Rz. 1

Aufgrund der Bedeutung landwirtschaftlicher Betriebe für die Volkswirtschaft besteht ein besonderes Interesse der Allgemeinheit an ihrer Erhaltung. Die Entstehung einer Erbengemeinschaft, die auf die Auseinandersetzung und Aufteilung des Nachlasses gerichtet ist, wird diesem allgemeinen Interesse nicht gerecht. Vielmehr gefährdet die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft nach den allgemeinen Regeln, die meist mit der Aufteilung der Nachlassgegenstände einhergeht, den Bestand von Betrieben in ihrer ursprünglichen und für ihre Wirtschaftlichkeit unentbehrlichen Größe. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich ein Rückgang der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe bei etwa konstanter landwirtschaftlicher Gesamtfläche in der Bundesrepublik, vollzieht.[1] Der Gesetzgeber hat daher agrarpolitisch geprägte Sonderregelungen geschaffen, die Rechte von Miterben einschränken und vermeiden sollen, dass Betriebe aufgesplittert werden. Der den landwirtschaftlichen Betrieb betreibende bzw. übernehmende Erbe soll bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft sowie beim Ausgleich von Pflichtteilsansprüchen nicht gezwungen sein, Teile des Betriebes, insbesondere einzelne landwirtschaftliche Flächen, zu veräußern, bei der Verteilung des Nachlasses an Miterben abzugeben oder sich mit hohen Zahlungsverpflichtungen zu belasten, die eine Betriebsfortführung unwirtschaftlich machen, weil sie den Ertrag des Betriebes übersteigen,[2] oder langfristig mit derart hohen monatlichen Verpflichtungen belasten, dass der Betrieb als Lebensgrundlage für den Betriebsinhaber ungeeignet ist.

 

Rz. 2

Zur Erreichung dieses Zwecks werden im BGB Vergünstigungen bei der Bewertung eines Landguts immer dann vorgesehen, wenn andernfalls wegen einer Vermögensauseinandersetzung oder -nachfolge eine Verkleinerung der landwirtschaftlichen Betriebsfläche droht. Sowohl im Erbrecht, §§ 2049, 2312 BGB, wie auch im Familienrecht, dort bei der Wertermittlung des Zugewinns, § 1376 Abs. 4 BGB, und der Ermittlung des Wertersatzes beim Übernahmerecht in der fortgesetzten Gütergemeinschaft, § 1515 Abs. 2 BGB, sind daher Sonderregelungen vorgesehen, die bei der Wertermittlung ansetzen. Die erbrechtlichen Vorschriften greifen dabei frühere Regelungen zu Anerbenrechten auf und übernehmen das dort zur Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes angewandte Instrument der Kürzung des Miterbenanteils.[3]

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die privilegierte Bewertung wurden durch das BVerfG in Entscheidungen zur Bewertung beim Zugewinnausgleich geäußert und daraufhin eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass es sich um einen leistungsfähigen Betrieb handeln soll[4] und die Erhaltung durch den Inhaber oder dessen Abkömmlinge sichergestellt ist.[5] Eine Privilegierung zugunsten eines Familienfremden oder eines weiter entfernten Verwandten, die mit einer Einschränkung des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts einhergeht, ist aufgrund der Abwägung der Rechtsgüter "Sicherung der Volksernährung"[6] und gesetzlich gesicherte "Mindestteilhabe am Familienvermögen durch das Erb- und Pflichtteilsrecht" allerdings nicht gerechtfertigt. Die Benachteiligung von Miterben muss der Prüfung eines Eingriffs in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 GG standhalten[7] und ist daher nur unter den oben genannten engen Voraussetzungen zuzulassen.

[1] Wellmann, ZErb 2010, 12 f.
[2] BGHZ 98, 375; BGH NJW 1973, 995, 996.
[3] Wöhrmann/Graß, § 2049 Rn 1.
[4] BVerfG NJW 1985, 1329, 1330.
[5] BVerfG MDR 1989, 1074, 1075; BGHZ 98, 375.
[6] BVerfGE 15, 337, 342.
[7] BGH MDR 1992, 56; BGH, Urt. v. 22.10.1986 – IVa 143/85, juris.

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