Rz. 14

"Ordnungsgemäße" Verwaltung umfasst gem. Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 745 BGB alle Maßnahmen, die der Beschaffenheit des betreffenden Nachlassgegenstandes und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen.[17] Die Frage der Ordnungsmäßigkeit ist an dem Verhalten einer verständigen Person in der gleichen Situation zu beurteilen.[18] Maßgebend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers zum Zeitpunkt, in dem die Handlung vorgenommen werden soll.[19] "Vernünftig" und "wirtschaftlich" ist es, bei mehreren Wegen, die zum gleichen Erfolg führen, den einfacheren und leichteren Weg zu wählen.[20] Die einem Miterben zustehende Nutzungsquote und das Vermögen der Gemeinschaft dürfen weder gefährdet noch gemindert werden.[21] Eine wesentliche Veränderung des Nachlassgegenstandes ist keine ordnungsgemäße Verwaltung mehr und kann daher weder mehrheitlich beschlossen noch verlangt werden, Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 745 Abs. 3 BGB (siehe hierzu im Einzelnen Rdn 45).

 

Rz. 15

Verwaltungsmaßnahmen sind bspw.

Anfechtung, auch eines Eigentümerbeschlusses (siehe auch Rdn 27)
Antragstellung und deren Rücknahme beim Grundbuchamt
Baumaßnahmen auf einem Grundstück
Entlassung oder Anstellung von Grundstücksverwaltern oder Bediensteten
Erlass von Forderungen
Forderungseinziehung, auch Miet- und Pachtzins[22]
Handelsgeschäft fortführen oder einstellen[23]
Kapitalanlage bis zur Auseinandersetzung[24]
Klage zum Schutz eines verpfändeten Grundstücks vor ungerechtfertigter Vollstreckung[25]
Mahnungen (siehe hierzu auch § 2039, insbesondere § 2039 Rdn 8)
Nachbarschaftsrechte gegen Baugenehmigung geltend machen[26]
Nachlassschulden begleichen, insbesondere laufende Verbindlichkeiten[27]
Pflichtteilsansprüche beziffern und auszahlen (auch bei Testamentsvollstreckung)
Rechtsstreitigkeiten einschließlich der Prozessführung[28]
Regelung zur Benutzung von Nachlassgegenständen[29]
Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, soweit sie aus Nachlassmitteln beglichen werden können;[30] gerade in diesen Fällen verbietet sich jedoch eine generelle Aussage und es kommt maßgebend auf den Einzelfall an, mithin auf die allg. wirtschaftlichen Verhältnisse, die konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse des gesamten Nachlasses und den Zustand des Nachlassgegenstands
Rücktritt
Stille Gesellschaft mit Dritten eingehen[31]
Stimmrechtsregelung aufgrund eines GmbH-Geschäftsanteils vor Ausübung des Stimmrechts gem. § 18 Abs. 1 GmbHG[32]
Verarbeitung halbfertiger Produkte, auch wenn dadurch neue Produkte entstehen
Veräußerung von Grundstücken[33]
Vergleichsabschluss über Forderungen für und gegen den Nachlass[34]
Vermietung und Verpachtung[35] von Nachlassgegenständen
Vertragsabschluss
Verwaltung und Vertretung auf einzelne Miterben oder einen Dritten übertragen[36]
Vollmachterteilung[37]
Widerspruch gegen Verlängerung eines Mietverhältnisses;[38] im Gegensatz zur Kündigung ist der Widerspruch die Ablehnung eines "Angebots auf Abschluss eines inhaltsgleichen Mietvertrags".

Jedenfalls seit der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2005 zählen auch Verfügungen zu den mitwirkungspflichtigen Verwaltungsmaßnahmen.[39] Einzig in dieser Entscheidung fordert der BGH, dass "neben der Ordnungsmäßigkeit die Erforderlichkeit einer solchen Verwaltungsmaßnahme durch besondere Umstände belegt sein (muss), um eine Mitwirkungspflicht zu begründen".[40] Der BGH führt weder in dieser noch in darauffolgenden Entscheidungen aus, was unter "besonderen Umständen" zu verstehen ist; vielmehr wird in keiner darauffolgenden Entscheidung des BGH (oder der OLGe) dieses Kriterium erneut näher erörtert.[41]

 

Rz. 16

Eine Übertragung dieser Beispiele auf den konkreten Fall darf jedoch nur mit größter Vorsicht erfolgen. Es kommt auf die konkreten Umstände an, ob eine Verwaltungsmaßnahme vorliegt. Auch ist stets im Einzelfall zu beurteilen, ob es sich darüber hinaus um eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme handelt.

 

Rz. 17

Fraglich erscheint bspw., ob man tatsächlich regelmäßig den Abschluss von Mietverträgen als einen Fall der ordnungsgemäßen Verwaltung ansehen kann. Hier muss stets eine Abwägung im Einzelfall vorgenommen werden, generelle Aussagen lassen sich nicht treffen. Wird eine zu geringe Miete vereinbart oder ist ein Leerstand für eine Veräußerung der Immobilie dienlich, so wird die (Neu-)Vermietung nicht dem Interesse aller Miterben dienen. Unterschiedlich wird auch beurteilt, ob die Kündigung von Miet- und Pacht-Verträgen sowie auch anderen Verträgen eine Verwaltungsmaßnahme[42] oder eine Verfügung i.S.v. § 2040 BGB darstellt.[43] Da eine Kündigung als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung unmittelbar auf das Rechtsverhältnis einwirkt, kann es sich letztlich nur um eine Verfügung handeln[44] (siehe auch § 2040 Rdn 2 sowie zu den Rechtsfolgen unten Rdn 61 ff. und zum Verhältnis von § 2038 BGB zu § 2040 BGB unten Rdn 69). Gleichwohl kann die Erbengemeinschaft hier nach neuerer Rechtsprechung des BGH mehr...

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