Gesetzestext
(1)1Ist der verkaufte Anteil auf den Käufer übertragen, so können die Miterben das ihnen nach § 2034 dem Verkäufer gegenüber zustehende Vorkaufsrecht dem Käufer gegenüber ausüben. 2Dem Verkäufer gegenüber erlischt das Vorkaufsrecht mit der Übertragung des Anteils.
(2)Der Verkäufer hat die Miterben von der Übertragung unverzüglich zu benachrichtigen.
A. Allgemeines
Rz. 1
Im Gegensatz zum lediglich schuldrechtlichen Vorkaufsrecht stärkt § 2035 BGB zusammen mit § 2037 BGB die Rechte der vorkaufsberechtigten Miterben. Nach Übertragung des Anteils ist das Vorkaufsrecht gegenüber dem Käufer geltend zu machen. Abs. 1 weicht damit von § 464 Abs. 1 S. 1 BGB ab.
B. Tatbestand
Rz. 2
Verkäufer ist der veräußernde Miterbe. Die Übertragung des Anteils erfolgt durch Einigung zwischen verkaufendem Miterben und Käufer und Übergabe, § 929 BGB. Regelmäßig wird dies zusammen mit dem Verpflichtungsgeschäft in derselben Urkunde vereinbart werden, notwendig ist es jedoch nicht. Die Formulierung "können ausüben" ist missverständlich und lässt zunächst vermuten, dass die Miterben alternativ das Vorkaufsrecht entweder gegenüber Verkäufer oder Käufer ausüben können. Abs. 1 S. 2 stellt jedoch klar, dass das gegenüber dem Verkäufer bestehende Vorkaufsrecht erlischt. Die Miterben haben also keine Wahlmöglichkeit, sondern müssen das Vorkaufsrecht nach der Übertragung gegenüber dem Käufer ausüben. Der Fristlauf des § 2034 Abs. 2 S. 1 BGB wird durch die Übertragung und die Mitteilung hiervon nicht beeinflusst, es ändert sich lediglich der Erklärungsempfänger.
Rz. 3
Ist das Vorkaufsrecht bereits zuvor gegenüber dem Verkäufer ausgeübt worden, so bedarf es keiner nochmaligen Erklärung gegenüber dem Käufer nach der Übertragung.
I. Erlöschen des Vorkaufrechts
Rz. 4
Abs. 1 S. 2 ergänzt die irreführende "Kann"-Formulierung des Abs. 1 S. 1. Da das Vorkaufsrecht gegenüber dem Verkäufer nicht mehr besteht, bleibt den Miterben ausschließlich noch die Möglichkeit, gegenüber dem Käufer das Vorkaufsrecht auszuüben.
II. Unverzüglich benachrichtigen
Rz. 5
Der Verkäufer muss die Miterben unverzüglich i.S.v. § 121 BGB benachrichtigen. An die Benachrichtigung sind keine besonderen Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist keine Form zu beachten. Die Person des Käufers und künftigen Erklärungsempfängers hat sich bereits zuvor aus der Erklärung nach § 2034 Abs. 2 S. 1 BGB zu ergeben. Voraussetzung für den Lauf der Frist des § 2034 Abs. 2 S. 1 BGB ist ohnedies die ordnungsgemäße Mitteilung vom Verkauf (siehe hierzu § 2034 Rdn 13).
C. Rechtsfolgen
I. Nach Ausübung
Rz. 6
Zwischen den das Vorkaufsrecht ausübenden Miterben und dem Käufer kommt kein Kaufvertrag zustande. Vielmehr entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, kraft dessen der Käufer verpflichtet ist, den von ihm erworbenen Anteil auf die Miterben zu übertragen, während diese ihm den von ihm an den verkaufenden Miterben etwa schon bezahlten Kaufpreis und Aufwendungen entsprechend §§ 1100, 1101 BGB zu erstatten haben.
II. Übertragung trotz vorhergehender Ausübung gegenüber dem Verkäufer
Rz. 7
Im Gesetz findet sich keine Regelung, falls der Verkäufer trotz vorhergehender Ausübung des Vorkaufsrechts den Anteil auf den Käufer überträgt. Um dieser planwidrigen Lücke zu begegnen, wird Abs. 1 S. 1 analog angewendet, so dass dem vorkaufsberechtigten Miterben gegen den Erwerber ein Anspruch auf Rückübereignung des übertragenen Erbteils zusteht.
D. Steuerrechtliche Fragen
Rz. 8
Siehe hierzu § 2034 Rdn 22.
E. Haftungsfallen
Rz. 9
Für den Rechtsanwalt des vorkaufsberechtigten Miterben ist es wichtig, darauf zu achten, die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem "richtigen" Erklärungsempfänger auszuüben. Ist das Vorkaufsrecht gem. Abs. 1 S. 2 erloschen, so wäre ein gleichwohl erklärtes Vorkaufsrecht unwirksam, wenn der Vorkaufsberechtigte zuvor von der Übertragung benachrichtigt worden ist. Ferner muss der Rechtsanwalt durch geeignete Maßnahmen (Zustellung durch Gerichtsvollzieher) dafür sorgen, dass die rechtzeitige Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem richtigen Erklärungsempfänger beweiskräftig festgestellt ist. Sofern der Rechtsanwalt die Erklärung der Ausübung des Vorkaufrechts für seinen Mandanten vornimmt, sollte eine Vollmacht des Mandanten im Original beigefügt sein. Andernfalls kann der Empfänger die Erklärung gem. § 174 Abs. 1 S. 1 BGB zurückweisen.
F. Angrenzende Rechtsgebiete und -fragen (Rechtsschutzversicherung)
Rz. 10
Zur Reichweite des Risikoausschlusses "Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Erbrechts" gem. § 4 Abs. 1 lit. i ARB 75 (Rechtsschutzversicherung) siehe § 2033 Rdn 27.