Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 62 S. 31 ≪33≫). Der Verwaltungsgerichtshof hält somit entweder die gesamte D… Straße oder jedenfalls die D… Straße ab Baukilometer 0+287,5 – d.h. ab der Einmündung der R…straße bis zum nördlichen Ausbauende – für die richtige beitragsfähige Erschließungsanlage. Da Vergleichsberechnungen für diese beiden allein in Betracht kommenden Ermittlungsräume jeweils einen höheren als den dem Heranziehungsbescheid zugrundeliegenden Beitragssatz ergeben hatten, hat das Berufungsgericht eine abschließende Festlegung insoweit für entbehrlich gehalten. Diese im Ansatz – wie dargelegt – irrevisible Betrachtungsweise ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der angefochtene Beitragsbescheid auf der Grundlage beider nach Auffassung des Berufungsgerichts insoweit in Betracht kommenden “Ermittlungsräume” sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtmäßig ist. Das ist der Fall.

2. Die Rechtmäßigkeit eines Erschließungsbeitragsbescheids dem Grunde nach hängt davon ab, ob mit Blick auf die ausgebaute Erschließungsanlage im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids für das veranlagte Grundstück eine (sachliche) Erschließungsbeitragspflicht entstanden und – wofür hier keine Anhaltspunkte vorliegen – nicht wieder durch Verjährung erloschen ist. Das Entstehen einer solchen Erschließungsbeitragspflicht setzt außer der Existenz einer (selbständigen) beitragsfähigen Erschließungsanlage (bzw. eines Abschnitts), dem Erschlossensein des betreffenden Grundstücks durch diese Anlage und dessen Bebaubarkeit oder erschließungsbeitragsrechtlich vergleichbarer Nutzbarkeit unter anderem eine rechtmäßige und endgültige Herstellung der Erschließungsanlage sowie das Vorhandensein einer gültigen Erschließungsbeitragssatzung voraus. Alle diese Voraussetzungen hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Verstoß gegen Bundesrecht bejaht.

a) Zutreffend hält das Berufungsgericht zunächst die Teilstrecke einer Anbaustraße, die sich an eine im Sinne der §§ 242 Abs. 2 BauGB/180 Abs. 2 BBauG vorhandene Erschließungsanlage anschließt – in welcher Länge auch immer – für eine selbständige beitragsfähige Erschließungsanlage (vgl. Urteil vom 5. Oktober 1984 – BVerwG 8 C 41.83 – Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 26, S. 30 ≪33≫).

b) Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen ist auch gegen seine weitere Auffassung nichts einzuwenden, das Grundstück des Klägers werde durch die Anbaustraße im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen und es sei geeigneter Gegenstand einer Erschließungsbeitragspflicht (§ 133 Abs. 1 BauGB).

c) Die als beitragsfähige Erschließungsanlage zu wertende Teilstrecke oder die gesamte D… Straße ist nach Maßgabe des § 125 BauGB/BBauG trotz des “Minderausbaus” im nördlichen Endstück vor den Grundstücken Nr. … und … rechtmäßig hergestellt worden. Denn bei der Nichtausführung des Randstreifens vor den beiden genannten Grundstücken handelt es sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nur um eine geringfügige Abweichung von dem Ausbauplan, der die “Grundzüge” der Ausbauplanung nicht berührt.

