Das Wichtigste in Kürze:

1. Zufallsfunde sind die anlässlich einer Durchsuchung gefundenen Gegenstände, die auf das Vorliegen einer anderen Straftat hindeuten.
2. § 108 Abs. 1 erlaubt nicht, bei einer Durchsuchung gezielt nach Zufallsfunden zu suchen.
3. Wenn bei einer in einem Strafverfahren gegen einen Arzt durchgeführten Durchsuchung Gegenstände gefunden werden, die den Schwangerschaftsabbruch einer Patientin betreffen, so dürfen diese nach § 108 Abs. 2 in einem Strafverfahren gegen die Patientin wegen einer Straftat nach § 218 StGB nicht verwendet werden. Besonderheiten gelten auch für eine Gebäudedurchsuchung nach § 103 Abs. 1 S. 3 zur Ergreifung des Beschuldigten.
 

Rdn 1863

 

Literaturhinweise:

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Bauwens, Schutz der Mandantenakten bei Durchsuchungen in der Kanzlei des Steuerberaters, wistra 1988, 100

Benfer, Die strafprozessuale Haussuchung als implizierte Befugnis?, NJW 1980, 1611

Benning, Die Nutzung zu Beweiszwecken nicht verwendbarer Zufallserkenntnisse im strafprozessualen Ermittlungsverfahren, 2018

­Brüning, Beihilfe zum Geheimnisverrat durch Journalisten und die strafprozessualen Folgen, NStZ 2006, 256

Cordes/­Panneborg, Strafprozessaule und verfassungsrechtliche Grenzen im Umgang mit Zufallsfunden, NJW 2019, 2973

Elisath, Der geplante "Zufallsfund", Krim 2018, 339

Kaiser, Notwendigkeit eines Durchsuchungsbefehls bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen?, NJW 1980, 875

Krehl, Was wird aus den legendierten Kontrollen, StraFo 2018, 265

Kurth, Identitätsfeststellung, Einrichtung von Kontrollstellen und Gebäudedurchsuchung nach neuem Recht, NJW 1979, 1377

Krekeler, Zufallsfunde bei Berufsgeheimnisträgern und ihre Verwertbarkeit, NStZ 1987, 199

Müller/Römer, Legendierte Kontrollen Die gezielte Suche nach dem Zufallsfund, NStZ 2012, 543

Ronsdorf, Die Beschlagnahme von Zufallsfunden bei Durchsuchungen, 1992

Schmechel, Zufallsfunde bei Durchsuchungen im Steuerstrafverfahren, 2004

Soiné/Weyhrich, Legendierte Fahrzeugkontrollen in der Reflexion von Recht und Praxis, Krim 2020, 172

Schwabenbauer, Verwertung von Zufallsfunden einer verfassungswidrigen Durchsuchung, NJW 2009, 3207

Winterhoff, Kanzleidurchsuchungen im Lichte von Grund- und Menschenrechten, AnwBl. 2011, 789

s.a. die Hinw. bei → Durchsuchung, Allgemeines, Teil D Rdn 1742.

 

Rdn 1864

1. Zufallsfunde sind die anlässlich einer Durchsuchung gefundenen Gegenstände, die auf das Vorliegen einer anderen Straftat hindeuten (LG Berlin NStZ 2004, 571 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 108 Rn 2 m.w.N.; Cordes/Panneborg NJW 2019, 2973; eingehend zu der gesamten Problematik Benning, a.a.O.). Nach der Rspr. handelt es sich auch um einen Zufallsfund, wenn der Provider den Ermittlungsbehörden freiwillig und ohne inhaltliche Beschränkung einen Gastzugang zum E-Mail-Account eines Beschuldigten zur Verfügung stellt und während dieses Gastzugangs Hinweise bezüglich noch nicht erfasster Straftaten bekannt werden (LG Mannheim StV 2011, 352 m. abl. Anm. Kelnhofer/Nadeborn).

 

☆ Nicht um Zufallsfunde i.S.d. §§ 102 ff. handelt es sich um die bei einer sog. legendierten Kontrolle (gezielt) gesuchte Gegenstände ( Müller/Römer NStZ 2012, 543). Denn in den Fällen liegt überhaupt keine Durchsuchung vor, da es sich bei der legendierten Kontrolle nicht um eine – wie die Durchsuchung – offene Ermittlungsmaßnahme handelt, sondern um eine verdeckte/heimliche (vgl. aber die Zusammenstellung bei → Durchsuchung, Allgemeines , Teil D Rdn  1748  f. m.w.N. aus der Rspr. des BGH)."legendierten Kontrolle" (gezielt) gesuchte Gegenstände (Müller/Römer NStZ 2012, 543). Denn in den Fällen liegt überhaupt keine Durchsuchung vor, da es sich bei der "legendierten Kontrolle" nicht um eine – wie die Durchsuchung – offene Ermittlungsmaßnahme handelt, sondern um eine verdeckte/heimliche (vgl. aber die Zusammenstellung bei → Durchsuchung, Allgemeines, Teil D Rdn 1748 f. m.w.N. aus der Rspr. des BGH).

 

Rdn 1865

Gem. § 108 Abs. 1 können Zufallsfunde von den Durchsuchungsbeamten einstweilen in Beschlag genommen werden, die StA ist zu unterrichten (wegen der Einzelh. Cordes/Panneborg NJW 2019, 2973, 2975 ff.). Die Beschlagnahme von Zufallsfunden kann jeder Beamte, der an der Durchsuchung teilnimmt, anordnen, auf "Gefahr im Verzug" kommt es nicht an. Für Zufallsfunde, die ersichtlich mit dem der Durchsuchung zugrunde liegenden Tatvorwurf in Verbindung stehen, von der Zielrichtung der Durchsuchungsanordnung aber nicht erfasst werden, gilt, dass eine Beschlagnahme nur in Betracht kommt, wenn es sich um einen Zufallsfund handelt, der seine Beweisbedeutung in Bezug auf den Ausgangsvorwurf "auf der Stirn trägt" (LG Berlin NStZ 2004, 571 m.w.N.; LG Kiel StV 2017, 22; vgl. a. Wohlwend HRRS 2015, 454 ff.).

 

☆ Besteht ein Beschlagnahmeverbot , z.B. nach § 97, ist auch eine einstweilige Beschlagnahme nicht zulässig (zuletzt Brüning NStZ 2006, 256; → Beschlagnahme, Beschlagnahmeverbote , Teil B Rdn  945 ).Beschlagna...

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