Allenfalls in Ausnahmefällen sind der für die Wertbestimmung maßgebliche Verkehrswert und der real am Markt erzielbare Veräußerungswert identisch. Der Verkaufswert liegt niedriger.
Dieses Dilemma hat der BGH für die tägliche Arbeit des Anwalts unpraktisch, wenngleich mit überzeugenden Gründen gelöst (BGH, FamRZ 1992, 918; BGH, FamRZ 1986, 37). Es ist auf den Verkehrswert abzustellen. "Eine strengere Orientierung an dem tatsächlich erzielbaren Verkaufserlös ist nur dann geboten, wenn das Grundstück zur Veräußerung bestimmt ist oder als Folge des Zugewinnausgleichs veräußert werden muss." (BGH, FamRZ 1992, 918).
Der BGH hat es relativ einfach. Wenn er in der dritten Instanz mit Verfahren betraut wird, hat sich durch Zeitablauf die Frage geklärt, was mit einer Immobilie geschieht. Ist sie unterdessen verkauft worden, so wird der Erlös als Wert in die Berechnung eingestellt. Ist die Eigentümerstellung noch unverändert, so stellt er auf den Verkehrswert ab. Der gleich nach der Trennung beauftragte Anwalt dagegen kann zwar die Rechtsprechung referieren. Die Parteien sind häufig sehr daran interessiert, das Eigentum zu halten, können aber noch kaum beurteilen, ob ihnen das möglich ist noch wissen sie gar, selbst wenn sie veräußern wollen, wer ein potentieller Käufer ist.
Die Frage ist von ihrer Brisanz her in den meisten Fällen entschärft, wenn beide Parteien Miteigentümer je zur Hälfte sind.
Beispiel:
Frau und Herr Müller sind je zur Hälfte Eigentümer der selbst bewohnten Hauses. Sie trennen sich, Frau Müller bleibt mit den Kindern im Haus. Am Stichtag hat das Objekt einen Verkehrswert von 300.000 EUR und einen realen Verkaufswert von 220.000 EUR. Die Schulden valutieren noch mit 100.000 EUR. Daneben hat Herr Müller Vermögen von 20.000 EUR. Anfangsvermögen war keines vorhanden.
Mit welchem Wert betreffend das Haus gerechnet wird ist unerheblich. In jedem Fall hat Herr Müller einen um 20.000 EUR höheren Zugewinn erwirtschaftet und 10.000 EUR auszugleichen.
Anders ist es aber, wenn ein Ehegatte z.B. ein hohes Anfangsvermögen hat oder Alleineigentum gegeben ist.
Beispiel:
Im vorstehenden Fall hat Herr Müller ein (indexiertes) Anfangsvermögen von 100.000 EUR.
Der Zugewinn der Mannes beträgt bei Zugrundelegung des Verkehrswertes 150.000 EUR (halber Hauswert) – 50.000 EUR (halbe Darlehensvaluta) + 20.000 EUR (sonstiges Vermögen) – 100.000 EUR (Anfangsvermögen) = 20.000 EUR.
Der Zugewinn der Frau beträgt 150.000 EUR (halber Hauswert) – 50.000 EUR (halbe Darlehensvaluta) = 100.000 EUR.
Aus der Differenz von 80.000 EUR hat Frau Müller 40.000 EUR an den Mann zu zahlen.
Bei Zugrundelegung des Verkaufswertes von 220.000 EUR ergibt sich folgende Berechnung:
Der Zugewinn der Mannes beträgt 110.000 EUR (halber Hauswert) – 50.000 EUR (halbe Darlehensvaluta) + 20.000 EUR (sonstiges Vermögen) – 100.000 EUR (Anfangsvermögen) = - 20.000 EUR, d.h. Null, weil es keinen negativen Zugewinn gibt.
Der Zugewinn der Frau beträgt 110.000 EUR (halber Hauswert) – 50.000 EUR (halbe Darlehensvaluta) = 60.000 EUR.
Aus der Differenz hat die Frau also die Hälfte mir 30.000 EUR zu zahlen.
Der Frau ist also anzuraten, auf eine Veräußerung hinzuwirken. Solange sie im Objekt wohnen bleibt und gegebenenfalls Bemühungen des Mannes unterläuft, das Objekt zu verkaufen, weil er die Schulden nicht mehr zu tragen bereit ist, läuft sie Gefahr, den höheren Betrag zahlen zu müssen.
Andererseits wird der Hinweis auf die Konsequenzen des Verhaltens von Frau Müller auch dazu dienlich sein, die mitunter mühsamen Verhandlungen bei der Frage der Regelung der Rechtsverhältnisse an der Immobilie in Bewegung zu bringen.