Rz. 30

In erster Linie ist dem Erblasser durch Auslegung des Testaments zu helfen. Es darf nie vergessen werden, dass die Zuwendung von Todes wegen im Interesse des Erblassers geschieht und es daher auf seinen mutmaßlichen Willen ankommt. Die Auslegung geht der Anfechtung vor.[84] Vorrangig ist bei der Auslegung von Testamenten der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, es ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, § 133 BGB.[85] Hat der Erblasser mithin lebzeitig bereits seine letztwillige Verfügung zu Teilen "vorweggenommen", wird daher zunächst zu prüfen sein, ob Anhaltspunkte bestehen, dass der Erblasser von der ursprünglich geplanten Aufteilung seines Vermögens, wie sie in seiner letztwilligen Verfügung niedergelegt ist, bewusst abweichen wollte. Dabei werden auch entsprechende Zuwendungsverträge darauf zu prüfen sein, ob sie Hinweise auf die Motive des Erblassers bieten.

 

Rz. 31

War aus Gegenständen, die durch Teilungsanordnung zugewandt wurden, die testamentarische Erbquote zu entnehmen und wendet der Erblasser hiervon lebzeitig Gegenstände dem Bedachten zu, so soll es nach einem nicht näher begründeten obiter dictum in einem Urteil des BGH möglich sein, dass eine ergänzende Auslegung des Testaments ergeben könne, dass die lebzeitige Zuwendung "auf die mit seiner Erbeinsetzung verbundene Teilungsanordnung anzurechnen ist".[86] Dabei lässt der BGH offen, welche Art von "Anrechnung" dies sein könnte. In dieser speziellen Konstellation (durch Teilungsanordnung zugewandte Gegenstände sind Grundlage für die Ermittlung der Erbquoten) wird es stattdessen zutreffend sein, im Rahmen der Auslegung die Erbquoten entsprechend zu reduzieren, soweit der Bedachte einen Gegenstand, der Grundlage der Ermittlung der Erbquote gewesen ist, bereits zu Lebzeiten erhalten hat.[87]

[84] BGH, Urt. v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, Rn 21, juris; BGH, Urt. v. 23.4.1951 – IV ZR 17/51, LS 1, juris; BayObLG, Beschl. v. 27.6.1997 – 1Z BR 240/96, Rn 18, juris; Staudinger/Otte (2013), § 2078 Rn 6; Rudolf/Bittler/Seiler-Schopp, § 4 Rn 9 m.w.N.
[85] Rudolf/Bittler/Seiler-Schopp, § 1 Rn 9 f.
[87] Ebenso: Staudinger/Otte (2013), § 2087 Rn 31.

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