Entscheidungsstichwort (Thema)
Datenschutzrechtlicher Anspruch auf eine unentgeltliche Kopie der schriftlichen Prüfungsleistungen und der zugehörigen Prüfergutachten in einer berufsbezogenen Prüfung.
Leitsatz (amtlich)
1. Die in einer berufsbezogenen Prüfung unter einer Kennziffer angefertigten schriftlichen Prüfungsleistungen und die zugehörigen Prüfergutachten stellen jeweils ihrem gesamten Inhalt nach personenbezogene Daten des Prüflings dar (wie EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:EU:C:2017:994], Nowak -).
2. Der Prüfling kann von der Prüfungsbehörde nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO die Überlassung einer unentgeltlichen Kopie dieser Unterlagen verlangen.
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 08.06.2021; Aktenzeichen 16 A 1582/20) |
VG Gelsenkirchen (Urteil vom 27.04.2020; Aktenzeichen 20 K 6392/18) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Rz. 1
Die Beteiligten streiten um einen aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO folgenden Anspruch des Klägers, unentgeltlich eine Kopie der von ihm im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Rz. 2
Der Kläger bestand die zweite juristische Staatsprüfung am 26. September 2018 vor dem Landesjustizprüfungsamt des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen (Landesjustizprüfungsamt). Er begehrte mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 Einsicht in die Aufsichtsarbeiten, die er im Rahmen des Prüfungsverfahrens unter der Kennziffer X angefertigt hatte, und bat, ihm Kopien derselben elektronisch an die von ihm angegebene E-Mail-Adresse oder auf postalischem Wege zu übersenden. Das Landesjustizprüfungsamt erklärte sich unter dem 19. Oktober 2018 bereit, dem Kläger die beantragten Kopien nach Überweisung des nach dem allgemeinen Landeskostenrecht berechneten Betrags von 69,70 € zu überlassen. Der Kläger berief sich demgegenüber mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 auf einen aus Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO folgenden Anspruch auf unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Kopie nicht nur der Aufsichtsarbeiten, sondern auch der zugehörigen Prüfergutachten. Er sei mit der Erfüllung des Anspruchs in einem gängigen elektronischen Format einverstanden. Mit Bescheid vom 6. November 2018 lehnte das Landesjustizprüfungsamt die Überlassung kostenfreier Kopien ab. Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung sei nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO nicht eröffnet. Die in Klausurbearbeitungen enthaltenen personenbezogenen Daten würden seitens des Landesjustizprüfungsamts weder ganz oder teilweise automatisiert verarbeitet noch in einem Dateisystem gespeichert.
Rz. 3
Auf die von dem Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landesjustizprüfungsamts vom 6. November 2018 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten in Papierform oder in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen.
Rz. 4
Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und dabei den Urteilstenor in einen Verpflichtungsausspruch umgewandelt. Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig. Dem von dem Kläger erstrebten schlichten Verwaltungshandeln in Form der Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Kopie gehe eine durch Verwaltungsakt zu treffende Entscheidung des Beklagten über den geltend gemachten datenschutzrechtlichen Anspruch voraus.
Rz. 5
Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Dabei könne offenbleiben, ob die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung auf die Tätigkeit des Landesjustizprüfungsamts nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO ausgeschlossen sei. Jedenfalls seien gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW auf Verarbeitungen personenbezogener Daten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallenden Tätigkeiten öffentlicher Stellen in Nordrhein-Westfalen die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung vorbehaltlich abweichender spezieller Regelungen entsprechend anzuwenden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW seien nach Maßgabe der sinngemäß anzuwendenden Begriffsdefinitionen in der Datenschutz-Grundverordnung erfüllt. Die von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten und die zugehörigen Prüfergutachten seien personenbezogene Daten des Klägers nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Diese würden durch das nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO verantwortliche Landesjustizprüfungsamt gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet. Diese Verarbeitung werde im Sinne von Art. 2 Abs. 1 DSGVO teilweise automatisiert vorgenommen. Nach den Angaben des Vertreters des Beklagten in der Berufungsverhandlung würden die Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten von dem Landesjustizprüfungsamt zwar in Papierform aufbewahrt, könnten jedoch über die elektronische Datenverarbeitung mittels der jeweiligen Kennziffer aufgefunden und den Prüflingen zugeordnet werden. Es bestünden keine abweichenden Regelungen im Sinne von § 5 Abs. 8 DSG NRW mit Relevanz für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch. Dies gelte mangels datenschutzrechtlicher Determination sowohl für das in § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW statuierte Recht eines Prüflings, auf einen binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung zu stellenden Antrag hin in den Räumen des Landesjustizprüfungsamts Einsicht in seine Prüfungsarbeiten einschließlich der Prüfergutachten zu erhalten, als auch für die von dem Landesjustizprüfungsamt für die Forderung von Kopierkosten in Anspruch genommenen Bestimmungen des allgemeinen Landeskostenrechts.
