Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Gesetzestext
(1)Der Erblasser kann eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll.
(2)Der Erblasser kann die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen.
A. Allgemeines
I. Grundsatz der eigenen, vollständigen Willensbildung
Rz. 1
Es ist Aufgabe des Erblassers, seine letztwilligen Verfügungen zu durchdenken und seinen eigenen Willen zu bilden (materielle Höchstpersönlichkeit). Dieser soll in seiner letztwilligen Verfügung zum Ausdruck kommen. Der Erblasser soll damit selbst die Verantwortung für seine letztwilligen Verfügungen übernehmen. Erbschleicherei soll hierdurch verhindert werden. Aufgrund der Testierfreiheit hat der Erblasser das Recht, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen. Diese Verfügungsbefugnis kann er jedoch nicht auf Dritte abwälzen. Die gesetzliche Erbfolge ist nach Ansicht des Gesetzgebers prinzipiell schützenswert, so dass nur der Erblasser selbst hiervon abweichen darf. Ist der Erblasser nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung zu treffen, ist es der Wille des Gesetzgebers, dass es bei der gesetzlichen Erbfolge verbleibt, eine Entscheidung in die Hände eines Dritten zu legen, ist nicht gewollt. Das Gebot der Selbstbestimmung gilt für alle erbrechtlichen Verfügungen. Es gilt hingegen nicht für die in Verfügungen von Todes wegen häufig enthaltenen familienrechtlichen Anordnungen.
II. Bestimmung durch Dritte contra Auslegung
Rz. 2
Liegt ein Verstoß gegen das Gebot der materiellen Höchstpersönlichkeit vor, ist die entsprechende Verfügung des Erblassers zwar nichtig. Allerdings haben sowohl die einfache als auch die ergänzende Auslegung, ebenso wie die Umdeutung gem. § 140 BGB, Vorrang vor § 2065 BGB. Dies bedeutet, dass zunächst der Wille des Erblassers im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, wobei sowohl die Verfügung selbst als auch sämtliche Umstände außerhalb der Urkunde heranzuziehen sind. Das ist dann der Fall, wenn der Wille des Erblassers erkennbar ist, jedoch Anzeichen von Unfertigkeit oder Unvollständigkeit aufweist. Ziel der Auslegung ist es jedoch nur, den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln, nicht hingegen, den Willen erst zu bilden. Die Auslegung darf nicht dazu führen, dass der Wille des Auslegenden an die Stelle des Willens des Erblassers tritt. Hierfür ist aus § 2065 BGB eine Grenze der Auslegung zu entnehmen. Erfolgt bspw. eine Vermögenszuwendung an eine gemeinnützige Organisation, die den Vorgaben des Abs. 2 nicht genügt, so kann diese u.U. als Auflage i.S.d. § 2193 BGB ausgelegt werden. Es bedarf dann nicht des Umweges, von einer unwirksamen Erbeinsetzung auszugehen, die gem. § 140 BGB umzudeuten ist. Hat der Erblasser verfügt, dem Bedachten gehöre alles, kann dies dahingehend auszulegen sein, dass der Bedachte zum Alleinerben eingesetzt ist. Ist eine "Erbeinsetzung" zu unbestimmt, kann die Auslegung dazu führen, dass es sich um ein Vermächtnis zugunsten mehrerer Personen mit einem Bestimmungsrecht gem. § 2151 BGB oder auch um eine Zweckauflage handelt. Zuwendungen an die Kinderkrebshilfe wurden ebenfalls als auslegungsfähig angesehen. Ergibt sich aus dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung eine alternative Erbeinsetzung, die unwirksam wäre, kann die Auslegung ergeben, dass es sich um eine Erb- bzw. Ersatzerbeneinsetzung handelt, d.h. die zuerst genannte Person soll Erbe, die zweitgenannte Ersatzerbe sein. Das Gericht stellt mittels Auslegung den Willen des Erblassers fest. In diesem Zusammenhang ist das Gericht jedoch kein Dritter (anderer) i.S.v. § 2065 BGB. Führt die Auslegung aufgrund des unbestimmten Wortlauts nicht zu einem Ergebnis, greift die Vorschrift des § 2065 BGB ein. Für den Fall, dass Zweifel bestehen, ob eine Verfügung von Todes wegen oder ein Rechtsgeschäft unter Lebenden vorliegt, kann aufgrund der Tatsache, dass die Verfügung von Todes wegen eventuell an der Vorschrift des § 2065 BGB scheitert, die Auslegung dazu führen, von einem Rechtsgeschäft unter Lebenden auszugehen.
Rz. 3
Die Regelung des § 2065 BGB steht einer Bestimmung eines Schiedsrichters bzw. eines Schiedsgerichts durch den Erblasser nicht entgegen. Diesem kann die Entscheidung über Streitigkeiten, die sich aus der Auslegung des Testaments ergeben, zugewiesen werden. Zum Schiedsrichter kann auch der Testamentsvollstrecker bestimmt werden. Er kann jedoch über Fragen, die seine eigene Rechtsstellung betreffen, nicht entscheiden. Über Anordnungen gegenüber bzw. die Entscheidung über die Entlassung von Testamentsvollstreckern kann ein Schiedsgericht nicht entscheiden.
Der Schiedsrichter ist nur in dem Umfang befugt, das Testament auszulegen, als hierzu ein Gericht befugt wäre. Der Schiedsrichter kann nicht ermächtigt werden, dass er im Geiste des Erblassers das Testament ergänzen soll. Dies verstößt gegen die Rege...