Rz. 35
Wird eine Erbengemeinschaft vertreten, hat der Anwalt größtmögliche Sorgfalt darauf zu verwenden, dass er nicht einmal in den Verdacht des Parteiverrats gerät. Das Risiko der Interessenkollision bei Vertretung mehrerer Personen einer Erbengemeinschaft ist immens. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung vieler Anwälte ist der Gleichlauf der Interessen der Ausnahmefall. Die in der Praxis hier zu beobachtende fehlende Sensibilität, die teilweise sogar noch fälschlich von den Anwaltskammern gestützt wird, erstaunt teilweise, manches Mal erschüttert sie. § 43a Abs. 1 BRAO normiert, dass der "Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten" darf. Hinzu kommt die grundsätzlich vornehmste Aufgabe des Anwalts, für seinen Mandanten dessen Rechte in jeder Hinsicht optimal zu vertreten. In der Erbengemeinschaft geht dies häufig jedoch zum Nachteil anderer Mitglieder der Erbengemeinschaft. Gerade wenn Abkömmlinge und pflichtteilsberechtigte Miterben vertreten werden, sind möglicherweise unterschiedliche Interessen i.R.d. Anrechnung und Ausgleichung gem. §§ 2050 ff., 2315, 2316 BGB zu berücksichtigen. Teilweise wird hier argumentiert, dass der Anwalt so lange mehrere Parteien vertreten dürfe, wie der Interessengegensatz nicht "offen zu Tage trete". Es ist jedoch gerade Aufgabe des Anwalts, die unterschiedlichen Möglichkeiten – und somit den Interessengegensatz – aufzuzeigen. Nur weil der Anwalt dies – pflichtwidrig – unterlässt, kann er daraus nicht die für ihn günstige Folgerung ziehen, dass er Mandanten mit – potentiell – unterschiedlichen Interessen vertreten dürfe.
Rz. 36
Allein wegen der Erhöhungsgebühr der Nr. 1008 VV RVG bzw. des möglicherweise höheren Gegenstandswertes eine Straftat zu riskieren steht in keinem Verhältnis. Dies insbesondere auch deswegen nicht, da der Anwalt, der seine Partei verrät, darüber hinaus seinen Gebührenanspruch verliert. Wer dann sogar noch meint, dass die Möglichkeit, eine Erhöhungsgebühr zu berechnen, zeigen würde, dass auch Mandanten mit – potentiell – unterschiedlichen Interessen vertreten werden dürfen, sollte seine Berufswahl überdenken. Stellt sich der Interessengegensatz erst im Laufe des Mandats heraus, sind sämtliche Mandate niederzulegen. Es darf nicht etwa i.S.d. "Rosinentheorie" ein Mandant ausgewählt werden, der dann weiter vertreten wird, womöglich dann noch aktiv gegen die vormaligen Mandanten. Gerade im Erbrecht – sowohl in der Gestaltung als auch in der streitigen Auseinandersetzung – sollte der Anwalt im Zweifel lediglich einen Mandanten vertreten.