Rz. 6
Die nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO (i. V. m. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW) bestehenden Voraussetzungen für die von dem Kläger beanspruchte - nach Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltliche - Zurverfügungstellung einer Kopie der Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten seien erfüllt. Nach der von einem Teil der Literatur befürworteten extensiven Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO sei der Verantwortliche verpflichtet, dem Betroffenen alle vorhandenen personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, als Kopie zur Verfügung zu stellen. Diese Interpretation sei einem in der Instanzrechtsprechung und von einem anderen Teil des Schrifttums vertretenen restriktiven Normverständnis vorzuziehen, demzufolge Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO lediglich eine besondere Form der Auskunft regele, die sich auf die nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu erteilenden Auskünfte und Informationen beziehe, so dass die betroffene Person nur eine Kopie der Informationen darüber verlangen könne, ob ihre personenbezogenen Daten gespeichert würden und um welche es sich dabei gegebenenfalls handele, bzw. lediglich Anspruch auf eine Auskunft über die in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO genannten Informationen habe. Der restriktive Interpretationsansatz sei schon nicht mit dem durch Art. 4 Nr. 1 DSGVO weitgefassten Begriff der personenbezogenen Daten in Einklang zu bringen und werde zudem dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO sowie dem Sinn und Zweck der Rechte aus Art. 15 DSGVO - dem Betroffenen das Bewusstsein von der Datenverarbeitung zu verschaffen und die Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit zu ermöglichen - nicht gerecht.
Rz. 7
Der Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO sei nicht nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO begrenzt oder ausgeschlossen. Insbesondere stehe den Prüfern hiernach kein Recht auf Geheimhaltung ihrer Korrekturen und Gutachten zu. Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO könne dem Anspruch ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Der Antrag des Klägers auf Überlassung einer unentgeltlichen Kopie der in Rede stehenden Unterlagen sei, was schon das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil belege, nicht offensichtlich unbegründet. Auch ein exzessiver Charakter des Antrags lasse sich nicht feststellen. Es sei bereits nicht davon auszugehen, dass dieser einen unverhältnismäßig hohen Bearbeitungsaufwand des Landesjustizprüfungsamts verursache, denn er sei leicht zu erfassen und auf lediglich 348 zu kopierende Seiten bezogen. Abgesehen davon stelle sich ein Antrag generell nicht allein wegen eines mit ihm verbundenen hohen Bearbeitungsaufwands als exzessiv dar. Hinzutreten müsse ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers. Ein solches sei im Fall des Klägers nicht erkennbar. Dies gelte auch dann, wenn das Verfolgen datenschutzfremder Zwecke dem Tatbestand des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO zugeordnet werde. Denn es ließen sich keine Indizien für ein derartiges Vorgehen des Klägers daraus herleiten, dass er den Inhalt der Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten im Prinzip auch mit Blick auf ein prüfungsrechtliches Verfahren zur Kenntnis nehmen könne. Zudem scheide ein solches Verfahren schon deshalb aus, weil die Bewertung der Aufsichtsarbeiten des Klägers bestandskräftig geworden sei. Eine analoge Anwendung der Ausschlussgründe aus Art. 14 Abs. 5 Buchst. a und Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO komme nicht in Betracht.
Rz. 8
Ferner scheitere der Anspruch des Klägers nicht an einer beschränkenden mitgliedstaatlichen Regelung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 DSGVO. Eine derartige Beschränkung folge nicht aus § 12 DSG NRW. Sie ergebe sich ferner nicht aus dem in § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW geregelten prüfungsrechtlichen Einsichtsrecht und der nach dem Landesrecht bestehenden Kostenpflichtigkeit von im Zusammenhang mit der Einsichtnahme von dem Landesjustizprüfungsamt gefertigten Kopien. Die landesrechtlichen Vorschriften und der unionsrechtliche Anspruch auf eine unentgeltliche Datenkopie stünden nebeneinander.
Rz. 9
Schließlich sei der Anspruch des Klägers nicht durch Erfüllung erloschen. Dem Kläger könne nicht entgegengehalten werden, dass er sein prüfungsrechtliches Einsichtsrecht aus § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW und die mit diesem Recht einhergehende Option, sich von dem Beklagten gegen Entgelt Kopien der Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten fertigen zu lassen bzw. die Unterlagen selbst zu fotografieren, nicht wahrgenommen habe. Da der Kläger seinen Antrag auf Überlassung einer Kopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO nicht elektronisch gestellt habe, müsse der Beklagte dem Kläger die Informationen nicht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung stellen, sondern könne auch eine unentgeltliche Kopie in Papierform übersenden.
