Rz. 26
Steht dem Erben eine der Einreden des § 1990 BGB zu und erhebt er diese Einreden in der gebotenen Weise, beschränkt sich seine Haftung auf den Nachlass. Er kann die Befriedigung des Gläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht (Abs. 1 S. 1). In diesem Fall ist er jedoch verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben (Abs. 1 S. 2). Nach weitaus h.M. bedeutet die Formulierung des Gesetzes, dass der Erbe verpflichtet ist, die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zu dulden. Steht der allein als Vollstreckungsobjekt noch in Betracht kommende Nachlassgegenstand fest, ist zugleich von Amts wegen gem. Abs. 1 S. 2 die Duldung der Zwangsvollstreckung in diesen Gegenstand im Urteil selbst zu bestimmen. Das Recht, die Pflicht zur Herausgabe durch Zahlung des Wertes abzuwenden (§ 1973 Abs. 2 S. 2 BGB), ist in § 1990 BGB allerdings nicht vorgesehen, weshalb dies auch grundsätzlich nicht möglich ist. Gegenüber Vermächtnis- und Auflagegläubigern steht dem Erben das Recht jedoch zu (§ 1992 S. 2 BGB).
Rz. 27
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1990 BGB kann der Erbe auch den Weg der "Vollstreckungspreisgabe ohne Rechtsstreit", der freiwilligen Herausgabe des Nachlasses, wählen. Als Gegenstand der freiwilligen Herausgabe kommt zunächst vor allem Geld in Betracht. Der Nachlassgläubiger kann sich aus dem Geld auch ohne Zwangsvollstreckung befriedigen, da die Pfändung und Ablieferung an den Gerichtsvollzieher (§ 815 ZPO) überflüssig wäre. Aber auch auf andere Gegenstände als Geld kann sich natürlich die freiwillige Herausgabe beziehen. Dabei ist es nicht ausgeschlossen und wird es der Regelfall sein, dass die Gegenstände an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) herausgegeben werden. Der Erbe unterliegt bei seinen Handlungen insoweit der Verwalterhaftung nach § 1991 Abs. 1 BGB. Es besteht deshalb stets die Gefahr, dass ihm (später) von anderen Nachlassgläubigern entgegengehalten wird, er habe den ein oder anderen Gegenstand oder auch die Gesamtheit des Nachlasses "unter Wert" an den einen Nachlassgläubiger herausgegeben. Der Erbe wird, will er dieser Haftung entgehen, zweckmäßigerweise mit dem Übernehmer eine Vereinbarung dahingehend treffen, dass dieser die ihm übergebenden Gegenstände im Wege der öffentlichen Versteigerung verwertet und den Überschuss an den Nachlass auskehrt.
Rz. 28
Die freiwillige Herausgabe kann auch durch die Verpfändung einzelner Nachlassgegenstände geschehen. Die freiwillige Herausgabe zum Zwecke der Befriedigung des Nachlassgläubigers "im Wege der Zwangsvollstreckung" ist jedoch nur möglich, wenn zuvor ein Titel (etwa nach den §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 796a ff. ZPO) geschaffen worden ist.
Rz. 29
Herauszugeben ist der "Nachlass". Im Einzelnen bestimmt sich das, was als Nachlass hier in Frage kommt, und wieweit der Erbe für die Erfüllung seiner Herausgabepflicht haftet, nicht – wie bei § 1973 Abs. 2 S. 1 BGB – nach Bereicherungsrecht, sondern nach den strengeren Maßstäben der §§ 1978–1980, 1991 Abs. 1 BGB. Nach der h.M. ist der Erbe auch verpflichtet, unpfändbare Gegenstände (§ 811 ZPO) herauszugeben. Nach der Auffassung von Dobler sind unpfändbare Gegenstände nicht von der Pflicht zur Herausgabe umfasst. Dieser Auffassung ist zu folgen, weil der Gesetzeswortlaut dagegenspricht: nach ihm ist der "Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben". Eine Zwangsvollstreckung, die nach den Regeln der Zivilprozessordnung nicht zulässig ist, darf deshalb auch hier nicht erfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der Erbe den Nachlass vollständig herauszugeben habe, weil es sich um eine private Abwicklung des gesamten Nachlasses handele. Die Ablieferung auch der nicht pfändbaren Gegenstände sei der "Preis" hierfür. Allerdings dürfte sich der Meinungsstreit in der Praxis kaum auswirken, da § 811 ZPO die freiwillige Herausgabe nicht untersagt.