Detlef Burhoff, Michael Eggers
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Durchsuchung wird i.d.R. von der StA beantragt. |
2. |
Angeordnet wird die Durchsuchung nach § 105 Abs. 1 grds. vorher durch den Richter mit richterlichem Beschluss. |
3. |
Bei Gefahr im Verzug können aber auch die StA oder Ermittlungspersonen der StA eine Durchsuchung anordnen. |
4. |
Gefahr im Verzug liegt vor, wenn die richterliche Anordnung der Maßnahme nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Durchsuchung dadurch gefährdet wird. |
5. |
Für die erforderliche Konkretisierung des Durchsuchungsziels ist entscheidend, ob sich die Durchsuchung gegen einen verdächtigen oder gegen eine unbeteiligte Person richtet. |
6. |
Checkliste zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses. |
Rdn 1830
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Beschlagnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 880, bei → Beschlagnahme, Beschlagnahmeverbote, Teil B Rdn 939, bei → Durchsuchung, Allgemeines, Teil D Rdn 1770, bei → Durchsuchung, Anordnung, Allgemeines, Teil D Rdn 1784, und bei → Durchsuchung, Anordnung, Verhältnismäßigkeit, Teil D Rdn 1850.
Rdn 1831
1. Die Durchsuchung wird i.d.R. von der StA beantragt (aber LG Köln, Beschl. v. 14.10.2019 – 324 KLs 6/18, StraFo 2020, 65). Eine besondere Form ist für den Antrag nicht vorgeschrieben. Der Antrag wird i.d.R. aber schriftlich gestellt. I.d.R. wird die StA dazu (auch) eine Akte vorlegen. Notwendig ist das aber nicht (OLG Köln StV 2017, 480 [Ls.]; zu komplexen Sachverhalten Rabe von Kühlewein NStZ 2015, 618, 621). Allerdings werden, wenn die Akte nicht vorgelegt wird, die Anforderungen an die Dokumentation der Verfahrensvorgänge hoch anzusetzen sein (OLG Köln, a.a.O.). Der Richter kann auf einer "Verschriftlichung" des Sachverhalts bestehen (OLG Köln, a.a.O.; a. Teil D Rdn 1835 ff.).
Rdn 1832
2.a)aa) Angeordnet wird die Durchsuchung nach § 105 Abs. 1 grds. vorher durch den Richter (zu Ausnahmen Teil D Rdn 1835 ff.). I.d.R. wird dieser die Durchsuchung mit richterlichem Beschluss anordnen, der grds. schriftlich abzufassen ist (BVerfG NJW 2001, 1121; LG Dresden StRR 2011, 366 [Ls.]; LG Fulda StraFo 2018, 149; Meyer-Goßner/Schmitt, § 105 Rn 3 m.w.N.; Wohlwend HRRS 2015, 454 [immer]; zur „stillschweigen Durchsuchungsanordnung Ladiges NStZ 2014, 609; zur Begründung und zum Inhalt des Beschlusses → Durchsuchung, Anordnung, Inhalt. Teil D Rdn 1797). Zur Einhaltung des Richtervorbehalts genügt es nicht, dass eine formal richtige Unterschrift erfolgt; es muss vielmehr feststellbar sein, dass der Richter selber eine sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und eine umfassende Abwägung im konkreten Fall vorgenommen hat (LG Paderborn, Beschl. v. 12.7.2021 – 2 KLs 6 Js 44/19–3/19, StV 2022, 569 [Ls.]).
☆ Von der vorherigen Anhörung des Betroffenen ist nach h.M. gem. § 33 Abs. 4 abzusehen (BVerfG NJW 1979, 154 f.; 1539 f.; a.A. LR- Tsambikakis , § 105 Rn 31). Eine (unterlassene) Anhörung ist spätestens im Rechtsmittelverfahren nachzuholen (BVerfG, Beschl. v. 26.5.2014 – 2 BvR 683/12; Beschl. v. 15.7.2016 – 2 BvR 857/14; Beschl. v. 21.12.2021 – 2 BvR 2611/18, jew. m.w.N.; → Durchsuchung, Rechtsmittel , Teil D Rdn 2019 ). Das kann auch noch im Verfahren der Anhörungsrüge geschehen (BVerfG, a.a.O.).Anhörung des Betroffenen ist nach h.M. gem. § 33 Abs. 4 abzusehen (BVerfG NJW 1979, 154 f.; 1539 f.; a.A. LR-Tsambikakis, § 105 Rn 31). Eine (unterlassene) Anhörung ist spätestens im Rechtsmittelverfahren nachzuholen (BVerfG, Beschl. v. 26.5.2014 – 2 BvR 683/12; Beschl. v. 15.7.2016 – 2 BvR 857/14; Beschl. v. 21.12.2021 – 2 BvR 2611/18, jew. m.w.N.; → Durchsuchung, Rechtsmittel, Teil D Rdn 2019). Das kann auch noch im Verfahren der Anhörungsrüge geschehen (BVerfG, a.a.O.).
Rdn 1833
bb) Der Durchsuchungsbeschluss muss bei der Durchsuchung jedoch bekannt gemacht werden, und zwar i.d.R. durch die Übergabe einer Kopie/Ausfertigung des Beschlusses mit vollständiger Begründung (BGH NJW 2017, 2359 m.w.N. [Durchsuchung nach § 103]; NStZ 2003, 273; zur Bekanntmachung Wiepjes StV 2019, 286 ff.). Die Bekanntgabe der (vollständigen) Gründe allerdings kann in Ausnahmefällen bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs oder entgegenstehender schutzwürdiger Belange des Beschuldigten vorläufig zurückgestellt werden (BGH NJW 2017, 2359; s.a. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.9.2021 – 12 Qs 66/21, StraFo 2022, 510; zum Begriff der Gefährdung des Untersuchungserfolgs → Akteneinsicht, Beschränkung, Teil A Rdn 308 ff.). Eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs kann bei einer Maßnahme gegen einen Dritten i.S. des § 103 u.a. dann in Betracht kommen, wenn dieser im Anschluss an die Durchsuchungsmaßnahme als Zeuge vernommen werden soll und daher die Gefahr besteht, dass die Bekanntgabe der vollständigen Gründe der Durchsuchungsanordnung den Inhalt der Aussage beeinflussen könnte (BGH, a.a.O.). Schutzwürdige Belange des Beschuldigten können entgegenstehen, wenn eine Bekanntgabe des vollständigen Tatvorwurfes gegen den Beschuldigten in diesem Verfahrensstadium insbesondere im Fall besonders stigmatisierende...