Rz. 10
Der Beklagte verfolgt mit seiner von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision sein Begehren auf Klageabweisung weiter. Er schließt sich dem restriktiven Verständnis des Rechts auf Erhalt einer unentgeltlichen Datenkopie an und meint, der Kläger habe demzufolge nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO lediglich Anspruch auf eine komprimierte und verständliche Mitteilung über die Tatsache der Anfertigung und Ablieferung der Aufsichtsarbeiten, die eingesetzten Prüfer und die Bewertungsergebnisse. Ferner habe das Oberverwaltungsgericht verkannt, dass das Einsichtsrecht aus § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW eine den Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO wirksam beschränkende nationale Gesetzgebungsmaßnahme im Sinne von Art. 23 DSGVO darstelle. Zudem sei der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO ausgeschlossen, weil es sich um einen exzessiven Antrag im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO handele. Dies sei schon wegen des unverhältnismäßig großen Bearbeitungsaufwands, der dem Landesjustizprüfungsamt durch die Herstellung und Übermittlung der begehrten Kopien entstehe, der Fall. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, ein exzessiver Antrag sei nur bei dem Hinzutreten eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gegeben, sei unzutreffend. Abgesehen davon sei der Antrag des Klägers auch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, weil der Kläger mit ihm ausschließlich, jedenfalls aber weit überwiegend datenschutzfremde Zwecke verfolge. Es gehe dem Kläger nicht um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner Daten durch das Landesjustizprüfungsamt, sondern allein darum, sich die Korrekturbemerkungen und Bewertungsbegründungen der mit seinen Aufsichtsarbeiten befassten Prüfer ansehen und gegebenenfalls die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen die Prüfungsentscheidung einschätzen zu können, ohne sich dazu - wie von § 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW vorgesehen - in die Räume des Landesjustizprüfungsamts begeben zu müssen. Ausgeschlossen sei der von dem Kläger verfolgte Anspruch weiter auf Grund von Art. 14 Abs. 5 Buchst. a und Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO, die entgegen der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts analog anwendbar seien. Der Kläger sei vor dem Hintergrund seines prüfungsrechtlichen Einsichtsrechts jedenfalls so zu behandeln, als ob er im Sinne der erstgenannten Vorschrift bereits über alle Informationen verfüge, auf deren Erhalt sein Begehren gerichtet sei. Nach der letztgenannten Vorschrift sei ihm - auch mit Blick auf zu erwartende gleichartige Anträge anderer Prüflinge - die Unverhältnismäßigkeit des mit der Anfertigung der Kopien einhergehenden Aufwands entgegenzuhalten. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht eine Erfüllung des Anspruchs verneint. Der Erkenntniszweck, dem die nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltliche Zurverfügungstellung einer ersten Datenkopie diene, werde hier bereits dadurch erreicht, dass die Einsicht in die Prüfungsarbeiten durch § 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW ermöglicht werde. Für weitere Kopien könne nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ein angemessenes Entgelt verlangt werden.
Rz. 11
Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Er erstrebt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Rz. 12
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und deshalb nach § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Rz. 13
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis ohne Verletzung revisiblen Rechts zurückgewiesen. Es hat die Klage zutreffend als Verpflichtungsklage für zulässig (1.) und begründet (2.) erachtet.
Rz. 14
1. Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung des gegen eine Behörde gerichteten Anspruchs eines Bürgers aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 S. 1) - DSGVO - auf unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Datenkopie, wie ihn der Kläger gegenüber dem für den Beklagten handelnden Landesjustizprüfungsamt erhebt, ist die Verpflichtungsklage. Denn über diesen Anspruch hat die Behörde auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms, welches sich insbesondere auf mögliche Ausschluss- oder Beschränkungstatbestände - etwa nach Art. 15 Abs. 4, Art. 12 Abs. 5 Satz 2 oder Art. 23 DSGVO - bezieht, durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl. entsprechend für den isolierten Anspruch auf Erteilung einer Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO: BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 12 sowie für den Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters nach Art. 16 Satz 1 DSGVO: BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 19 f.).
Rz. 15
2. Das Begehren des Klägers, von dem Beklagten unentgeltlich eine Kopie der von ihm im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung gestellt zu bekommen, wird von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO getragen. Der in Art. 2 DSGVO umschriebene sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist direkt eröffnet (a.). Die tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO für den Erhalt einer - gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltlichen - ersten Datenkopie sind nach den Umständen des vorliegenden Falls nach jeder in Betracht kommenden Variante der Normauslegung erfüllt (b.). Der Anspruch ist weder nach der Datenschutz-Grundverordnung selbst (c.) noch nach einer nationalen Vorschrift im Sinne der Öffnungsklauseln des Art. 23 DSGVO eingeschränkt oder ausgeschlossen (d.). Es besteht keine Grundlage für die Annahme, der Anspruch sei bereits erfüllt (e.).
Rz. 16
a. Nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO gilt die Datenschutz-Grundverordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung solcher Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Keine Anwendung findet die Verordnung, wenn einer der in Art. 2 Abs. 2 DSGVO aufgeführten Ausnahmetatbestände erfüllt ist. Im vorliegenden Fall greift die Grundregel des Art. 2 Abs. 1 DSGVO in Gestalt der zweiten Alternative des ersten Teilsatzes ein. Sowohl die von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten als auch die zugehörigen Prüfergutachten bestehen ihrem gesamten Inhalt nach aus personenbezogenen Daten des Klägers nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO (aa.). Diese Daten werden von dem nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO verantwortlichen Landesjustizprüfungsamt teilweise automatisiert verarbeitet (bb.). Es ist kein Ausnahmetatbestand aus Art. 2 Abs. 2 DSGVO erfüllt. Insbesondere scheidet eine Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung auf die Tätigkeit des Landesjustizprüfungsamts nicht deshalb aus, weil diese Tätigkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fiele (cc.).
