Gesetzestext
Wer die Erbschaft durch Vertrag von einem Erbschaftsbesitzer erwirbt, steht im Verhältnis zu dem Erben einem Erbschaftsbesitzer gleich.
A. Allgemeines
Rz. 1
Mit der Regelung in § 2030 BGB werden die Ansprüche des Erben gem. §§ 2018–2029 BGB auf die Fälle des Erbschaftskaufs und der Anteilsübertragung erweitert. Der Erbe erhält durch die Regelung des § 2030 BGB die Möglichkeit, auch von dem Dritten, der die Erbschaft bzw. die einzelnen Erbschaftsgegenstände durch Erbschaftskauf oder Anteilsübertragung von dem nichtberechtigten Erbschaftsbesitzer erworben hat, die Erbschaft als Ganzes herauszuverlangen. Der Erbe wäre sonst nur in der Lage, seine Ansprüche im Wege der Einzelklage(n) geltend zu machen.
B. Tatbestand
I. Erbschaftskauf und Anteilsübertragung
Rz. 2
§ 2030 BGB regelt zwei Fälle: zum einen den Fall, in dem der Erbschaftserwerber im Anschluss an den mit dem Erbschaftsbesitzer auf Veräußerung der ganzen Erbschaft gerichteten Kaufvertrag (Erbschaftskauf, §§ 2371, 2385 BGB) von diesem tatsächlich Erbschaftsgegenstände aufgrund entsprechender Verfügungen erhalten hat. Denn "die Erbschaft" an sich kann nicht "durch Vertrag erworben" werden, vielmehr können lediglich die einzelnen Erbschaftsgegenstände nach den für sie geltenden Vorschriften übertragen werden. Zum anderen regelt § 2030 BGB den Fall, in welchem der Erbschaftsbesitzer dem Erbschaftserwerber seinen angeblichen Erbteil übertragen (Anteilsübertragung, §§ 1922 Abs. 2, 2033 Abs. 1 BGB) bzw. sich zur Übertragung verpflichtet hat und der Erbschaftserwerber daraufhin etwas aus der Erbschaft erlangt, also zumindest Mitbesitz. Die Vorschrift des § 2030 BGB ist im Wege der Analogie auch auf solche Fälle anzuwenden, in denen die Erbschaft nicht durch Vertrag unter Lebenden, sondern aufgrund eines Vermächtnisses in einer letztwilligen Verfügung des Erbschaftsbesitzers in den Besitz eines Dritten gelangt.
II. Verkauf von wesentlichen Nachlassgegenständen
Rz. 3
§ 2030 BGB findet keine Anwendung, wenn lediglich wesentliche Nachlassgegenstände als Einzelsachen verkauft werden, ohne dass dem Erwerber damit "die Sorge um die Abwicklung des Nachlasses" anvertraut wird. Es ist vielmehr erforderlich, dass ein Erbschaftskauf (Veräußerung der Erbschaft als Ganzes) oder eine Erbteilsanteilsübertragung Hintergrund für die (Mit-)Inbesitznahme von Nachlassgegenständen durch den Dritten waren.
III. Erbschaftserwerber
Rz. 4
Anspruchsgegner des Erben ist nach § 2030 BGB derjenige, an den der Erbschaftsbesitzer die Erbschaft als Ganzes verkauft oder dem er seinen angeblichen Erbteil übertragen hat. Voraussetzung ist allerdings, dass der Erbschaftserwerber aufgrund dieses Vertrages tatsächlich Erbschaftsgegenstände an sich gebracht und damit i.S.v. § 2018 BGB "etwas aus der Erbschaft erlangt" hat.
IV. Kein formgültiges Rechtsgeschäft erforderlich
Rz. 5
Str. ist, ob die Anwendung des § 2030 BGB ein formgültiges Rechtsgeschäft verlangt. Dies ist mit der h.M. zu verneinen. Das Schutzbedürfnis des Erben wird durch die Formnichtigkeit des Erbschaftskaufs kaum verringert. Auch ein formnichtiger Erbschaftskaufvertrag wird regelmäßig vollzogen werden. Bei der Übertragung eines Erbteils wird durch eine Beurkundung des Übertragungsgeschäftes ein Formmangel des schuldrechtlichen Kaufvertrages ohnehin geheilt.
C. Rechtsfolgen
I. Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs
Rz. 6
Der Erbschaftserwerber kann sich wie der Erbschaftsbesitzer nicht auf die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 892 f., 932 ff., 2366 f. BGB) der Erbschaft als Ganzes berufen. Wer hingegen nur einzelne Sachen vom Erbschaftsbesitzer erwirbt, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen der sachenrechtlichen (§§ 892, 932 ff. BGB) und erbrechtlichen (§ 2366 BGB) Vorschriften gutgläubig erwerben. Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Erwerb beweglicher Sachen von dem Erbschaftsbesitzer an der Vorschrift des § 935 BGB scheitern kann.
II. Gleichstellung des Erbschaftserwerbers mit dem Erbschaftsbesitzer
Rz. 7
Der Erbschaftserwerber wird mit dem Erbschaftsbesitzer durch § 2030 BGB gleichgestellt, so dass auf ihn grundsätzlich sämtliche Vorschriften der §§ 2018–2029 BGB anzuwenden sind. Die Herausgabepflicht des Erwerbers erstreckt sich also auch auf die Surrogate (§ 2019 BGB), die Nutzungen (§ 2020 BGB) und die Bereicherung (§ 2021 BGB). Der Erwerber haftet aber immer nur in dem Umfang, wie er selbst etwas "aus der Erbschaft erlangt" hat. Er haftet also z.B. nicht für die Herausgabe von Nachlasssachen, die bereits durch den Erbschaftsbesitzer verbraucht oder zerstört wurden. Der Erwerber haftet auch nur dann nach §§ 2024, 2025 BGB verschärft, wenn die Voraussetzungen für die Haftungsverschärfung gerade in seiner Person erfüllt sind. Sind Ansprüche des Erben gegenüber dem Erbschaftsbesitzer bereits rechtshängig, tangiert dies nicht die Haftung des Erwerbers. Der Erwerber kann neben seinen eigenen Verwendungen auch die Verwendungen des Erbschaftsbesitzers anal...