Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsfreiheit und Werbeverbote. Eigenwerbung an Taxen. Verbot. Fremdwerbung an Taxen
Leitsatz (amtlich)
- Das Verbot der Eigenwerbung an Taxen (§ 26 Abs. 3 BOKraft) verletzt das Grundrecht der Taxiunternehmer auf freie Berufsausübung und ist unwirksam.
- Die Einschränkungen für Fremdwerbung an Taxen (§ 26 Abs. 4 BOKraft) gilt auch für Eigenwerbung.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; PBefG § 57 Abs. 1 Nr. 2; BOKraft § 26 Abs. 1, 3-4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. März 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Verbots von Eigenwerbung an Taxen.
Die Klägerin betreibt eine Funkvermittlung für Taxenaufträge. Sie nimmt fernmündliche Anfragen nach Taxen entgegen und leitet sie gegen ein festes monatliches Entgelt an Taxiunternehmer weiter, welche die Fahraufträge eigenverantwortlich ausführen.
Im Jahr 1996 führte die Klägerin gemeinsam mit einem Reiseunternehmen eine Werbeaktion für eine im Zeitraum vom 20. April bis 10. Mai 1997 stattfindende Abenteuerreise entlang der amerikanischen Bundesstraße “Route 66” durch. Sie reichte an die ihrer Funkvermittlung angeschlossenen Taxiunternehmen Aufkleber in 30 cm Breite und 8 cm Höhe weiter, die auf schwarzem Grund in großen gelben Lettern den Schriftzug “66 66 66” sowie in kleinerer Schrift über jeder “66” das Wort “Route” und darunter den Text “mit Wohnmobilen”, “mit Motorrädern” sowie “Info: Telefon …” trugen. Die Aufkleber wurden außen an den Taxen befestigt. Bei der Zahlenfolge “66 66 66” handelt es sich um die Telefonnummer der Klägerin für die Entgegennahme von Fahraufträgen.
Mit Bescheid vom 6. Januar 1996 forderte die Beklagte die Klägerin auf, bis zum 10. Februar 1997 in geeigneter Weise dafür zu sorgen, dass die an ihre Funkvermittlung angeschlossenen Taxiunternehmen den Aufkleber von ihren Fahrzeugen entfernten. Bei der Werbung mit der Telefonnummer der Funktaxivermittlung handele es sich um eine nach § 26 Abs. 3 und 4 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrzeugen im Personenverkehr (BOKraft) unzulässige Eigenwerbung.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 1997 zurück und führte zur Begründung aus, zwar betreibe die Klägerin als Taxivermittlung kein nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungspflichtiges Unternehmen und verstoße daher nicht selbst gegen § 26 Abs. 3 und 4 BOKraft; sie sei jedoch als Zweckveranlasserin für die Entfernung der Aufkleber in Anspruch zu nehmen. Bei dem beanstandeten Aufkleber handele es sich um unzulässige Eigenwerbung der an die Klägerin angeschlossenen Taxiunternehmen.