Rz. 17
aa. Nach der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthaltenen Legaldefinition sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person - die betroffene Person - beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
Rz. 18
Nach dieser Definition und der noch zu Art. 2 Buchst. a der durch Art. 94 Abs. 1 DSGVO aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie, ABl. L 281 S. 31) ergangenen, jedoch auf die Datenschutz-Grundverordnung übertragbaren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist der Begriff der personenbezogenen Daten weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen "über" die in Rede stehende natürliche Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information auf Grund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:EU:C:2017:994], Nowak - Rn. 32 ff. unter Verweis auf das Urteil vom 7. Mai 2009 - C-553/07 [ECLI:EU:C:2009:293], Rijkeboer - Rn. 59). Danach unterfallen in einer berufsbezogenen Prüfung zum einen die schriftlichen Prüfungsleistungen des über eine Kennziffer identifizierbaren Prüflings dem Begriff der personenbezogenen Daten. Denn sie spiegeln den Kenntnisstand, das Kompetenzniveau, die Gedankengänge, das Urteilsvermögen sowie das kritische Denken des Prüflings wider und zielen - mit entsprechenden Auswirkungen auf seine beruflichen Chancen - darauf ab, seine beruflichen Fähigkeiten und seine Berufseignung zu beurteilen. Mit einer handschriftlichen Prüfungsleistung sind zudem kalligraphische Informationen verbunden. Zum anderen stellen auch die Anmerkungen der Prüfer zu den Ausführungen des Prüflings personenbezogene Daten desselben dar, weil sie die Beurteilung seiner individuellen Leistung sowie seiner Kenntnisse und Kompetenzen - wiederum mit Folgen für seine Berufschancen - dokumentieren. Dieser Einordnung steht nicht entgegen, dass die Prüferanmerkungen auch Informationen über die Prüfer enthalten und insoweit zugleich personenbezogene Daten der Prüfer darstellen (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 - Rn. 36 ff.).
Rz. 19
Hiernach unterliegt es keinem Zweifel, dass das Oberverwaltungsgericht die Aufsichtsarbeiten, die der Kläger in der berufsbezogenen Prüfung des zweiten juristischen Staatsexamens unter der seiner Identifizierung durch das Landesjustizprüfungsamt dienenden Kennziffer X angefertigt hat, sowie die zugehörigen Prüfergutachten zutreffend jeweils ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten des Klägers qualifiziert hat. Für Ausnahmen von dieser Qualifikation ist wegen des Sinnzusammenhangs, in dem die jeweiligen Ausführungen in den Aufsichtsarbeiten und den Prüfergutachten stehen, kein Raum, sie gilt vielmehr für jedes in diesen Dokumenten enthaltene Wort. Für die von dem Kläger handschriftlich abgefassten Aufsichtsarbeiten kommt hinzu, dass grundsätzlich mit jedem geschriebenen Wort kalligraphische Informationen über den Kläger verbunden sind.
Rz. 20
bb. Indem das Landesjustizprüfungsamt mit den von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten einschließlich der Prüfergutachten umgeht, sie insbesondere gemäß § 64 des Gesetzes über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAG NRW) vom 11. März 2003 (GV. NRW. S. 135), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 17. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1475), für fünf Jahre ab dem Ablauf des Jahres, in dem die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses an den Prüfling erfolgt, aufbewahrt, verarbeitet es die in den Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO als Verantwortlicher nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Dies geschieht gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO teilweise automatisiert, denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts können die in Papierform aufbewahrten Unterlagen über die elektronische Datenverarbeitung des Landesjustizprüfungsamts mittels der Kennziffer aufgefunden und dem jeweiligen Prüfling zugeordnet werden.
Rz. 21
cc. Die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Landesjustizprüfungsamt ist nicht durch Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO ausgeschlossen. Bei der Tätigkeit des Amtes, in deren Rahmen die Verarbeitung stattfindet, handelt es sich nicht um eine solche, die im Sinne der Vorschrift nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Die Ausnahmevorschrift ist nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen. Es reicht danach nicht aus, dass eine spezifische Tätigkeit des Staates oder einer Behörde in Rede steht. Es sind vielmehr allein solche Verarbeitungen personenbezogener Daten vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen, die von staatlichen Stellen im Rahmen einer Tätigkeit vorgenommen werden, die der Wahrung der nationalen Sicherheit dient oder derselben Kategorie zugeordnet werden kann. Die auf die Wahrung der nationalen Sicherheit abzielenden Tätigkeiten, auf die Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO abstellt, umfassen insbesondere solche, die den Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates und der grundlegenden Interessen der Gesellschaft bezwecken (EuGH, Urteile vom 22. Juni 2021 - C-439/19 [ECLI:EU:C:2021:504], Latvijas Republikas Saeima - Rn. 62 ff. und vom 20. Oktober 2022 - C-306/21 [ECLI:EU:C:2022:813], Komisia za zashtita na lichnite danni - Rn. 39 f.; dies aufnehmend: BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 26). Eine derartige Tätigkeit führt das Landesjustizprüfungsamt nicht aus.
