Rz. 13
Die Folge der Versäumung der ihm gesetzten Inventarfrist ist, dass der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkbar haftet mit den sich aus § 2013 Abs. 1 BGB ergebenden Folgen. Auf ein Verschulden des Erben kommt es grundsätzlich nicht an. Unter den Voraussetzungen des § 1996 Abs. 1 BGB – höhere Gewalt oder unverschuldete Unkenntnis der Anordnungsverfügung – kann dem Erben jedoch eine neue Inventarfrist gesetzt werden. Nicht voll geschäftsfähige Erben werden durch §§ 1997 und 1999 sowie § 1629a BGB geschützt. Gibt es mehrere Erben, haftet nur derjenige Erbe unbeschränkt, der die ihm gesetzte Frist versäumt hat. Ein verspätet eingereichtes Inventar wendet die Folgen der Fristversäumnis nicht mehr ab.
Rz. 14
Die unbeschränkte Haftung tritt grundsätzlich gegenüber allen Nachlassgläubigern ein, nicht nur gegenüber demjenigen, der die Inventarfrist hatte setzen lassen. Keine Rolle spielt die Unterscheidung von Erblasser- und Erbfallschulden. Nach h.M. verliert der Erbe das Recht zur Haftungsbeschränkung auch gegenüber denjenigen Nachlassgläubigern, deren Forderung erst nach Fristablauf entsteht. Kein Verlust der Haftungsbeschränkung tritt allerdings gegenüber solchen Nachlassgläubigern ein, denen gegenüber der Erbe schon vorher, z.B. durch Ausschluss im Aufgebotsverfahren (§ 1973 BGB) oder infolge gleichstehender Säumnis (§ 1974 BGB) die Beschränkung seiner Haftung erlangt hatte.
Rz. 15
Einzelheiten ergeben sich aus § 2013 BGB: Der Erbe kann nicht mehr die Anordnung der Nachlassverwaltung beantragen; eine Haftungsbeschränkung nach §§ 1973, 1974 BGB kann der Erbe nicht mehr herbeiführen bzw. kann nicht mehr eintreten; ein Nachlassinsolvenzverfahren bleibt möglich, führt aber nicht mehr zu einer Haftungsbeschränkung und auch nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO, wenn der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet; die Einreden der Dürftigkeit und der Überschwerung des Nachlasses (§§ 1990, 1992 BGB) sind ausgeschlossen; die aufschiebenden Einreden der §§ 2014, 2015 BGB (vgl. § 2016 Abs. 1 BGB) und das Recht, das Aufgebot der Nachlassgläubiger (§ 991 Abs. 1 ZPO) oder die Zwangsversteigerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks (§ 175 Abs. 2 ZVG) zu beantragen, sind ebenfalls ausgeschlossen.
Rz. 16
Nicht erfasst von den dargestellten Wirkungen der Fristversäumnis wird das Verhältnis der Miterben untereinander (§ 2063 Abs. 2 BGB) sowie dasjenige des Vorerben zum Nacherben (§ 2144 Abs. 3 BGB). Hier wirkt sich aus, dass jeder Miterbe und auch der Vorerbe selbst in der Lage ist, ein Inventar zu errichten und sich über den Bestand des Nachlasses zu informieren. Der Verlust des Rechts des Erben, die Haftung zu beschränken, tritt kraft Gesetzes (ipso iure) mit der Säumnis ein. Das Nachlassgericht ist deshalb nicht verpflichtet, eine entsprechende Feststellung zu treffen. Ob die Inventarfrist gewahrt worden ist, entscheidet im Streitfall nicht das Nachlassgericht, sondern das Prozessgericht; und zwar in dem Prozess zwischen Nachlassgläubiger und dem/den Erben. Die Darlegungs- und Beweislast trägt, wie sich aus Abs. 1 S. 2 ergibt, der Erbe. Das Prozessgericht ist an Feststellungen und rechtliche Wertungen, die das Nachlassgericht etwa zur Erbenstellung oder zur Wirksamkeit einer Ausschlagung getroffen haben mag, nicht gebunden. Auch wenn der Erbe die Frist zur Errichtung des Inventars in dem Glauben versäumt, er sei nicht Erbe, verliert er gleichwohl das Recht der Haftungsbeschränkung. Der Erbe kann sich auch nicht darauf berufen, es seien keine Werte vorhanden.
Rz. 17
Die Folgen der Fristversäumnis können schließlich auch geschäftsunfähige und in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkte Erben zu tragen haben. Das Gesetz versucht, diesen Personenkreis durch einige Maßnahmen zu schützen: Die Zustellung der Fristsetzung ist an den gesetzlichen Vertreter vorgeschrieben (§ 170 ZPO); das Nachlassgericht soll dem Familiengericht von der Fristsetzung Mitteilung machen (§ 1999 S. 1 BGB); ist der geschäftsunfähige oder in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkte Erbe ohne einen gesetzlichen Vertreter, beginnt die Frist erst mit der Bestellung eines solchen und Zustellung an diesen zu laufen (§§ 210 Abs. 1 S. 2, 1995, 1997 BGB). Der Minderjährige, der die Haftungsbeschränkung derart verloren hat, kann sich nach Eintritt der Volljährigkeit auf § 1929a Abs. 1 BGB berufen.