Gesetzestext
(1)1Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag eines Nachlassgläubigers zur Errichtung des Inventars eine Frist (Inventarfrist) zu bestimmen. 2Nach dem Ablauf der Frist haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt, wenn nicht vorher das Inventar errichtet wird.
(2)1Der Antragsteller hat seine Forderung glaubhaft zu machen. 2Auf die Wirksamkeit der Fristbestimmung ist es ohne Einfluss, wenn die Forderung nicht besteht.
A. Allgemeines
Rz. 1
Die Bestimmung fügt dem § 1993 BGB eine weitere gesetzliche Definition – und zwar diejenige der Inventarfrist – hinzu: "Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag eines Nachlassgläubigers zur Errichtung des Inventars eine Frist (Inventarfrist) zu setzen." (Abs. 1). Sie ist damit einer richterliche, keine gesetzliche Frist. Durch die Inventarfrist wird dem Erben eine "Pflicht" zur Errichtung des Inventars gesetzt, wenngleich er zur Errichtung desselben nicht gezwungen werden kann. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, den Nachlassgläubigern, in denjenigen Fällen, in denen der Erbe ihnen nur noch mit dem Nachlass haftet (vgl. §§ 1973–1975, 1989, 1990–1992 BGB), zu ermöglichen, den ursprünglichen Bestand des Nachlasses zuverlässig festzustellen. Das Inventar erleichtert so auch die Zwangsvollstreckung in Gegenstände des Nachlasses sowie die Inanspruchnahme des Erben (§§ 1978–1980 BGB) bei eventuell festgestellten Änderungen im Nachlassbestand. Die Inventarfrist stellt sich aus der Sicht des Nachlassgläubigers auch als ein "Druckmittel" dar, den Erben zur Erhaltung des Nachlasses zu veranlassen. Die Nachlassgläubiger haben aber nicht nur in den Fällen, in denen der Erbe bereits beschränkt haftet, ein Interesse an der Errichtung des Inventars, sondern bereits in der Zeit davor. So kann das Inventar durchaus zur Vorbereitung der Entscheidung dienen, die Nachlassverwaltung (§ 1981 Abs. 2 BGB) oder auch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen (§§ 317, 319 InsO).
B. Tatbestand
I. Voraussetzungen der Fristbestimmung
Rz. 2
Die Inventarfrist wird nur auf Antrag eines Nachlassgläubigers gesetzt (Abs. 1 S. 1). Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts (§ 25 FamFG) erklärt werden. Antragsberechtigt ist grundsätzlich jeder Nachlassgläubiger i.S.v. § 1967 BGB, auch der Pflichtteilsberechtigte, der Vermächtnisnehmer und der Auflageberechtigte sowie der Pfandgläubiger, der die Nachlassforderung gepfändet hat. Nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss neu begründete Wohngeldschulden sind keine reinen Eigenschulden des Erben, sondern entweder Nachlasserbenschulden – also bei der Verwaltung des Nachlasses entstandene Verbindlichkeiten, die eine Doppelstellung haben, nämlich sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch (soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen) Nachlassverbindlichkeiten darstellen – oder (ausnahmsweise) reine Nachlassverbindlichkeiten. Dann aber ist die Wohnungseigentümergemeinschaft Nachlassgläubigerin i.S.d. Abs. 1 S. 1 und damit zur Antragstellung befugt.
Rz. 3
Ein Pflichtteilsberechtigter, der nicht Erbe ist, hat außerdem einen klagbaren Anspruch aus § 2314 BGB auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses (§ 260 BGB), das ggf. durch eidesstattliche Versicherung zu bekräftigen ist (§ 260 Abs. 2 BGB). Dieser Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Pflichtteilsberechtigte auch dem Erben eine Inventarfrist setzen lassen kann (§§ 1994 Abs. 1 S. 1, 2006 Abs. 1 BGB). Hat der Erbe (bereits) ein Inventar nach §§ 1993, 1994 BGB vorgelegt, kann der Pflichtteilsberechtigte auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit dieses Inventars klagen. Daneben kann er auch einen Antrag nach § 2006 BGB (Abgabe der eidesstattlichen Versicherung) stellen. Klage auf Vorlage eines gesonderten Bestandsverzeichnisses bedarf es (dann) nicht.
Rz. 4
Ob auch ein nach §§ 1973, 1974 BGB ausgeschlossener Nachlassgläubiger antragsberechtigt ist, ist sehr umstritten. Die (wohl) h.M. gesteht ihnen ein solches Antragsrecht zu Recht zu. Zwar kann im Verhältnis zu einem ausgeschlossenen Gläubiger durch Versäumung der Inventarfrist oder durch Inventaruntreue keine unbeschränkte Haftung mehr eintreten (§ 2013 Abs. 1 S. 2 BGB). Sinn und Zweck der Inventarfrist erschöpfen sich jedoch nicht in der Rechtsfolge der unbeschränkten Haftung bei Inventarverfehlungen. Sie dient auch dazu, den Nachlassgläubigern die Verfolgung ihrer Ansprüche gegen den Nachlass zu erleichtern (siehe oben Rdn 1). Dieser Zweck gilt auch im Verhältnis zu einem nach § 1973 BGB ausgeschlossenen Nachlassgläubigern. Er bleibt z.B. berechtigt, Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen. Das Inventar kann ihm die Entscheidung zur Antragstellung in diesen Verfahren erleichtern. Er hat Anspruch darauf, vor den Pflichtteils- und Vermächtni...