Rz. 22
b. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs auf unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Datenkopie sind erfüllt. Für die deutsche Sprachfassung der Datenschutz-Grundverordnung ist zwar umstritten, in welchem Verhältnis die in Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO normierten Rechtspositionen zueinander stehen, die die von einer Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten betroffene Person gegenüber dem Verantwortlichen geltend machen kann und welchen Inhalt bzw. welche Reichweite das Recht auf eine von dem Verantwortlichen zur Verfügung zu stellende Datenkopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO hat (aa.). Für den vorliegenden Fall, in dem die betroffene Person eine Kopie von Unterlagen begehrt, die ihrem gesamten Inhalt nach aus sie betreffenden personenbezogenen Daten bestehen, gelangen indes sowohl eine extensive, auf den spezifischen Anspruchscharakter des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO abstellende Gesetzesauslegung (bb.) als auch ein restriktives Normverständnis, dieses jedenfalls unter Ausklammerung von in eindeutiger Weise unionsrechtswidrigen Einschränkungen des Begriffs der personenbezogenen Daten als solchem (cc.), zu dem Ergebnis, dass eine Kopie der vollständigen Unterlagen überlassen werden muss. Nichts Anderes gilt, sofern die genannten Rechtspositionen - insbesondere unter Berücksichtigung anderer Sprachfassungen der Datenschutz-Grundverordnung - nicht als potentielle Einzelansprüche, sondern als Rechtsfolgen im Rahmen eines vom Tatbestand her einheitlichen Informationszugangsanspruchs verstanden werden (dd.). Der Senat hat deshalb in dem hier vorliegenden Fall keinen Anlass, dem EuGH in dem Verfahren nach Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, welcher Auffassung zu folgen ist.
Rz. 23
aa. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbs. 1 DSGVO kann die betroffene Person von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, hat sie nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO ein Recht auf Auskunft über diese Daten. Sie kann in dem besagten Fall ferner auf Grund von Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 2 Buchst. a bis h und Abs. 2 DSGVO die dort genannten Metainformationen verlangen. Schließlich hat ihr der Verantwortliche gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Diese ist als erste Kopie gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO unentgeltlich zu überlassen, während der Verantwortliche gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen kann. Die in Art. 15 DSGVO normierten Rechtspositionen konkretisieren die Gewährleistung des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRC (European Data Protection Board, Guidelines 01/2022 on data subject rights - Right of access, Version 1.0, Adopted on 18 January 2022 Rn. 2; Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker ≪Hrsg.≫, Datenschutzrecht, 1. Aufl. 2019, Art. 15 DSGVO Rn. 1). Sie dienen, wie sich aus Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung ergibt, dem Zweck, dass die betroffene Person sich der Datenverarbeitung bewusst wird und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 19; BGH, Urteile vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 - NJW 2021, 2726 Rn. 23, 25 und vom 22. Februar 2022 - VI ZR 14/21 - CR 2022, 373 Rn. 24; Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 17). Der konkrete Inhalt dieser Rechtspositionen ist indes bisher nicht abschließend geklärt.
Rz. 24
bb. Nach der extensiven Auslegung von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO, der sich das Oberverwaltungsgericht angeschlossen hat, bezieht sich das Recht der betroffenen Person auf eine Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf den Erhalt einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verantwortlichen in dem konkreten Verarbeitungszusammenhang vorliegenden Form, gegebenenfalls mit Unkenntlichmachungen mit Rücksicht auf die Rechte von Dritten. Es handele sich, so der genannte Interpretationsansatz, bei den Rechten der betroffenen Person einerseits aus Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO auf Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten und andererseits aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, systematisch um zwei eigenständige, nebeneinanderstehende Ansprüche. Das Recht auf eine Datenkopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO sei daher inhaltlich nicht auf den Gehalt einer Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO beschränkt. Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO biete ebenfalls keinen Anhalt für eine entsprechende Einschränkung der inhaltlichen Reichweite des Anspruchs, sondern spreche im Gegenteil für ein weites Verständnis. Die in Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung genannten Ziele der Transparenz und der Ermöglichung einer Rechtmäßigkeitskontrolle erforderten es, dass der betroffenen Person die personenbezogenen Daten in ihrem Verarbeitungszusammenhang zur Verfügung gestellt würden. Diese werde nur durch die Kenntnis darüber, in welchem Umfang und auf welche Weise der Verantwortliche die personenbezogenen Daten verarbeite, in die Lage versetzt, weitere Betroffenenrechte wie eine Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, eine Löschung nach Art. 17 DSGVO oder Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO geltend zu machen (vgl. zu den Argumenten der extensiven Auslegung die Darstellung in: BGH, Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 40 f. sowie im Einzelnen etwa: Bäcker, in: Kühling/Buchner ≪Hrsg.≫, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15 DSGVO Rn. 39 ff.; Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 15 DSGVO Rn. 85, Stand November 2022; Brink/Joos, ZD 2019, 483 ≪484 ≫; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110 ≪1111≫; Koreng, NJW 2021, 2692 Rn. 5 ff.).