Die Klägerin hat gegen diese Bescheide Anfechtungsklage erhoben und diese später auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es fehle an einer rechtlichen Grundlage, wonach sie den ihr angeschlossenen Taxiunternehmen das Anbringen von Werbung untersagen oder diese zwingen könne, einmal angebrachte Werbung wieder zu entfernen. Die beanstandete Werbung sei im Übrigen keine Eigenwerbung, sondern Fremdwerbung für das Reiseunternehmen. Selbst wenn es sich bei dem Aufkleber um Werbung für ihre Funkvermittlung handeln sollte, läge hierin keine verbotene Eigenwerbung im Sinne von § 26 Abs. 3 BOKraft, weil sie nicht den Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes unterliege. Jedenfalls verletze das Verbot der Eigenwerbung Art. 12 Abs. 1 GG. Im Übrigen sei in anderen Bundesländern, so auch in Schleswig-Holstein, Eigenwerbung auf Taxen erlaubt, ohne dass negative Folgen der Freigabe der Eigenwerbung bekannt geworden seien.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. August 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Ermächtigungsgrundlage für das ordnungsrechtliche Einschreiten der Beklagten seien § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 und 3 des hamburgischen Gesetzes zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Die beanstandete Werbung beeinträchtige die öffentliche Sicherheit. Sie verstoße gegen § 26 Abs. 3 BOKraft, wonach jede nach außen wirkende Eigenwerbung an Taxen unzulässig sei. Die Klägerin sei ordnungspflichtig, weil sie Verhaltensstörerin oder zumindest Beteiligte an einer Ordnungswidrigkeit sei. Der Bescheid sei verhältnismäßig, die Adressatenauswahl fehlerfrei. Schließlich sei die Regelung des § 26 Abs. 3 BOKraft verfassungsgemäß. Zweck der Bestimmung sei es, nach außen die Funktionen der Taxis als öffentliche Verkehrsmittel sowie die Chancengleichheit der Taxiunternehmer zu wahren. Das Verbot diene im Übrigen der Vermeidung eines ruinösen Wettbewerbs und der Gewährleistung einer gleichmäßigen, funktionierenden Grundversorgung der Bevölkerung mit Taxen durch die weitgehend gleiche äußere Gestaltung der Fahrzeuge sowie die Gewährleistung nahezu identischer Rahmenbedingungen der Leistungserbringung im Taxengewerbe.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 5. März 2004 das verwaltungsgerichtliche Urteil aufgehoben und festgestellt, dass die Bescheide der Beklagten rechtswidrig gewesen sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Klage sei auch begründet, denn die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Zwar sei die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Anbringung der Werbeaufkleber auf den der Klägerin angeschlossenen Taxen um eine nach § 26 Abs. 3 BOKraft unzulässige Eigenwerbung handele, an der die Klägerin als eigentliche Veranlasserin der Aktion zurechenbar beteiligt gewesen sei. Die Rechtswidrigkeit der Aufforderung der Beklagten, für eine Entfernung des Aufklebers zu sorgen, folge jedoch daraus, dass § 26 Abs. 3 BOKraft mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sei. Das Verbot einer nach außen wirkenden Eigenwerbung an Taxen und Mietwagen greife in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ein. Das generelle Verbot der Eigenwerbung in § 26 Abs. 3 BOKraft sei nicht durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision und trägt zur Begründung vor: Das Verbot der Eigenwerbung in § 26 Abs. 3 BOKraft sei entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. März 1966 (BVerwGE 24, 12) die Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Eigenwerbung auf Außenflächen von Taxen bejaht. Zu Unrecht meine das Oberverwaltungsgericht, diese Rechtsprechung sei durch die Zulassung von Fremdwerbung an seitlichen Fahrzeugtüren mit Verordnung vom 30. Juni 1989 überholt. Nach heutiger Rechtslage sei lediglich die Begründung überholt, dass das Werbeverbot der Erkennbarkeit im Straßenverkehr durch einheitliche äußerliche Kenntlichmachung der Taxen diene. Nach wie vor gültig sei jedoch die Erwägung, dass Reklame auf Taxen das Vertrauen der Bürger in die Gleichwertigkeit der Dienstleistungen von Taxen in Frage stelle und die Gefahr begründe, dass einzelne Unternehmen aus Konkurrenzgründen unter Verstoß gegen Preis- und Sicherheitsvorschriften günstigere Leistungen erbringen. Unverändert tragfähig sei auch die vom Verordnungsgeber in der amtlichen Begründung angeführte Erwägung, dass die Zulassung von Eigenwerbung die Chancengleichheit im Taxengewerbe gefährde. Nur das hinsichtlich der eigenen Leistung neutrale Erscheinungsbild von Taxen gewährleiste jedem Taxiunternehmer eine gleichmäßige Teilhabe am Markt, indem seine Fahrzeuge am Taxenstand von den Kunden genauso benutzt würden wie die Fahrzeuge seiner Konkurrenten. Als nachteilige Folge der Freigabe von Eigenwerbung sei außerdem zu befürchten, dass bezahlte Fremdwerbung und damit eine wichtige Einnahmequelle für Taxiunternehmer wegfalle. Diese Einnahmequelle trage bei der gegenwärtigen wirtschaftlich angespannten Situation zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes bei.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der angefochtene Verwaltungsakt wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG rechtswidrig gewesen ist.
