Rz. 2
Der Erbe verliert sein Recht zur Beschränkung der Haftung in drei Fällen: wenn er absichtlich eine erhebliche Unvollständigkeit der im Inventar enthaltenen Angabe bzgl. der Nachlassgegenstände (§ 2001 BGB) herbeiführt (Abs. 1 S. 1 Alt. 1); wenn er in der Absicht, die Nachlassgläubiger zu benachteiligen, die Aufnahme einer nicht bestehenden Nachlassverbindlichkeit bewirkt (Abs. 1 S. 1 Alt. 2) und wenn er im Falle des § 2003 BGB die Erteilung der Auskunft verweigert oder absichtlich in erheblichem Maße verzögert (Abs. 1 S. 2).
I. Absichtlich unvollständige Angabe der Nachlassgegenstände
Rz. 3
Voraussetzung ist zunächst, dass eine objektiv erhebliche Unvollständigkeit vorliegt. Der Erbe muss demnach (subjektiv) Nachlassgegenstände in erheblichem Umfang – also von erheblichem Wert – verschweigen. Eine unrichtige Beschreibung der vollständig aufgeführten Nachlassgegenstände, unrichtige Wertangaben (vgl. § 2001 Abs. 2 BGB) oder die Nennung tatsächlich nicht vorhandener Nachlassgegenstände erfüllen den Tatbestand nicht. Absicht bedeutet mehr als nur Vorsatz. Der Erbe muss mit der Unvollständigkeit einen über das Inventar hinausgehenden Zweck – z.B. die Schädigung von Nachlassgläubigern, Täuschung der Steuerbehörden, Benachteiligung eines Miterben – verfolgt haben. Eine Benachteiligungsabsicht in Bezug auf die Nachlassgläubiger ist allerdings nicht erforderlich.
II. Aufnahme nicht bestehender Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 4
Zwar bezieht sich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Inventars im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern (§ 2009 BGB) nicht auf die Nachlassverbindlichkeiten (Passiva; vgl. § 2009 Rdn 3). Nimmt der Erbe jedoch tatsächlich nicht bestehende Nachlassverbindlichkeiten in das Inventar auf, ist dies geeignet, den Nachlassgläubigern eine Überschuldung des Nachlasses vorzuspiegeln und sie hierdurch z.B. zum Abschluss eines für sie nachteiligen Vergleichs zu bewegen. Der Erbe muss in der Absicht gehandelt haben, die Nachlassgläubiger zu benachteiligen. Nimmt der Erbe wissentlich eine bestehende Nachlassverbindlichkeit nicht auf, führt dies nicht zum Verlust des Rechts zur Haftungsbeschränkung.
Rz. 5
Weitere Folgen: Abgesehen von dem Verlust des Rechts zur Haftungsbeschränkung macht sich der Erbe, wenn die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, u.U. nach § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB wegen Bankrotts strafbar. Ihm droht in diesen Fällen im Nachlassinsolvenzverfahren die Versagung der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans nach § 250 Nr. 2 InsO.
III. Verweigerung und Verzögerung der Auskunft
Rz. 6
Der Erbe verliert sein Haftungsbeschränkungsrecht auch dann, wenn er die amtliche Aufnahme des Inventars gem. § 2003 BGB beantragt hat und die Erteilung der erforderlichen Auskunft (§ 2003 Abs. 2 BGB) verweigert oder absichtlich in erheblichem Maße verzögert. Ungeschriebene Voraussetzung ist insoweit, dass dem Erben Inventarfrist gesetzt worden ist (§ 1994 Abs. 1 BGB) und diese Frist bereits zu laufen begonnen hat. Nach der h.M. wird dieser Fall nicht als ein Fall der Inventaruntreue, sondern der Fristversäumung (§ 1994 BGB) angesehen. Denn der Antrag auf amtliche Aufnahme des Inventars gem. § 2003 Abs. 1 BGB wahrt zunächst die Inventarfrist (§ 2003 Abs. 1 S. 2 BGB). Dadurch nun, dass der Erbe die erforderlichen Auskünfte nicht oder nur verzögert erteilt, könnte er die Errichtung des Inventars (gleichwohl) verhindern oder erschweren. Er soll deshalb so behandelt werden, als wenn er die Errichtung des Inventars innerhalb der gesetzten Frist unterlassen hätte. Es wird deshalb verlangt, dass die Auskunft noch zur Zeit des Ablaufs der (durch die Antragstellung zunächst gewahrten) Frist verweigert bzw. erheblich über diesen Zeitraum hinaus verzögert wird.
Rz. 7
Nach dem Zweck der Regelung tritt die unbeschränkte Haftung dann nicht ein, wenn sich die Auskunftsverweigerung auf unwesentliche Punkte bezieht, so z.B. auf das Verschweigen nicht wesentlicher zum Nachlass gehörender Gegenstände; die von dem Erben zunächst verweigerte oder verzögerte Auskunft deshalb nicht erforderlich (§ 2003 Abs. 2 BGB) ist, weil sie – vor dem Ablauf der dem Erben gesetzten Inventarfrist – in hinreichender Weise von anderer Seite (z.B. anderer Erbe, Ehefrau des Erben) erteilt wurde; der Erbe selbst rechtzeitig ein Inventar aufgenommen (§ 2002 BGB) und beim Nachlassgericht eingereicht hat; ein Dritter ein Inventar errichtet hat, das dem Erben zustattenkommt (etwa: §§ 2008 Abs. 1 S. 3, 2063 Abs. 1, 2144 Abs. 2 und 2383 Abs. 2 BGB).