Rz. 25
Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Forderung des Klägers auf Überlassung einer Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten nach der extensiven Gesetzesauslegung ohne Weiteres dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
Rz. 26
cc. Das restriktive Verständnis des Rechts auf eine Datenkopie wird teilweise nicht bzw. nicht allein auf eine einschränkende Interpretation von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO, sondern zumindest auch auf eine solche des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinne von in unterschiedlicher Weise definierten Stammdaten (LAG Hessen, Urteil vom 10. Juni 2021 - 9 Sa 861/20 - ZD 2022, 63 ≪65≫; Klein/Schwartmann, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann ≪Hrsg.≫, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2020, Art. 15 DSGVO Rn. 38 ff.; vgl. zum Teil auch: Zikesch/Sörup, ZD 2019, 239 ≪241, 244≫), von Kategorien von Daten (Grau/Seidensticker, EWiR 2019, 443 ≪444≫) oder von Daten mit aussagekräftigen biografischen Informationen über die betroffene Person (Härting, CR 2019, 219 ≪221, 224≫, bei einem ansonsten weiten Normverständnis) gestützt. Diese Ansätze, die dem Betroffenen ein Recht auf Kopie nur im Hinblick auf bestimmte Arten von personenbezogenen Daten zugestehen wollen, bewegen sich in eindeutiger Weise außerhalb des Unionsrechts. Denn der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO legaldefinierte Zentralbegriff der Datenschutz-Grundverordnung ist derartigen teleologisch begründeten Einschränkungen bzw. Differenzierungen nicht zugänglich (in diesem Sinne speziell mit Blick auf das Auskunftsrecht nach Art. 12 der Datenschutzrichtlinie: EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 - Rn. 46 und ferner: BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 26; BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 - NJW 2021, 2726 Rn. 22; Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner ≪Hrsg.≫, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Nr. 1 DSGVO Rn. 8 f.; Bäcker, ebendort, Art. 15 DSGVO Rn. 8; Bienemann, in: Sydow/Marsch ≪Hrsg.≫, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 15 DSGVO Rn. 26; Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 ≪516≫; Korch/Chatard, ZD 2022, 482 ≪484≫. Hiernach geht es erst recht nicht an, den in Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO enthaltenen Begriff der personenbezogenen Daten durch denjenigen der in Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 2 Buchst. a bis h DSGVO genannten Metainformationen zu ersetzen und die betroffene Person auf den Erhalt einer Kopie mit diesen Informationen zu verweisen (so aber im Ergebnis: Wybitul/Brams, NZA 2019, 672 ≪674, 676≫).
Rz. 27
Unter Ausklammerung von deutlich unionsrechtswidrigen, auf den Begriff der personenbezogenen Daten bezogenen Einschränkungen besteht das restriktive Verständnis von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO in der Annahme, dass sich das Recht der betroffenen Person auf eine Datenkopie grundsätzlich in einem Anspruch gegen den Verantwortlichen auf die Zurverfügungstellung der aus dem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang extrahierten personenbezogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten erschöpft. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO regele, so wird argumentiert, lediglich eine besondere Form der Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten der betroffenen Person, die diese nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO verlangen könne. Dementsprechend beziehe sich das Recht auf eine Datenkopie nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO lediglich auf die personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, nicht aber auf die Dokumente, in denen diese enthalten seien. Die Pflicht des Verantwortlichen aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO könne nicht so weit gehen, dass er jedes Dokument, das ein personenbezogenes Datum enthalte, in Kopie zur Verfügung stellen müsse. Zur Erreichung der Ziele der Transparenz und der Ermöglichung der Rechtskontrolle nach Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung könne gerade eine Zusammenfassung der verarbeiteten Daten besonders geeignet sein (vgl. zu den Argumenten für ein restriktives Normverständnis die Darstellung in: BGH, Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 38 f. sowie im Einzelnen etwa: LAG Niedersachsen, Urteile vom 9. Juni 2020 - 9 Sa 608/19 - ZD 2021, 107 Rn. 45 und vom 22. Oktober 2021 - 16 Sa 761/20 - ZD 2022, 61 Rn. 180 ff.; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2021 - 21 Sa 43/20 - NZA-RR 2021, 410 Rn. 29 f., 45 ff.; Paal, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 33; Dausend, ZD 2019, 103 ≪106≫).
Rz. 28
Eine Extrahierung von personenbezogenen Daten aus ihrem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang und eine sich hieran gegebenenfalls anschließende Zusammenfassung dieser Daten im Sinne des restriktiven Verständnisses von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO ist indes nicht möglich, wenn dieser Zusammenhang ausschließlich aus personenbezogenen Daten der betroffenen Person besteht, wie es hier in Gestalt der von dem Landesjustizprüfungsamt verarbeiteten Aufsichtsarbeiten des Klägers und der zugehörigen Prüfergutachten der Fall ist. In dieser Konstellation muss auch ein grundsätzlich restriktives Normverständnis zu dem Ergebnis führen, dass das Recht auf eine Datenkopie eine in keiner Weise eingeschränkte Reproduktion der Daten, hier also die Überlassung einer Kopie der vollständigen Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten zum Inhalt hat.
