Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 20
Das dänische IZVR folgt dem Grundsatz der Universalität und der Einheit des Nachlassverfahrens: Angestrebt wird, dass das Nachlassverfahren in nur einem Land durchgeführt wird und sämtliche Vermögenspositionen erfasst. Für den Fall, dass sich ein dänisches Gericht für international zuständig erklärt, gilt die feste Vermutung, dass das Verfahren grundsätzlich sämtliche Vermögenswerte des Verstorbenen umfasst (wobei im Ausland befindliche Aktiva ebenfalls, soweit möglich, in das Verfahren mit einbezogen werden).
Rz. 21
Die internationale Entscheidungszuständigkeit dänischer Gerichte wird in § 2 DSL geregelt. Nach § 2 Abs. 1 DSL ist ein dänisches Gericht international zuständig, wenn der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes nach Maßgabe der §§ 235 und 236 der dänischen Prozessordnung (retsplejeloven – fortan: RPL) seinen allgemeinen Gerichtsstand (hjemting) in Dänemark hatte und damit als "Inländer in prozessualer Hinsicht" zu qualifizieren war. Die Rechtspraxis erachtet Personen, die aufgrund ihres Wohnsitzes oder ihres Aufenthaltsortes eine solche Verbindung zu Dänemark aufweisen, dass eine mindestens so enge Beziehung zu Dänemark wie zu einem anderen Staat besteht, als "Inländer in prozessualer Hinsicht". Der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen kommt hingegen grundsätzlich keine Bedeutung zu.
Rz. 22
Hatte der Verstorbene keinen allgemeinen Gerichtsstand in Dänemark, können die dänischen Nachlassgerichte dennoch entscheiden, dass die Auseinandersetzung bezüglich des ganzen Nachlasses oder Teile davon vor einem dänischen Nachlassgericht erfolgen soll, wenn der Verstorbene dänischer Staatsangehöriger war oder eine andere besondere Verbindung zu Dänemark hatte und Aktiva hinterlässt, die in eine Nachlassauseinandersetzung im Ausland nicht einbezogen werden. Dasselbe gilt, wenn der Verstorbene in Dänemark Aktiva hinterlässt, die in eine Nachlassauseinandersetzung im Ausland nicht mit einbezogen werden. Erfolgt die Nachlassauseinandersetzung aufgrund von § 2 Abs. 2 DSL vor einem dänischen Nachlassgericht (d.h. obwohl der Verstorbene "Ausländer in prozessualer Hinsicht" war), bedeutet dies in der Praxis aufgrund des Umstands, dass das dänische Erbkollisionsrecht dem Domizilprinzip (Rdn 15) folgt, dass das dänische Gericht ausländisches materielles Erbrecht zur Anwendung gelangen lässt. Ein dänisches Gericht wendet jedoch stets dänisches und kein fremdes Prozessrecht an.
Rz. 23
Nach § 2 Abs. 3 DSL muss der Antrag auf Nachlassauseinandersetzung nach § 2 Abs. 2 DSL beim Nachlassgericht des Ortes gestellt werden, in dessen Bezirk das Grundeigentum belegen ist bzw. wo sich sonstige Nachlassaktiva befinden. Befinden sich keine Aktiva (Grundeigentum oder sonstige Nachlassaktiva) in Dänemark, muss der Antrag beim Nachlassgericht des Gerichtsbezirks gestellt werden, in dem die Erben ihren Wohnsitz haben. In sonstigen Fällen ist der Antrag an das Stadtgericht Kopenhagen (Københavns Byret) zu richten. Dem Antrag ist grundsätzlich eine Einverständniserklärung aller Erben beizufügen (§ 2 Abs. 4 DSL).
Rz. 24
Die Nordische Nachlasskonvention (Rdn 10) enthält Sonderbestimmungen über die internationale Entscheidungszuständigkeit der Gerichte für den Fall, dass der Verstorbene Staatsangehöriger einer der nordischen Vertragsstaaten war, im Zeitpunkt des Todes aber sein Domizil in einem der anderen Vertragsstaaten hatte (Art. 1). Grundsätzlich sind die Gerichte in diesem Domizilstaat international zuständig (Art. 19 Abs. 1). Die Auseinandersetzung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft erfolgt allerdings in ihrer Gesamtheit in dem Staat, in dem der überlebende Ehegatte seinen Wohnsitz hat bzw. im Zeitpunkt seines Todes hatte (Art. 19 Abs. 2). Erbrechtliche Streitigkeiten können grundsätzlich vor einem Gericht eines anderen Staates als dem Wohnsitzstaat geführt werden, wenn zwischen den Parteien darüber Einigkeit herrscht und die Klage nicht bereits bei einem Gericht eines Vertragsstaates anhängig ist oder gewesen war (Art. 21 Abs. 2).