Problemüberblick

Herrscht eine Pandemie, muss sich die Verwaltung fragen, ob und wenn ja auf welche Weise sie eine Versammlung organisieren kann.

Öffentliches Recht lässt Versammlungen nicht zu

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss sich stets an das öffentliche Recht halten und dieses 1:1 umsetzen. Verbietet das öffentliche Recht die Abhaltung von Versammlungen, muss die Verwaltung daher für alle Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WEG vorgehen und Entscheidungen selbst treffen. Wird dennoch eine Versammlung anberaumt, sind alle dort gefassten Beschlüsse anfechtbar. Es ist sogar vorstellbar, dass der Verstoß gegen das öffentliche Recht eine Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse nach sich zieht. Jedenfalls ist kein Wohnungseigentümer gezwungen, zu so einer Versammlung zu erscheinen.

Öffentliches Recht lässt Versammlungen zu

Erlaubt das öffentliche Recht Versammlungen, sind diese abzuhalten. Die COVID-19-Pandemie ist kein Grund, keine Versammlung abzuhalten. Bei der Abhaltung der Versammlung sind allerdings die örtlich geltenden Bestimmungen einzuhalten. Die Verwaltung muss vor allem eine Versammlungsstätte wählen, die es ermöglicht, dass der notwendige Mindestabstand zwischen den Versammlungsteilnehmern und den Mitarbeitern sowie die weiteren Hygienemaßnahmen wie das Händewaschen und eine Desinfektion eingehalten werden können. Wird eine ungeeignete Versammlungsstätte gewählt, dürfte kein Wohnungseigentümer verpflichtet sein, an der Versammlung teilzunehmen, und dürften – sind Wohnungseigentümer wegen der Ungeeignetheit der Versammlungsstätte der Versammlung ferngeblieben – dennoch gefasste Beschlüsse einer ordnungsmäßigen Verwaltung widersprechen. Sie sind zwar nicht nichtig, aber anfechtbar.

Die Pflicht, für die Einhaltung des öffentlichen Rechtes während der Versammlung zu sorgen, ist ein Teil der Versammlungsleitung. Der Verwaltung obliegt es z. B., für den Mindestabstand zwischen den Teilnehmern zu sorgen und auch auf die Hygiene zu achten. Was im Einzelnen gilt, ist eine Frage des Infektionsschutzes und der aktuellen Bestimmungen. Die Wohnungseigentümer sind berechtigt, durch Beschluss Weisungen zu erteilen. Am Verwalter als geborenem Versammlungsleiter ist es auch, zu entscheiden, ob eine Versammlung aus hygienischen Gründen unterbrochen, verlegt oder vertagt wird. Die Wohnungseigentümer sind auch insoweit berechtigt, durch Beschluss Weisungen zu erteilen, und können Beschlüsse zur Geschäftsordnung fassen. Insoweit gelten die allgemeinen Regelungen.

Vollmachts-Versammlung

Sämtliche Wohnungseigentümer können der Verwaltung vorab und ohne Einladung eine Vollmacht erteilen. In diesem Fall ist die Verwaltung berechtigt und verpflichtet, aufgrund der Vollmachten mit sich selbst eine Versammlung abzuhalten. Dieser Weg ist für die Wohnungseigentümer gefahrlos, wenn sie die Verwaltung vorher und im Einzelnen angewiesen haben, wie abzustimmen ist. Einen Zwang, eine Vollmacht zu erteilen, gibt es allerdings nicht. Auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie besteht ein Anspruch der Wohnungseigentümer auf eine persönliche Teilnahme an Versammlungen. Es ist unzulässig, Versammlungen dahingehend zu beschränken, dass lediglich eine Teilnahme einzelner Personen gewährleistet wird und die übrigen Eigentümer Vollmachten zu erteilen haben oder gar von vornherein lediglich zu Vertreterversammlungen geladen wird, bei denen sich die Eigentümer nur vertreten lassen können.

Bei der Einladung zu einer solchen Versammlung ist außerdem Vorsicht geboten. Weist der Verwalter die Wohnungseigentümer in seinem Einladungsschreiben darauf hin, dass wegen der COVID-19-Pandemie sein Büro für den Publikumsverkehr geschlossen ist und Versammlungen mit Anwesenheit wegen der Kontaktsperre nicht stattfinden können, fordert er die Wohnungseigentümer ferner auf, ihm eine Vollmacht zu erteilen und auf einem beigefügten Protokoll ihre Abstimmungswünsche anzukreuzen, und fordert er dann die Wohnungseigentümer noch auf, nicht persönlich zur Versammlung zu erscheinen, liegt hierin der Sache nach eine "Ausladung", und auf einer solchen Versammlung gefasste Beschlüsse sind wenigstens anfechtbar.

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