Die angegriffene Verfügung, mit welcher der Klägerin aufgegeben wurde, für die Entfernung der Aufkleber zu sorgen, ist auf das hamburgische Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und damit auf irrevisibles Landesrecht gestützt. Die Auslegung von Landesrecht ist für das Revisionsgericht bindend (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Revisionsgerichtlich zu prüfen ist nur, ob das Oberverwaltungsgericht die sich im Rahmen der ordnungsrechtlichen Generalklausel stellenden bundesrechtlichen Fragen zur Anwendbarkeit und Wirksamkeit des Eigenwerbungsverbots des § 26 Abs. 3 BOKraft zutreffend beurteilt hat. Das ist der Fall.
1. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die auf den Taxen angebrachten Aufkleber mit der Telefonnummer der Vermittlungszentrale der Klägerin eine dem § 26 Abs. 3 BOKraft unterfallende Eigenwerbung für die an die Vermittlungszentrale der Klägerin angeschlossenen Taxiunternehmen darstellt. Nach § 26 Abs. 3 BOKraft ist nach außen wirkende Eigenwerbung an Taxen und Mietwagen unzulässig. Demgegenüber erklärt § 26 Abs. 4 BOKraft die Fremdwerbung an Taxen und Mietwagen mit Ausnahme von politischer und religiöser Werbung auf den seitlichen Fahrzeugtüren für zulässig. Der Begriff der Eigenwerbung ist daher in Abgrenzung zur zulässigen Fremdwerbung zu definieren. Fremdwerbung ist Werbung für ein anderes Unternehmen, das nicht identisch ist mit dem Unternehmen, welches die Personenbeförderung mit Taxen durchführt. Eigenwerbung liegt immer dann vor, wenn die Werbung jedenfalls auch darauf gerichtet ist, zur Benutzung des die Werbung tragenden Taxis anzuregen. Dies kann durch Angabe einer Rufnummer für die Bestellung des Taxis oder durch werbende Angaben für das Taxiunternehmen (z.B. hinsichtlich der Ausstattung des Fahrzeuges oder besondere Qualitäten des Fahrers) erfolgen. Durch Anbringung der Rufnummer der Vermittlungszentrale der Klägerin wird sowohl für das Unternehmen der Klägerin als auch für die Taxiunternehmen geworben, welche die durch die Klägerin vermittelten Fahraufträge ausführen. Sinn dieser Werbung ist es, die Rufnummer der Klägerin für die Bestellung von Taxen bekannt zu machen und so eine Steigerung der Fahraufträge zu bewirken. Hiervon profitieren neben der Vermittlungszentrale auch die jeweiligen dieser angeschlossenen Taxiunternehmen und damit auch das einzelne Taxiunternehmen, das die Werbung auf seinem Fahrzeug trägt.
2. Ebenso zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Verstoß gegen das in § 26 Abs. 3 BOKraft enthaltene Verbot der Eigenwerbung keine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der ordnungsrechtlichen Generalklausel ist, weil das Verbot verfassungswidrig und damit unwirksam ist. Zwar verfügt § 26 Abs. 3 BOKraft in § 57 Abs. 1 Nr. 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) über eine den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Die Bestimmung verletzt jedoch das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.
2.1 Das Eigenwerbungsverbot für Taxen greift in die Berufsfreiheit der Taxiunternehmer ein. Zu der nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. In den Bereich berufsbezogener Tätigkeiten fällt auch die berufliche Außendarstellung des Grundrechtsträgers einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seiner Dienste. Staatliche Maßnahmen, die ihn dabei beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Februar 1992 – 1 BvR 1531/90 – BVerfGE 85, 248 ≪256≫; vom 22. Mai 1996 – 1 BvR 744/88, 60/89, 1519/9/ – BVerfGE 94, 372 ≪389≫; vom 18. Februar 2002 – 1 BvR 1644/01 – NJW 2002, 3091 ≪3092≫).
Eine gesetzliche Beschränkung der freien Berufstätigkeit hält einer Nachprüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur stand, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Oktober 2002 – 1 BvR 525/99 – BVerfGE 106, 181 ≪191 f.≫; vom 8. März 2005 – 1 BvR 2561/03 – NJW 2005, 1483, ≪1484≫; stRspr). Diesen Anforderungen wird das Verbot der Eigenwerbung an Taxen nicht gerecht.