Rz. 29
dd. Ebenfalls zu keinem abweichenden Ergebnis führt es, wenn die Frage nach dem Gehalt der in Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO normierten Rechtspositionen nicht von der durch die deutschen Sprachfassung der Datenschutz-Grundverordnung nahegelegten Abgrenzung des Rechts auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 DSGVO von dem Recht auf eine Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO im Sinne potentieller Einzelansprüche der betroffenen Person geleitet wird, sondern andere Sprachfassungen in den Blick genommen werden. Nach diesen ist Art. 15 DSGVO weithin (vgl. Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 ≪514≫) als einheitliches Recht auf Zugang der betroffenen Person zu ihren personenbezogenen Daten ausgestaltet (etwa englisch: right of access by the data subject bzw. französisch: droit d'accès de la personne concernée). Die in Art. 15 DSGVO normierten Rechtspositionen stellen danach Rechtsfolgen im Rahmen eines vom Tatbestand her einheitlichen Informationszugangsanspruchs dar. Bei einer Erhebung dieses Anspruchs ist regelmäßig nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eine Datenkopie im Sinne einer Reproduktion zur Verfügung zu stellen, deren Inhalt sich nach den im Einzelfall für die Erreichung der Ziele nach Satz 1 des Erwägungsgrunds 63 der Datenschutz-Grundverordnung erforderlichen Informationen über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person richtet (so vor allem: European Data Protection Board, Guidelines 01/2022 on data subject rights - Right of access, Version 1.0, Adopted on 18 January 2022 Rn. 1 ff., 17 ff., 130 ff., 146 ff.; vgl. auch Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 ≪514 f.≫). Auch nach diesem Normverständnis müssen Dokumente, die, wie dies bei den von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten und den zugehörigen Prüfergutachten der Fall ist, ihrem gesamten Inhalt nach aus personenbezogenen Daten der betroffenen Person bestehen, von dem Verantwortlichen vollständig als Kopie zur Verfügung gestellt werden (in diesem Sinne: European Data Protection Board, a. a. O. Rn. 153).
Rz. 30
c. Der gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO seinen Voraussetzungen nach bestehende Anspruch des Klägers auf Erhalt einer unentgeltlichen Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten ist weder nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO (aa.) noch gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO (bb.) oder Art. 14 Abs. 5 Buchst. a bzw. Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO (cc.) eingeschränkt oder ausgeschlossen.
Rz. 31
aa. Nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO darf das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Für eine solche Beeinträchtigung ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere ist mit der Überlassung einer Kopie auch der in den Aufsichtsarbeiten angebrachten Korrekturbemerkungen der Prüfer und ihrer Gutachten an den Kläger keine Beeinträchtigung der Rechte der Prüfer verbunden. Denn die Prüfer erstellen ihre Bemerkungen und Gutachten nach Feststellung des Oberverwaltungsgerichts generell mit der Maßgabe, dass diese den Prüflingen auf deren Antrag hin zugänglich gemacht werden können.
Rz. 32
bb. Ebenso wenig kann der Beklagte dem Kläger eines der Gegenrechte entgegenhalten, die dem Verantwortlichen nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO unter anderem in Bezug auf einen auf Art. 15 DSGVO gestützten Anspruch eines Betroffenen zustehen. Der Verantwortliche kann bei offensichtlich unbegründeten oder bei - insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung - exzessiven Anträgen entweder ein nach Maßgabe von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a DSGVO angemessenes Entgelt verlangen oder sich nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b DSGVO weigern, auf Grund des Antrags tätig zu werden. Gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO hat der Verantwortliche den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen.
Rz. 33
Der Antrag des Klägers auf Überlassung einer Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten ist nicht offensichtlich unbegründet und, da erstmalig gestellt, auch nicht wegen häufiger Wiederholung exzessiv. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Vortrag des Beklagten und den dazu getroffenen, für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag aus einem anderen Grund als exzessiv zu qualifizieren sein könnte.
Rz. 34
Das gilt zum einen mit Blick auf den Aufwand, der, wie von dem Oberverwaltungsgericht festgestellt, bei dem Landesjustizprüfungsamt durch die Bearbeitung des Antrags des Klägers in Gestalt der Herstellung und Übermittlung von insgesamt 348 Kopien in eng begrenztem Umfang entsteht. Die Berücksichtigung eines durch etwaige vergleichbare Anträge anderer Prüflinge hervorgerufenen Aufwands ist ausgeschlossen, da es nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO auf die Anträge "einer" betroffenen Person ankommt. Es liegt auf der Hand, dass die durch den Antrag des Klägers verursachte geringe Mühewaltung des Landesjustizprüfungsamts die Annahme eines exzessiven Antrags auch dann nicht rechtfertigen könnte, wenn man hierfür auf einen nach Maßgabe einer Interessenabwägung unverhältnismäßigen Aufwand abstellen wollte (in diesem Sinne etwa: Franck, in: Gola/Heckmann ≪Hrsg.≫, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 15 DSGVO Rn. 51; Zikesch/Sörup, ZD 2019, 239 ≪243 f.≫; Korch/Chatard, ZD 2022, 482 ≪483 f.≫).