§ 125 Abs. 1 BauGB/BBauG macht die Rechtmäßigkeit der Herstellung einer Anbaustraße vom Vorhandensein eines wirksamen Bebauungsplans oder – in Ermangelung eines solchen – von der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde abhängig. Das damit angesprochene erschließungsrechtliche Planerfordernis verlangt in beiden Fällen jedoch keine zentimetergenaue Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans bzw. des der Zustimmung zugrundeliegenden Ausbauplans. Es will nicht auf eine “Bindung” hinaus, sondern auf eine (qualifizierte) Zustimmung zur Anlegung der Straße; insoweit gilt nichts anderes als im Zusammenhang mit einem Planfeststellungsbeschluß für Bundes- oder Landesstraßen (vgl. dazu etwa Urteile vom 29. Mai 1981 – BVerwG 4 C 97.77 – BVerwGE 62, 243 ≪248≫ und vom 10. Februar 1978 – BVerwG 4 C 25.75 – BVerwGE 55, 220 ≪223≫; Weyreuther, DVBl 1981, 369 ≪372≫). Mit ihm wird lediglich eine “Grobabstimmung” angestrebt; der Gesetzgeber hat mit dem erschließungsrechtlichen Planerfordernis sicherstellen wollen, daß insbesondere die Anbaustraßen in Übereinstimmung mit der übrigen städtebaulichen Struktur der Gemeinde angelegt werden (vgl. u.a. Urteil vom 10. November 1989 – BVerwG 8 C 27.88 – Buchholz 406.11 § 125 BBauG/BauGB Nr. 25, S. 7 ≪10≫). Der Bebauungsplan entfaltet daher die ihm von § 125 Abs. 1 BauGB zugedachte (Zustimmungs-) Wirkung ungeachtet der von ihm als Rechtssatz ausgelösten planungsrechtlichen Bindung auch bei geringfügigen Planabweichungen. Unter dem Blickwinkel des erschließungsrechtlichen Planerfordernisses scheitert die Rechtmäßigkeit einer Straßenherstellung weder, wenn im Einzelfall die durch den Plan oder die Zustimmung für diese Herstellung vorgesehene Fläche tatsächlich nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen worden ist, noch wenn nicht alle Teile dieser Fläche so ausgebaut worden sind, wie es seinerzeit geplant war; derartige Abweichungen sind vielmehr ebenso wie geringfügige Planunterschreitungen kraft des bundesrechtlichen Erschließungsrechts noch durch den Bebauungsplan gedeckt (vgl. u.a. Urteil vom 9. März 1990 – BVerwG 8 C 76.88 – BVerwGE 85, 66 ≪71≫). Das gleiche gilt für die hier im nördlichen Teilstück der D… Straße festgestellte geringfügige Abweichung von der den Bebauungsplan “ersetzenden” Zustimmung (vgl. Urteil vom 7. März 1986 – BVerwG 8 C 103.84 – Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 20, S. 23 ≪26≫). Daran ändert nichts, daß die Zustimmung – anders als der Plan – eine individuelle Willenserklärung ist. Denn die der höheren Verwaltungsbehörde vom Bundesrecht gestellte Frage lautet, ob die jeweilige Erschließungsanlage in dem im Ausbauplan ausgewiesenen oder einem geringfügig davon abweichenden Verlauf und Umfang den in § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB bezeichneten Anforderungen entspricht (vgl. Driehaus in Festschrift für Schlichter, S. 407 ff. ≪411 f.≫).

Für die Beantwortung der Frage, welche Abweichung noch als – weil von minderem Gewicht – unschädlich zu werten ist, ist auch in Fällen der Zustimmung auf die Kriterien des § 125 Abs. 3 BauGB abzustellen. Danach kommt es bei derartigen Sachverhalten darauf an, ob die Abweichung von dem der Zustimmung zugrundeliegenden Ausbauplan sich im Rahmen des § 125 Abs. 3 BauGB hält. Das ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall, weil die Grundzüge der Planung durch das Fehlen eines Randstreifens zum Außenbereich hin ersichtlich nicht berührt werden.

d) Die D… Straße ist auch erschließungsbeitragsrechtlich endgültig hergestellt (§ 133 Abs. 2 BauGB). Das ist der Fall, wenn sie die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und dem (dieses bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (vgl. u.a. Urteil vom 10. Oktober 1995 – BVerwG 8 C 13.94 – BVerwGE 99, 308 ≪313 f.≫). Gegen die durch die Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil zum Ausdruck gebrachte Ansicht des Berufungsgerichts, die satzungsmäßige Merkmalsregelung mit ihrem Teileinrichtungs- und ihrem Ausbauprogramm sei rechtlich in Ordnung, sind Bedenken weder von der Revision vorgetragen noch sonst ersichtlich. Entsprechendes gilt für die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die D… Straße – mit Ausnahme des ursprünglich auf einer Breite von 1,50 m vorgesehenen Randstreifens vor den Grundstücken … und … – dem Teileinrichtungs- und dem Ausbauprogramm entsprechend hergestellt und hinsichtlich des genannten Randstreifens ihr in dem Ausbauplan enthaltenes Bauprogramm rechtzeitig unter Verzicht auf dessen Anlegung geändert.

