Rz. 7
Die Dürftigkeitseinrede setzt voraus, dass eine die Kosten der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens deckende Masse fehlt (§ 1982 BGB; § 26 Abs. 1 InsO) und deshalb die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht "tunlich" ist oder dass aus diesem Grund die Nachlassverwaltung aufgehoben (§ 1988 Abs. 2 BGB) oder das Insolvenzverfahren eingestellt (§ 207 Abs. 1 InsO) ist (Abs. 1 S. 1). Die Überschuldung des Nachlasses ist – im Gegensatz zu § 1992 BGB – nicht Voraussetzung zur Anwendung des § 1990 BGB. Es ist ausreichend, dass die Nachlassaktiva so gering sind, dass die Kosten der genannten Verfahren nicht gedeckt sind; sprich nicht vorgeschossen werden können.
Rz. 8
Darlegungs- und beweispflichtig für die Dürftigkeit des Nachlasses ist der Erbe. Dies kann er durch die Vorlage entsprechender Entscheidungen des Nachlass- bzw. Insolvenzgerichts tun. Eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Er kann dies aber auch auf andere Weise, z.B. durch eine Inventarerrichtung nach § 2006 BGB dartun, dass eine die Kosten der Verfahren deckende Masse nicht vorhanden ist. Der Erbe hat jedenfalls grundsätzlich zu allen zzt. des Erbfalls vorhandenen Nachlassgegenständen und deren Verbleib vorzutragen. Hat das Nachlassgericht mangels Masse die Nachlassverwaltung aufgehoben (§ 1988 Abs. 2 BGB) oder das Insolvenzgericht das Nachlassinsolvenzverfahren eingestellt (§ 207 Abs. 1 InsO), hat die nämliche Entscheidung Tatbestandswirkung für das Gericht, das über die Einrede zu entscheiden hat. Es ist an diese Entscheidung gebunden mit der Folge, dass ein weiterer Vortrag des Erben nicht erforderlich ist. Das gilt auch dann, wenn die Anordnung der Nachlassverwaltung (§ 1982 BGB) oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt (§ 26 Abs. 1 InsO) worden ist (§ 1982 BGB). Die Bindungswirkung muss jedoch dann entfallen, wenn nach der Ablehnung der Eröffnung der Verfahren oder nach der Anordnung der Nachlassverwaltung weitere Nachlassaktiva auftauchen. Denn in diesen Fällen kann – erneut – ein Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung bzw. Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt werden.
Rz. 9
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Feststellung, ob die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht tunlich und ob der Nachlass unzulänglich ist, ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Einrede, Es kommt weder auf den Zeitpunkt des Erbfalls noch auf denjenigen der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs oder der Einrede an. Auch wenn die Einrede zunächst unbegründet war, aber infolge nachfolgender Veränderungen begründet wurde, hat das Gericht sie zu beachten.
Rz. 10
Neben der Beschränkbarkeit der Haftung (siehe oben Rdn 6) setzt § 1990 BGB voraus, dass der Erbe dem Nachlassgläubiger nur mit dem Nachlass haftet. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, d.h. nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit dem eigenen Vermögen. Er kann seine Haftung aber auf den Nachlass beschränken (§§ 1975 ff. BGB). Voraussetzung der Beschränkung der Haftung auf den Nachlass ist ganz allgemein, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) in Anspruch genommen wird. Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, kommt eine Haftungsbeschränkung nicht in Betracht. (Zu den Nachlassverbindlichkeiten im Einzelnen vgl. § 1967 Rdn 5–32.) Bei dem Bereicherungsanspruch gegen den Erben wegen nach dem Tod des Berechtigten geleisteter Rentenzahlungen handelt es sich nicht um eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 BGB. Soweit der Erbe für eine Nachlassschuld auch mit seinem Eigenvermögen einzustehen hat, im Falle der Nachlasserbenschuld (vgl. § 1967 Rdn 26 ff.), hilft ihm die Berufung auf § 1990 BGB nicht. Die Tatsache, dass der Erbe durch die Anordnung eines Quotenvermächtnisses bedacht ist, steht der Dürftigkeitseinrede des Erben nicht entgegen. Der Erbe kann gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Nichterben sowohl die verlangte Einholung eines Wertgutachtens i.S.d. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB als auch die eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB gem. § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können, nicht vorhanden ist. Die Beitragsschuld gem. § 6 Abs. 1 S. 1 KAG des Landes Sachsen-Anhalt ist keine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 BGB, sondern eine eigene Verbindlichkeit des Grundstückeigentümers, die insoweit der Haftungsbeschränkung nach § 1990 BGB unterliegt, als sowohl die sachliche als auch die persönliche Beitragspflicht erst nach dem Tode des Erblassers entstanden sind.