2.2 Als Gemeinwohlbelang, der eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen könnte, kommt die Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass die Existenz und das Funktionieren des Gelegenheitsverkehrs mit Taxen ein schutzwürdiges Gemeinschaftsgut im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG darstellt (BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juni 1960 – 1 BvL 53/55 u.a. – BVerfGE 11, 168 ≪187≫ und vom 14. November 1989 – 1 BvL 14/85, 1 BvR 1276/84 – BVerfGE 81, 70 ≪86≫). Auf Taxen als Träger individueller Verkehrsbedienung kann im modernen Großstadtverkehr “nicht mehr verzichtet werden; sie stellen die notwendige, von keinem anderen Verkehrsträger übernehmbare Ergänzung des öffentlichen Linien- und Straßenbahnverkehrs dar” (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1960, a.a.O. S. 186). Als öffentliche Verkehrsmittel unterliegen sie der Betriebs- und Beförderungspflicht (vgl. §§ 21, 22 PBefG). An der Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs besteht daher ein öffentliches Interesse.
Das generelle Verbot der Eigenwerbung in § 26 Abs. 3 BOKraft ist jedoch nicht geeignet und erforderlich, die Existenz oder das Funktionieren des Taxenverkehrs zu gewährleisten.
2.3 Soweit in der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 1984 – BVerwG 7 C 45.82 – VRS 67, 306 ≪307≫ sowie Beschluss vom 30. Juli 1986 – BVerwG 7 B 73.86 – VRS 71, 479 ≪480≫) angenommen wurde, dass das Eigenwerbungsverbot der Sicherstellung einer einheitlichen äußerlichen Kenntlichmachung der Taxen sowie der Wahrung der Chancengleichheit durch Sicherstellung eines möglichst neutralen Aussehens und damit vernünftigen Gründen des Gemeinwohls diene, kann hieran nicht mehr festgehalten werden. Die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr ist zwischenzeitlich mehrfach in wesentlichen Punkten geändert worden. In der ursprünglichen Fassung der Verordnung aus dem Jahr 1960 war jegliche Form von Werbung auf Außenflächen von Taxen verboten (vgl. § 20 Abs. 4 BOKraft in der Fassung vom 7. Juli 1960, BGBl I S. 553 sowie § 26 Abs. 3 BOKraft in der Fassung vom 21. Juni 1975, BGBl I S. 1573). Mit der Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr vom 19. April 1977 (BGBl I S. 598) wurde durch die Einfügung von § 43 Abs. 1 Satz 2 BOKraft die Möglichkeit eröffnet, Ausnahmen vom Werbeverbot zu bewilligen. Schließlich wurde mit der Zweiten Verordnung zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1989 (BGBl I S. 1273) durch die Einfügung von § 26 Abs. 4 BOKraft die Fremdwerbung an Taxen und Mietwagen auf den seitlichen Außentüren mit Ausnahme von politischer und religiöser Werbung zugelassen; lediglich hinsichtlich der Eigenwerbung wurde das generelle Verbot aufrechterhalten.
Wie auch die Beklagte einräumt, ist das generelle Verbot der Eigenwerbung nach der Zulassung von Fremdwerbung auf den seitlichen Fahrzeugtüren durch die Einfügung von § 26 Abs. 4 Satz 1 BOKraft nicht mehr geeignet, die leichte Erkennbarkeit von Taxen im öffentlichen Straßenraum zu gewährleisten. Für die Erkennbarkeit ist nämlich der Unterschied zwischen Fremd- und Eigenwerbung ohne jede Bedeutung. Die Erkennbarkeit von Taxen im Straßenverkehr wird vielmehr dadurch gewährleistet, dass alle Taxen durch einen hell-elfenbein-farbigen Anstrich und durch ein auf dem Dach quer zur Fahrtrichtung anzubringendes Taxischild kenntlich gemacht sein müssen (vgl. § 26 Abs. 1 BOKraft). Dagegen ist es für die Erkennbarkeit eines Taxis im Straßenverkehr unerheblich, ob die Werbeaufschrift der Werbung für ein anderes oder für das eigene Unternehmen dient.