e) Angesichts dessen scheiterte die Annahme, die Herstellung der D… Straße – in welcher Länge auch immer – habe sachliche Erschließungsbeitragspflichten unter anderem zu Lasten des Grundstücks des Klägers ausgelöst, nur dann, wenn die Verteilungsregelung in § 7 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 15. Oktober 1984 – EBS 84 – insgesamt unwirksam sein sollte (vgl. zum Vorhandensein einer wirksamen Verteilungsregelung als Voraussetzung für das Entstehen sachlicher Erschließungsbeitragspflichten u.a. Urteil vom 20. Januar 1978 – BVerwG 4 C 70.75 – Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 27, S. 28 ≪29≫). Das trifft jedoch nicht zu. Das Berufungsgericht hat insoweit einen Prüfungsbedarf nur mit Blick auf die in § 7 Abs. 7 EBS 84 enthaltene Artzuschlagsregelung gesehen (vgl. zum Erfordernis einer Differenzierung nach der Art der Grundstücksnutzung schon u.a. Urteil vom 16. Februar 1973 – BVerwG IV C 52.71 – BVerwGE 42, 17 ≪19 f.≫). Auch das begegnet auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen keinen durchgreifenden Bedenken. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat nämlich die eventuelle Unwirksamkeit der satzungsmäßigen Regelung über die Gewährung einer sog. Eckgrundstücksvergünstigung von Bundesrechts wegen keinen Einfluß auf die Wirksamkeit der satzungsmäßigen Verteilungsregelung im übrigen und damit das Entstehen sachlicher Erschließungsbeitragspflichten. Das Bundesrecht stellt es dem Ortsgesetzgeber frei, für Grundstücke, die durch mehrere beitragsfähige Erschließungsanlagen der gleichen Art erschlossen werden, in der Satzung zu bestimmen, daß ihnen eine Vergünstigung zu gewähren ist (vgl. u.a. Urteil vom 8. Oktober 1976 – BVerwG IV C 56.74 – BVerwGE 51, 158 ≪159 f.≫). Folglich führt weder das Fehlen einer solchen Vergünstigungsregelung noch deren Unwirksamkeit zu einer bundesrechtlich beachtlichen Unvollständigkeit einer satzungsmäßigen Verteilungsregelung und deshalb auch nicht zu ihrer Unwirksamkeit insgesamt.

Die mit Blick auf die Wirksamkeit der Satzung somit allenfalls relevante Artzuschlagsregelung begegnet – wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat – keinen bundesrechtlichen Bedenken. § 7 Abs. 7 EBS 84 hat folgenden Wortlaut:

“Werden in einem Abrechnungsgebiet (§ 5) außer überwiegend gewerblich genutzten Grundstücken oder Grundstücken, die nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans in einem Kern-, Gewerbe- oder Industriegebiet liegen, auch andere Grundstücke erschlossen, so sind für die Grundstücke in Kern-, Gewerbe- oder Industriegebieten sowie für Grundstücke, die überwiegend gewerblich genutzt werden, die in Absatz 1 Nr. 1 bis 5 genannten Nutzungsfaktoren um je 0,5 zu erhöhen.”

