Rz. 110

Da die Zuständigkeitsregeln der EuErbVO dem nationalen Recht vorgehen, sind die deutschen Nachlassgerichte für Maßnahmen der Nachlasssicherung dann zuständig, wenn eine allgemeine Zuständigkeit nach Art. 4 ff. EuErbVO gegeben ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes im Inland hatte (Art. 4 EuErbVO). Die internationale Zuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu beachten.[296]

 

Rz. 111

Daneben können gem. Art. 19 EuErbVO bei deutschen Nachlassgerichten die Sicherungsmaßnahmen des deutschen Rechts beantragt werden. Dies gilt auch für die von Amts wegen anzuordnenden Sicherungsmaßnahmen.[297] Sinn und Zweck von Art. 19 EuErbVO bestehen gerade darin, den Nachlassgerichten ohne zeitaufwendige Ermittlungen und rechtliche Prüfung zu ermöglichen, Sicherungsmaßnahmen nach nationalem Recht zu treffen.[298]

 

Rz. 112

Sofern eine internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte gegeben ist, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach den allg. Regeln der §§ 343 f. FamFG.[299] Ihrer Natur nach wird sich die Nachlasssicherung auf im Inland belegene Gegenstände beschränken.[300]

 

Rz. 113

Die Fragen, ob und welche Sicherungsmaßnahme zu ergreifen ist, sind nach deutschem Recht zu beantworten. Dementsprechend ist die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auch dann möglich, wenn das für die Beerbung geltende Recht eine solche nicht kennt.[301] Dies gilt auch dann, wenn sich die Beerbung nach ausländischem Recht richtet. Besonderheiten im ausländischen Recht sind ggf. durch Modifizierung der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen umzusetzen. Folgt der Erbfall z.B. ausländischem Recht und sieht dieses Recht nicht vor, dass dem Erben mit der Annahme die Erbschaft überantwortet wird, dann kann das deutsche Nachlassgericht auch bei bekanntem Erben über die Annahme hinaus für den Nachlass sorgen, wenn dafür ein Bedürfnis besteht.[302]

 

Rz. 114

Der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen dürfen keine Staatsverträge entgegenstehen.[303] Im Anwendungsbereich des deutsch-türkischen Konsularvertrags[304] besteht hinsichtlich des in der Türkei belegenen unbeweglichen Vermögens des Erblassers keine internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte, so dass insoweit auch keine Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden können.[305]

[297] MüKo/Leipold, § 1960 Rn 9 f.; Staudinger/Mesina, § 1960 Rn 4.
[298] Staudinger/Mesina, § 1960 Rn 4.
[299] MüKo/Leipold, § 1960 Rn 11.
[300] Staudinger/Mesina, § 1960 Rn 4.
[301] BGH v. 26.10.1967 – VII ZR 86/65, BGHZ 49, 1.
[302] MüKo/Leipold, § 1960 Rn 12 m.w.N.; Firsching/Graf, Nachlassrecht, § 41 Rn 64.
[303] Vgl. dazu Schulz/Hamberger, Handbuch Nachlasspflegschaft, § 1 Rn 72.
[304] Konsularvertrag zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich vom 28.5.1929, RGBl 1930, 747; RGBl 1931, 538; BGBl II 1952, 608.
[305] OLG Karlsruhe v. 17. 6.2013 – 14 Wx 84/11, ZEV 2014, 158. Zur möglichen Nachlassspaltung vgl. OLG Hamm v. 21.3.2019 – 10 W 31/17, BeckRS 2019, 8475.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge