Gesetzestext
(1)Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt.
(2)Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war, gilt als vor dem Erbfall geboren.
A. Erbfähigkeit
Rz. 1
Erbfähig sind grundsätzlich die zur Zeit des Erbfalls lebenden natürlichen Personen und die in diesem Zeitpunkt existierenden juristischen Personen, soweit sie im Zeitpunkt des Erbfalls rechtsfähig waren. Für Stiftungen, die erst nach dem Tode des Stifters genehmigt werden, gilt nach § 84 BGB für die Zuwendung die Stiftung als bereits mit dem Tode entstanden. Erbfähig ist nach den §§ 124, 161 Abs. 2 HGB die OHG bzw. KG. Eine Erbfähigkeit der GbR ist in der Lit. und Rspr. in der Vergangenheit grundsätzlich abgelehnt worden. Hatte der Erblasser eine GbR zur Erbin bestimmt, so führte dies dazu, dass die Mitglieder der Gesellschaft Erben wurden. Nach der Entscheidung des BGH v. 29.1.2001 zur Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR wird in der Lit. nunmehr überwiegend eine Erbfähigkeit der GbR angenommen. Die Rechtsfähigkeit einer Erbengemeinschaft selbst wird aber von der Rspr. weiterhin abgelehnt. Nach dem Verweis in § 7 Abs. 2 PartGG kann auch die Partnerschaft freier Berufe erbfähig sein. Bei einem nicht rechtsfähigen Verein vertritt die h.M. die Auffassung, dass die Mitglieder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit erben, wobei nur der Vorstand zur Ausschlagung berechtigt ist.
B. Leben zum Zeitpunkt des Erbfalls
Rz. 2
Erben können grundsätzlich nur diejenigen Personen sein, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers leben (zum Erbrecht des nasciturus vgl. Rdn 3). Im Falle der Vor- und Nacherbschaft ist hinsichtlich der Person des Nacherben auf den Tod des Vorerben abzustellen. Verstirbt eine zum Nacherben bestimmte Person vor dem Vorerben, so vererbt sie selbst im Zweifel eine Anwartschaft (§ 2108 Abs. 2 BGB). Bestimmt der Erblasser zum Nacherben seine ehelichen Kinder, so sind damit auch diejenigen Kinder gemeint, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht geboren oder gezeugt sind, aber bis zum Tode des Vorerben noch geboren werden. Problematisch wird das Kriterium des Überlebens in den Fällen, in denen der Tod des Erblassers und des Bedachten aufgrund eines gleichen Ereignisses erfolgte und der Todeszeitpunkt nicht ermittelt werden kann (hierzu vgl. auch § 1922 Rdn 2).
C. Erbfähigkeit des nasciturus
I. Allgemeines
Rz. 3
Nach der Fiktion des § 1923 Abs. 2 BGB gilt auch der bereits Erzeugte als vor dem Erbfall geboren, wenn er nach dem Erbfall lebend zur Welt kommt. Bei ihm erfolgt der Anfall der Erbschaft allerdings erst mit der Geburt (§ 1942 BGB). Bis zur Geburt kann daher nach § 352a FamFG nur ein Teilerbschein erteilt werden. Für den nasciturus ist in diesen Fällen bis zur Geburt eine Pflegschaft nach den §§ 1912, 1960 BGB anzuordnen. Zwischenzeitlich kann nach Ansicht der Rspr. eine Ausschlagung der Erbschaft des nasciturus durch die Eltern auch vor der Geburt erfolgen. Eine Genehmigung ist nach Ansicht des LG Osnabrück nicht erforderlich. Das LG Berlin verneint hingegen eine Ausschlagungsmöglichkeit vor der Geburt. Im Fall einer Totgeburt gilt der zum Zeitpunkt des Erbfalls Nächstberufene als Erbe (§ 2094 BGB). Ein zum Zeitpunkt des Todes noch nicht Erzeugter ist im Zweifel als Nacherbe anzusehen (§ 2101 Abs. 1 BGB). Bis zur Geburt sind dann die gesetzlichen Erben Vorerben (§ 2105 BGB).
II. Anwendung des Abs. 2 auf In-Vitro-Fertilisation und künstliche Insemination
Rz. 4
Die h.M. wendet Abs. 2 auch auf die Fälle der künstlichen Insemination an. In den Fällen der In-Vitro-Fertilisation wird teilweise angenommen, dass ein Erzeugtsein i.S.d. § 1923 BGB erst vorliegt, wenn die befruchtete Eizelle im Mutterleib eingepflanzt ist. Nach Leipold genügt hingegen, wenn die Eizelle zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits befruchtet war, aber erst nach dem Erbfall in den Mutterleib implantiert wird. Ebenso soll Abs. 2 Anwendung finden, wenn die Eizelle zu Lebzeiten des Mannes mit dessen Samen imprägniert, der Befruchtungsvorgang aber erst nach seinem Tod vollendet wird. Auch wenn die Verwendung von Samen und Eizellen bereits verstorbener Personen nach §§ 4, 1 Embryonenschutzgesetz verboten ist, besteht nach Auffassung von Leipold ein gesetzliches Erbrecht.