Diese Regelung entspricht nahezu wörtlich einer Satzungsbestimmung, die der 4. Senat in seinem grundlegenden Urteil vom 26. Januar 1979 – BVerwG 4 C 61-68 und 80-84.75 – (BVerwGE 57, 240 ≪244 und 251≫) gebilligt hat. Daran wird festgehalten. Der Vortrag der Revision gibt keinen Anlaß zu einer anderen Betrachtungsweise. Der Zuschlag von 0,5 genügt den Anforderungen des Differenzierungsgebots in § 131 Abs. 3 BauGB; denn auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gewährleistet die Höhe des satzungsmäßigen Artzuschlags, daß alle Grundstücke in beplanten Kern-, Gewerbe- oder Industriegebieten einerseits sowie (alle tatsächlich) überwiegend gewerblich genutzten Grundstücke in den übrigen Gebieten andererseits eine Mehrbelastung von mindestens 10 vom Hundert erfahren (vgl. dazu, daß mit einem Zuschlag in dieser Größenordnung die unterste Grenze des ortsgesetzgeberischen Ermessensrahmens erreicht ist, Urteil vom 21. April 1982 – BVerwG 8 C 61.81 – Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 49, S. 55 ≪57≫). Zwar wirkt sich der Zuschlag von 0,5 bei den verschiedenen, nach der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse gestaffelten Nutzungsfaktoren in Prozentzahlen unterschiedlich aus; so erhöht sich der für eine sechs- und mehrgeschossige Bebaubarkeit maßgebende Nutzungsfaktor 2,0 auf 2,5 und damit um 25 vom Hundert, während sich der für eine eingeschossige Bebaubarkeit nach der einschlägigen Satzungsvorschrift ergebende Nutzungsfaktor von 1,0 durch den Zuschlag um 0,5 auf 1,5 und damit um 50 vom Hundert erhöht. Doch wird diese Unterschiedlichkeit – wie das Verwaltungsgericht, auf das sich das Berufungsurteil bezieht, zutreffend darlegt – von dem weiten Bewertungsermessen des Ortsgesetzgebers gedeckt.

Die weitere Frage, ob es mit der Abgabengerechtigkeit vereinbar ist, daß neben Grundstücken in (beplanten) Kern-, Gewerbe- oder Industriegebieten auch die tatsächlich überwiegend gewerblich genutzten Grundstücke in den anderen Gebieten mit einem Artzuschlag belegt werden, ist ebenfalls zu bejahen (vgl. u.a. Urteil vom 26. Januar 1979 – BVerwG 4 C 61-68 und 80-84.75 – a.a.O., S. 251). Ob die Beklagte diese Satzungsbestimmung im vorliegenden Fall richtig angewandt hat, ist nicht eine Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheids dem Grunde, sondern seiner Rechtmäßigkeit der Höhe nach.

3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der angefochtene Beitragsbescheid sei auch der Höhe nach nicht – jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers – zu beanstanden, steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.

a) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urteil vom 14. Februar 1986 – BVerwG 8 C 115.84 – Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 95, S. 62 ≪63 f.≫) hat das Berufungsgericht entschieden, Grundstücke im Außenbereich (§ 35 BauGB) zählten nicht zu den im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücken und müßten deshalb bei der Verteilung des für eine Erschließungsanlage entstandenen umlagefähigen Erschließungsaufwands unberücksichtigt bleiben. Auf der Grundlage seiner Feststellung, die Grundstücke … und … lägen im Außenbereich, nehmen daher diese Grundstücke nicht an der Verteilung des für die erstmalige Herstellung der D… Straße – in welche Länge auch immer – entstandenen umlagefähigen Aufwands teil.

b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die gesamten Herstellungskosten der Straße in den beitragsfähigen Erschließungsaufwand eingestellt. Zwar ist die D… Straße in ihrem nördlichen Teilstück nur einseitig zum Anbau bestimmt, weil – wie dargelegt – die Grundstücke … und … dem Außenbereich angehören. Richtig ist auch, daß “eine Straße, die lediglich einseitig zum Anbau bestimmt ist, von Fall zu Fall nur in ihrer den bebaubaren Grundstücken zugewandten Hälfte den Begriff der beitragsfähigen Erschließungsanlage” im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erfüllen kann, und daß das zur Konsequenz haben kann, “daß dann ausschließlich die auf diese Hälfte entfallenden Kosten als Kosten für ihre erstmalige Herstellung” im Sinne des § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB “anzusehen (und auf die Grundstücke der anbaubaren Straßenseite zu verteilen) sind” (Urteil vom 31. Januar 1992 – BVerwG 8 C 31.90 – BVerwGE 89, 362 ≪365≫). Der damit angesprochene sog. Halbteilungsgrundsatz ist jedoch nicht anwendbar in Konstellationen, in denen die Gemeinde die Anlegung der Straße auf eine für die hinreichende Erschließung der Grundstücke an der zum Anbau bestimmten Seite “unerläßliche” Breite beschränkt hat. Das ist hier der Fall, da die Beklagte in diesem gewerblich genutzten Bereich unter Beachtung des zu erwartenden Begegnungsverkehrs den Straßenausbau mit einer Fahrbahnbreite von 5,50 m und einem 1,50 m breiten Gehweg nur an der anbaubaren Straßenseite auf das unbedingt Notwendige begrenzt hat.