2.4 Der in der amtlichen Begründung zu § 26 Abs. 3 BOKraft in der Fassung vom 21. Juni 1975 angeführte Grund für das Werbeverbot, die Chancengleichheit der Unternehmen zu wahren (BRDrucks 153/75, S. 18), stellt keine Gemeinwohlerwägung dar, die einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen kann. Die Chancengleichheit der Taxiunternehmen wird dadurch gewahrt, dass alle Unternehmer denselben personenbeförderungsrechtlichen Vorgaben unterliegen. Das von der Beklagten angeführte Interesse, allen Taxiunternehmern eine “gleichmäßige Teilhabe am Markt” zu gewährleisten, berechtigt den Verordnungsgeber nicht zu einer grundrechtsbeschränkenden Regelung. Die Aufgaben von Taxen als öffentliche Verkehrsmittel werden von den Unternehmern im Wege des freien Wettbewerbs erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1988 – BVerwG 7 C 94.86 – BVerwGE 79, 208 ≪212≫). Werbung für das eigene Unternehmen ist immer darauf gerichtet, Kunden zu Lasten der Konkurrenz zu gewinnen. Dieses Verhalten ist im Rahmen der Berufsausübungsfreiheit geschützt. Eine Regelung, die darauf gerichtet ist, andere Marktteilnehmer vor den Auswirkungen erfolgreicher Eigenwerbung zu schützen, dient daher keinem legitimen Gemeinwohlzweck (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 – 1 BvR 744/88 u.a. – BVerfGE 94, 372 ≪399≫: “kein Konkurrenzschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen”). Das Verbot des § 26 Abs. 3 BOKraft wäre dafür im Übrigen ohnehin untauglich, weil es ausschließlich die Eigenwerbung am Fahrzeug erfasst. Sonstige Werbeaktionen des Taxiunternehmers oder seiner Funkzentrale, die sich in gleicher Weise auf die Marktstellung auswirken, sind davon nicht betroffen.
2.5 Der Auffassung der Beklagten, dass die Anbringung von Eigenwerbung auf Taxen das Vertrauen der Bürger in die Gleichwertigkeit der Dienstleistungen von Taxen in Frage stelle und die Gefahr des Verstoßes gegen Preis- und Sicherheitsvorschriften aus Konkurrenzgründen begründe, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Die entsprechenden Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts zum generellen Werbeverbot in § 20 Abs. 4 BOKraft in der Fassung vom 7. Juli 1960 (Urteil vom 25. März 1966 – BVerwG VII C 57.65 – BVerwGE 24, 12 ≪14≫) können für die Beurteilung der heutigen Rechtslage nicht mehr herangezogen werden. Es ist selbstverständlich, dass Taxen auch dann, wenn sie Eigenwerbung betreiben, an die auf der Grundlage des Personenbeförderungsgesetzes ergangenen Sicherheits- und Tarifvorschriften gebunden sind. Kein potenzieller Taxikunde würde hieran zweifeln, wenn ein Taxiunternehmer Eigenwerbung betreibt, etwa indem er mit seiner Rufnummer oder der Rufnummer seiner Vermittlungszentrale wirbt. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Möglichkeit von Eigenwerbung an der Taxe zu einer Zunahme von Verstößen gegen tarif- oder sicherheitsrechtliche Bestimmungen führen würde. Sollte ein Taxiunternehmer mit einer Dienstleistung werben, die gegen beförderungsrechtliche Bestimmungen verstößt, hat die zuständige Behörde hiergegen im Einzelfall vorzugehen. Konkurrierende Taxiunternehmer könnten unter den im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geregelten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterlassung dieser Werbung geltend machen.
2.6 Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die Freigabe der Eigenwerbung an der Taxe ein ruinöser Wettbewerb entstünde, der die Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs in Frage stellen würde. Ernsthafte Gründe, die eine solche Befürchtung rechtfertigen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Dazu ist insbesondere festzuhalten, dass eine Gefährdung von Bestand und Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes nicht schon dann anzunehmen ist, wenn einzelne Unternehmen im Wettbewerb nicht mithalten können. Der Hinweis der Beklagten, die Zulassung von Eigenwerbung an Taxen werde Einzelunternehmer, die keiner Funkzentrale angeschlossen sind, in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, rechtfertigt daher nicht, zu ihren Gunsten Schutzbarrieren aufzurichten.
