Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 89
Das gemeinschaftliche Testament ist gesetzlich nicht definiert. Der Personenkreis, der eine gemeinschaftliche testamentarische Verfügung vornehmen kann, ist nicht begrenzt. Nach den Gesetzesvorarbeiten können auch mehrere Testamente eine gemeinsame testamentarische Verfügung darstellen. Dies setzt voraus, dass eines der Testamente auf das oder die anderen Testamente verweist. Gesetzestechnisch wird sowohl der Fall, dass zwei oder mehrere Personen ein Testamentsdokument errichten, als auch der Fall, dass zwei oder mehrere Personen sich gegenseitig als Erben einsetzen, in Kapitel 13 (§§ 80 bis 89) ARL unter den Bezeichnungen "gemeinsames Testament" und "gemeinsame testamentarische Verfügung" (fælles testamente und fælles testamentarisk disposition) geregelt.
Ein einseitiger Widerruf (zum Widerruf vgl. Rdn 117) einer gemeinschaftlichen testamentarischen Verfügung ist nach § 80 ARL – um Gültigkeit zu erlangen – der anderen Partei mitzuteilen (d.h. dieser zuzustellen), es sei denn, dass dies aus besonderen Gründen ausgeschlossen ist. Die Beweislast für den Widerruf obliegt der widerrufenden Partei oder dem/den vom Widerruf profitierenden Erben. Dasselbe gilt grundsätzlich analog § 80 ARL für eine einseitige Änderung der gemeinschaftlichen testamentarischen Verfügung.
Rz. 90
Haben Ehegatten ein gegenseitiges Testament errichtet, wonach der überlebende Ehegatte den verstorbenen Ehegatten beerbt und wonach alles, was nach dem Tod des überlebenden Ehegatten als Erbe anfällt, den Erben der Ehegatten nach den gesetzlichen Regeln zur Gleichteilung zukommen soll, ist dies nach einer in der Rechtsprechung erarbeiteten ergänzenden Regel so zu verstehen, dass der Erbanfall als solcher auf den Todeszeitpunkt des überlebenden Ehegatten hinausgeschoben wird. Das Testierrecht des überlebenden Ehegatten ist in § 81 ARL geregelt. Haben Ehegatten durch eine gemeinschaftliche testamentarische Verfügung festgelegt, wie das Erbe beim Tod des überlebenden Ehegatten zu verteilen ist, kann Letzterer nach § 81 Abs. 1 ARL durch Testament über das frei verfügbare Erbe in seinem Nachlass disponieren. Er kann jedoch nicht testamentarisch über frei verfügbares Erbe disponieren, das nach dem gemeinschaftlichen Testament Sonderabkömmlingen (zum Begriff siehe Rdn 40) des zuerst Verstorbenen zufällt (§ 81 Abs. 2 ARL). Seine Dispositionsbefugnis ist gleichermaßen im Hinblick auf die Hälfte vom frei verfügbaren Erbe ausgeschlossen, das nach dem gemeinschaftlichen Testament gemeinsamen Abkömmlingen zufällt. Die vorgenannten Bestimmungen gelangen nach § 81 Abs. 3 ARL nicht zur Anwendung, wenn die gemeinschaftliche testamentarische Verfügung anderweitige Bestimmungen über das Verfügungsrecht des überlebenden Ehegatten beinhaltet. § 81 ARL findet entsprechende Anwendung auf den Fall, dass ein gemeinschaftliches Testament durch andere als Ehegatten – bspw. durch Verwandte, Freunde oder Mitgesellschafter – errichtet worden ist (§ 82 ARL).
Rz. 91
Die Verfügungsbefugnisse des überlebenden Ehegatten zu Lebzeiten sind in den §§ 83 bis 86 ARL geregelt. Haben die Ehegatten durch ein gemeinschaftliches Testament Bestimmungen über die Verteilung des Erbes nach dem Tod des überlebenden Ehegatten getroffen, die der überlebende Ehegatte nicht widerrufen darf, kann Letzterer die Bestimmungen nach § 83 Abs. 1 ARL nicht dadurch außer Kraft setzen, dass er
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Geschenke oder Erbvorschüsse gewährt, deren Wert im Missverhältnis zum Vermögen steht (Nr. 1), bzw. |
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einen Begünstigten in eine Lebensversicherung oder etwas Vergleichbares einsetzt, die für einen Betrag abgeschlossen worden ist, der in einem Missverhältnis zum Vermögen steht (Nr. 2). |
Rz. 92
Hat der überlebende Ehegatte eine Verfügung im Widerspruch zu § 83 Abs. 1 Nr. 1 ARL getroffen, kann ein Erbe nach dem zuerst Verstorbenen die Aufhebung der Verfügung verlangen, wenn der Leistungsempfänger die Umstände kannte oder hätte kennen müssen (§ 83 Abs. 2 ARL). Dies gilt nach § 83 Abs. 3 ARL entsprechend, wenn eine Lebensversicherung oder etwas Vergleichbares nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 ARL an einen Begünstigten ausbezahlt wird. Nach dem Tod des überlebenden Ehegatten finden § 83 Abs. 2 und 3 ARL in dem Umfang, in dem der betroffene Erbe Deckung für sein Erbrecht durch eine Erstattung aus dem verbleibenden Nachlass erlangen kann, keine Anwendung. Die Regelungen nach § 83 Abs. 2 bis 4 ARL gelangen allerdings nicht zur Anwendung, wenn dies testamentarisch ausgeschlossen worden ist (so § 83 Abs. 5 ARL). Das Aufhebungsverfahren nach § 83 ARL ist in § 84 ARL näher geregelt.
Rz. 93
Hat der überlebende Ehegatte durch Verfügungen i.S.v. § 83 ARL sein Vermögen durch Begünstigung eines Erben wesentlich vermindert, kann ein anderer Erbe im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach § 85 ARL Erstattung aus dem verbleibenden Nachlass verlangen. Dies gilt nicht, wenn eine solche Erstattung testamentarisch ausgeschlossen ist.
Rz. 94
Die Regelungen der §§ 83 bis 85 ARL finden gem. § 86 ARL entsprechende Anwendung, wenn ein gemeinschaftliche...