c) Das Berufungsgericht ist unter Bezugnahme auf das verwaltungsgerichtliche Urteil ferner zutreffend davon ausgegangen, daß der für den Straßenausbau gemäß § 27 FAG bewilligte Landeszuschuß nicht (beitragsmindernd) als “anderweitige Deckung” der Kosten im Sinne von § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen ist.

Ob die Zuwendung eines Dritten zu einer derartigen anderweitigen Deckung führt, richtet sich ausschlaggebend nach dem Zweck, für den der Dritte seine Leistung bestimmt hat. Hat der Dritte – wie hier unter Hinweis auf Ziff. 4 der Grundsätze über die Gewährung einmaliger Zuschüsse nach § 27 FAG vom 1. Dezember 1978 (GABl BW 1979, 1 ff.) bindend festgestellt – einen Zuschuß mit der Maßgabe gewährt, dieser solle zur Deckung des von der Gemeinde (nicht nur vorläufig, sondern) endgültig zu tragenden Aufwands, d.h. etwaiger nicht erschließungsbeitragsfähiger Kosten sowie des Gemeindeanteils am beitragsfähigen Erschließungsaufwand, dienen, und unterschreitet der Zuschuß die Höhe der Summe dieser beiden Posten, verbietet sich von vornherein die Annahme, der Zuschuß könne den beitragsfähigen Erschließungsaufwand im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB decken und damit auch den Erschließungsbeitragspflichtigen zugute kommen. Selbst wenn jedoch die Zuwendung bei einer derartigen Zweckbestimmung die Höhe der von der Gemeinde endgültig zu tragenden Kosten überschreitet, folgt daraus nicht oder doch nicht ohne weiteres, daß der überschießende Betrag als anderweitige Deckung zu behandeln ist. Das trifft vielmehr nur dann (ausnahmsweise) zu, wenn der Dritte für diesen Fall – anders als nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts das Regierungspräsidium Karlsruhe hier – von vornherein auf eine Rückzahlung des Überschusses verzichtet und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß die Zuwendung jedenfalls auch zur Entlastung der Erschließungsbeitragspflichtigen dienen solle. Entsprechendes gilt, wenn der Dritte zwar ursprünglich seine Zuwendung ausschließlich zur Deckung der von der Gemeinde endgültig zu tragenden Kosten gewährt hat, er jedoch später unter Verzicht auf eine Rückforderung die Zweckbestimmung vor Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten (§ 133 Abs. 2 BauGB) dahin geändert hat, daß der Überschuß den Erschließungsbeitragspflichtigen zugute kommen solle (vgl. dazu Urteil vom 30. Januar 1987 – BVerwG 8 C 10.86 – BVerwGE 75, 356 ≪358 f.≫). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kann von einer derartigen Änderung der Zweckbestimmung im vorliegenden Fall keine Rede sein.