Auch das Argument, viele Taxiunternehmen seien auf die Einnahmen aus der Fremdwerbung angewiesen, verkennt, dass es sich um Unternehmen handelt, die auf einem Markt in Konkurrenz zueinander tätig sind. Es ist daher die eigenverantwortliche Entscheidung jedes Unternehmers, ob ihm die Fremdwerbung durch die Werbeeinnahmen oder die Eigenwerbung durch erhöhtes Fahrgastaufkommen höheren Gewinn verspricht.
2.7 Das Eigenwerbungsverbot ist schließlich nicht zur Verhinderung von Störungen eines funktionsfähigen Taxenverkehrs erforderlich. Werbung für das eigene Taxiunternehmen beinhaltet kein vergleichbares Konfliktpotential wie etwa Werbung politischen und religiösen Inhalts, die nach § 26 Abs. 4 Satz 2 BOKraft verboten ist. Diesem Verbot liegt die – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende – Einschätzung des Verordnungsgebers zu Grunde, dass politische und religiöse Werbung ein höheres Konfliktpotential in sich birgt als allgemeine Produktwerbung, weil es ihretwegen eher zu Konflikten kommen kann, die über eine geistige Auseinandersetzung hinausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 1999 – 1 BvR 2310/98 – NJW 2000, 1326; BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 1998 – BVerwG 3 B 98.98 – Buchholz 442.015 § 26 BOKraft Nr. 1). Es ist nicht ersichtlich, dass ähnliche Gefahren von Werbung für das eigene Taxiunternehmen hervorgerufen werden könnten. Insbesondere ist nicht zu befürchten, dass die Anbringung von Eigenwerbung auf den Fahrzeugen zu nennenswerten Störungen am Taxenstand führen würde. Zwar ist es denkbar, dass ein Kunde am Taxenstand deshalb nicht das erste abfahrbereite Fahrzeug wählt, weil er wegen des Werbeinhalts ein bestimmtes Taxi benutzen will. Nach den von den jeweiligen Bundesländern erlassenen Taxenordnungen hat der Fahrgast jedoch ohnehin das Recht, von den auf einem Taxenstand bereitgehaltenen Taxen eine beliebige in Anspruch zu nehmen (vgl. § 6 Abs. 6 der Hamburger Taxenordnung vom 7. Dezember 1984, GVBl I S. 249). Von diesem Wahlrecht machen Kunden auch dann Gebrauch, wenn keine Eigenwerbung im Sinne von § 26 Abs. 3 BOKraft betrieben wird, etwa weil sie ein großes Fahrzeug oder eine bestimmte Automarke bevorzugen. Eine zusätzliche Beeinträchtigung des Funktionierens des Taxenverkehrs am Taxenstand ist bei Aufhebung des Eigenwerbungsverbots daher nicht zu erwarten.
3. Die Unwirksamkeit des Verbots der Eigenwerbung an Taxen führt nicht dazu, dass solche Werbung über die nach § 26 Abs. 4 BOKraft für Fremdwerbung geltenden Grenzen hinaus zulässig wäre. Zwar wird die Eigenwerbung dem Wortlaut nach von dieser Vorschrift nicht erfasst. Sie muss jedoch darauf analog angewendet werden, weil infolge der Verfassungswidrigkeit des § 26 Abs. 3 BOKraft eine vom Normgeber nicht erkannte Regelungslücke besteht. Es ist geboten, sie durch die Übernahme der für Fremdwerbung geltenden Schranken zu schließen, weil deren Beachtung sicherstellt, dass wesentliche Teile des Fahrzeugs den in § 26 Abs. 1 BOKraft vorgeschriebenen elfenbeinfarbenen Anstrich behalten und damit die Erkennbarkeit als Taxi gewährleistet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rennert ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung verhindert.
Prof. Dr. Driehaus
Fundstellen
Haufe-Index 1436792 |
BVerwGE 2006, 26 |
NPA 2006 |