Rz. 35
Der Antrag des Klägers erweist sich zum anderen nicht deshalb als exzessiv, weil er mit Blick auf die ihm zu Grunde liegende Motivation des Klägers als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen wäre (für die Rechtsmissbräuchlichkeit als alleiniges oder jedenfalls zusätzliches Kennzeichen der Exzessivität eines Antrags: European Data Protection Board, Guidelines 01/2022 on data subject rights - Right of access, Version 1.0, Adopted on 18 January 2022 Rn. 164, 186 ff.; Bäcker, in: Kühling/Buchner ≪Hrsg.≫, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 12 DSGVO Rn. 36 ff.; Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly ≪Hrsg.≫, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 12 DSGVO Rn. 65 f.; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110 ≪1113 f.≫; Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 ≪516≫). Der Beklagte beruft sich insoweit auf eine vorgebliche Verfolgung datenschutzfremder Zwecke durch den Kläger. Der Frage, ob sich aus einer derartigen Motivation überhaupt eine Rechtsmissbräuchlichkeit ergeben kann (zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH dazu: BGH, Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - DB 2022, 1249 Rn. 12 ff.), muss der Senat nicht nachgehen. Denn der Beklagte macht lediglich geltend, dass es dem Kläger allein darauf ankomme, unter Umgehung der Voraussetzungen des Einsichtsrechts für Prüflinge nach dem Landesjustizprüfungsrecht Kenntnis von den Korrekturbemerkungen und Bewertungsbegründungen der mit seinen Aufsichtsarbeiten befassten Prüfer im Hinblick auf einen etwa zu ergreifenden Rechtsbehelf gegen die Prüfungsentscheidung zu erhalten. Mit diesem Einwand kann der Beklagte schon wegen der von dem Oberverwaltungsgericht festgestellten Bestandskraft der Bewertung der Aufsichtsarbeiten des Klägers nicht durchdringen.
Rz. 36
cc. Ferner kann der Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO nicht durch eine entsprechende Anwendung von Art. 14 Abs. 5 Buchst. a bzw. Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO als ausgeschlossen erachtet werden. Die Vorschriften regeln Ausnahmen von den Informationspflichten, die den Verantwortlichen nach Art. 14 Abs. 1 bis 4 DSGVO treffen, wenn er personenbezogene Daten auf andere Weise als bei der betroffenen Person erhebt oder die erhobenen Daten zu einem anderen Zweck als dem Erhebungszweck weiterverarbeiten will. Die Informationspflichten entfallen nach Art. 14 Abs. 5 Buchst. a DSGVO, wenn und soweit die betroffene Person bereits über die Informationen verfügt, sowie nach Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alt. 2 DSGVO, wenn und soweit die Informationserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.
Rz. 37
Auf die Frage, ob diese Bestimmungen einer analogen Anwendung auf das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen Datenkopie aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO zugänglich sind, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Denn zum einen hat der Kläger nach der Tatsachenfeststellung des Oberverwaltungsgerichts nicht nach § 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW binnen der dort vorgesehenen Frist Einsicht in die von ihm angefertigten und von den Prüfern korrigierten Aufsichtsarbeiten sowie die zugehörigen Prüfergutachten genommen, so dass er diesbezüglich bisher über keine Informationen verfügt. Die Annahme des Beklagten, es reiche aus, dass der Kläger die Möglichkeit zur Einsichtnahme gehabt habe, geht offensichtlich fehl. Zum anderen ist, wie bereits dargelegt, die Bearbeitung des Begehrens des Klägers auf Überlassung einer unentgeltlichen Kopie der genannten Unterlagen für das Landesjustizprüfungsamt mit keinem nennenswerten Aufwand verbunden.
Rz. 38
d. Weiter erfährt der streitgegenständliche Anspruch des Klägers keine Beschränkung durch eine nach den Maßgaben des Art. 23 DSGVO erlassene nationale Vorschrift.
Rz. 39
Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, das in § 23 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 JAG NRW geregelte fristgebundene prüfungsrechtliche Einsichtsrecht und die landesrechtlichen Regelungen betreffend die Kostenpflichtigkeit von im Zusammenhang mit der Einsichtnahme durch das Landesjustizprüfungsamt gefertigten Kopien seien keine das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen Datenkopie aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO beschränkenden mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften im Sinne von Art. 23 DSGVO. Der in der unionsrechtlichen Datenschutz-Grundverordnung statuierte Anspruch und das in dem Juristenausbildungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen geregelte Recht auf Einsichtnahme in die Prüfungsarbeiten und Prüfergutachten mitsamt den landesrechtlichen Kostenregelungen für die Anfertigung von Kopien daraus stünden nebeneinander. An diese den datenschutzrechtlichen Anspruch unberührt lassende Auslegung des Landesrechts ist der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden. Einer ebensolchen Bindung unterliegt der Senat im Hinblick auf die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass sich aus den irrevisiblen Bestimmungen in § 12 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) vom 17. Mai 2018 (GV. NRW. S. 244, 278) keine Beschränkung des streitgegenständlichen Anspruchs herleiten lässt.
Rz. 40
e. Schließlich ergibt sich aus den bisherigen Darlegungen, dass der Einwand des Beklagten ins Leere geht, der Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO sei in Anbetracht des durch das Juristenausbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eingeräumten fristgebunden Rechts, Einsicht in die Prüfungsunterlagen zu nehmen, und der Möglichkeit, sich von dem Landesjustizprüfungsamt gegen Entgelt Kopien anfertigen zu lassen bzw. selbst Fotos herzustellen, als erfüllt anzusehen.
Rz. 41
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
Haufe-Index 15568116 |
DStR 2023, 11 |
NJW 2023, 1079 |
BVerwGE 2023, 211 |
NZA 2023, 296 |
DÖV 2023, 436 |
JZ 2023, 179 |
RDV 2023, 67 |
DVBl. 2023, 4 |
NordÖR 2023, 11 |
Jura 2023, 905 |
Polizei 2023, 321 |