d) Nicht zu beanstanden ist schließlich, daß der Verwaltungsgerichtshof die zwischen den Beteiligten streitige Frage offengelassen hat, ob die Beklagte die – wie dargelegt wirksame – Artzuschlagsregelung des § 7 Abs. 7 EBS 84 zu Recht nicht auf das gewerblich genutzte, aber in einem Mischgebiet liegende Grundstück 313/2 angewandt hat. Gegen diese Verfahrensweise des Berufungsgerichts ist aus der Sicht des Bundesrechts nichts einzuwenden, weil seine tatsächlichen Feststellungen selbst im für den Kläger günstigsten Fall, nämlich der Veranlagung des Grundstücks 313/2 als Gewerbegrundstück, einen Beitragssatz ergeben, der über dem liegt, auf den der angefochtene Heranziehungsbescheid abhebt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof die gebotenen Vergleichsberechnungen zutreffend für beide von ihm für denkbar gehaltenen Ermittlungsräume (s.o. II.1.) erstellt und – jeweils unter Bewertung des Grundstücks 313/2 als Gewerbegrundstück – für die hypothetische Veranlagung der gesamten D… Straße einen Beitragssatz von 21,92 DM/m(2) und für die D… Straße ab Baukilometer 0+287,5 einen Beitragssatz von 16,17 DM/m(2) errechnet. Beide Werte liegen über dem Beitragssatz, der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt. Danach scheidet auch ohne abschließende Beantwortung des Anwendungsbereichs der Artzuschlagsregelung eine zu hohe Beitragsbemessung im Falle des Klägers aus.

e) Durch seine ausdrückliche Billigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat sich das Berufungsgericht die Ansicht des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht, die Vergünstigungsregelung für mehrfach erschlossene Grundstücke in § 6 Abs. 3 EBS 84 sei wirksam und ihre Anwendung durch die Beklagte im vorliegenden Fall sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das entspricht der Rechtslage.

§ 6 Abs. 3 EBS 84 hat folgenden Wortlaut:

“Bei Grundstücken, die durch mehrere … Erschließungsanlagen erschlossen werden z.B. Eckgrundstücke, Grundstücke zwischen zwei Erschließungsanlagen), ist die Grundstücksfläche jeweils nur in dem Verhältnis anzusetzen, in dem die Grundstücksbreiten (Frontmeterlängen) an den Erschließungsanlagen zueinander stehen.”

Der erkennende Senat hat im Urteil vom 13. Dezember 1985 – BVerwG 8 C 24.85 – (Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 65, S. 89 ff. ≪90≫) eine nahezu wortgleiche Bestimmung für rechtlich unbedenklich gehalten. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Bei der Anwendung einer satzungsmäßigen Vergünstigungsregelung für mehrfach erschlossene Grundstücke gebietet allerdings der Gleichheitssatz dann, wenn etwa die ein Eckgrundstück erschließenden Straßen – z.B. in der Ausbaubreite – deutliche Unterschiede aufweisen und der Erschließungsaufwand beider Straßen deshalb eine ins Gewicht fallende unterschiedliche Höhe hat, daß die Belastung des Eckgrundstücks mit Erschließungsbeiträgen für beide Straßen insgesamt nicht wesentlich niedriger sein darf als die Belastung eines vergleichbaren Mittelgrundstücks an einer dieser Straßen. Auf der Grundlage der im Revisionsverfahren nicht mit einer prozeßordnungsgemäßen Rüge angegriffenen und deshalb den Senat bindenden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind die R…straße und die D… Straße völlig gleichartig ausgebaut, so daß sich unter diesem Blickwinkel keine Schranke für die Anwendung des § 6 Abs. 3 EBS 84 ergibt.

Allerdings darf nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 4. September 1970 – BVerwG IV C 98.69 – Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 4, S. 7 ≪8 f.≫) die Anwendung einer Vergünstigungsregelung nicht dazu führen, daß die Eigentümer von Mittelgrundstücken infolge der Eckermäßigung mehr als das 1 1/2fache des Betrags zahlen müssen, der auf diese Grundstücke bei einer vollen Belastung der mehrfach erschlossenen Grundstücke entfallen würde; bei Überschreiten dieser Grenze muß vielmehr die Gemeinde entsprechende Mehrbeträge selbst tragen. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist jedoch auch diese Grenze im vorliegenden Fall nicht erreicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Kleinvogel, Dr. Honnacker, Sailer, Krauß, Golze

 

Fundstellen

DVBl. 1998, 47

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