Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 10
Der Bedachte muss nach Testamentserrichtung weggefallen sein. Als wichtigster Fall des § 2069 BGB ist der Wegfall des Bedachten durch Tod zwischen Testamentserrichtung und Erbfall anzusehen. § 2069 BGB gilt auch für den Fall, dass ein eingesetzter Nacherbe vor Eintritt des Erbfalls verstirbt. Verstirbt der Bedachte nach dem Erbfall, ist § 2069 BGB nicht anwendbar. Die Erbschaft ist hier bereits angefallen.
Wegfall i.S.d. § 2069 BGB sind alle Ereignisse, die den Anfall der Zuwendung an den Bedachten verhindern. Hierunter fallen auch solche Umstände, die zwar nach dem Erbfall eintreten, aber auf den Eintritt des Erbfalls zurückwirken und die Zuwendung ausschließen.
Erfolgt die Zuwendung aufschiebend bedingt und fällt der Bedachte nach Eintritt des Erbfalls, aber vor Bedingungseintritt weg, ist § 2069 BGB anwendbar.
Rz. 11
Der Abkömmling gilt auch dann als weggefallen, wenn er die Erbschaft ausschlägt oder aufgrund Erbunwürdigkeitserklärung gem. §§ 2342, 2344 BGB. Beides erfolgt zwar erst nach dem Erbfall, beseitigt aber rückwirkend den Erbanfall. Dies kann auch aus § 1953 Abs. 2 BGB abgeleitet werden. Die Ausschlagung wird nämlich mit denselben Rechtsfolgen versehen wie das Vorversterben des Ausschlagenden. Es sind somit alle Ereignisse gemeint, die verhindern, dass der ursprünglich Bedachte eine Zuwendung erhält.
Rz. 12
Nach einer Ansicht gilt § 2069 BGB auch dann, wenn der pflichtteilsberechtigte Abkömmling ausschlägt und seinen Pflichtteil verlangt. § 2320 BGB verhindert hierbei ungerechtfertigte Ergebnisse, da diejenigen Personen, die nachrücken, den Pflichtteilsanspruch allein zu tragen haben. Nach a.A. soll der Stamm des Abkömmlings nicht durch die Zuwendung und den Pflichtteil doppelt begünstigt werden. Es ist hier der zweitgenannten Ansicht des BGH zu folgen, wonach § 2069 BGB keine Anwendung findet. Die Doppelbegünstigung wird nämlich nicht zwingend durch die Regelung des § 2320 BGB verhindert, da es sich bei § 2320 Abs. 2 BGB um eine reine Auslegungsregel handelt. § 2320 BGB betrifft nur das Innenverhältnis unter den Erben. Die Tragung der Pflichtteilslast obliegt im Innenverhältnis dem, der anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, im Außenverhältnis kann allerdings der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch ohne weiteres gegen alle Erben geltend machen. Der Stamm des Ausschlagenden wäre damit, wenn § 2069 BGB zur Anwendung käme, zum einen dinglich am Nachlass beteiligt, zusätzlich besteht noch mit dem Pflichtteilsanspruch ein Forderungsrecht. Damit liegt, wenn auch nicht nur wirtschaftlich, sondern in erster Linie tatsächlich, eine "Besserbegünstigung" klar auf der Hand. Zu einem anderen Ergebnis, d.h. dass § 2069 BGB anwendbar ist, kommt man nur dann, wenn der Ausschlagende deshalb die Ausschlagung erklärt, weil er hoch verschuldet ist. In diesem Falle liegt es im Interesse des Erblassers, dass der Pflichtteilsberechtigte ausschlägt, damit dessen Gläubiger nicht in den Genuss des Nachlasses kommen, gleichzeitig entspricht es i.d.R. jedoch seinem Willen, dass die Abkömmlinge des Ausschlagenden den Nachlass erhalten.
Rz. 13
Schlägt aber der pflichtteilsberechtigte Nacherbe aus, so führt § 2320 BGB nicht zu einer Entlastung des Vorerben, sondern vielmehr zu einer doppelten Belastung des Vorerben. Dieser wird zum einen mit dem Pflichtteilsanspruch dessen belastet, der ausschlägt, als auch mit dem Nacherbrecht des nachrückenden Abkömmlings. Diese Folge wird i.d.R. nicht dem Erblasserwillen entsprechen, so dass die Rechtsfolge des § 2069 BGB insoweit nicht eintritt. Man geht hier von einer tatsächlichen Vermutung aus, die der Anwendbarkeit des § 2069 BGB entgegensteht. Jedoch sollte in jedem Falle der Versuch unternommen werden, den Willen des Erblassers anhand des Einzelfalles zu ermitteln, denn es kann unter Umständen dem Willen des Erblassers entsprechen, dass auch für den Fall, dass der Nacherbe die Ausschlagung erklärt, dessen Abkömmlinge zum Zuge kommen sollen.
Im Falle der Ausschlagung durch den Vorerben kommt im Zweifel als Ersatzerbe der eingesetzte Nacherbe zum Zuge, § 2102 Abs. 1 BGB. Für § 2069 BGB bleibt kein Raum.
Rz. 14
Wurde ein Verzicht auf die testamentarische oder erbvertragliche Zuwendung i.S.v. § 2352 BGB abgegeben, ist dies als Wegfall i.S.v. § 2069 BGB anzusehen. Durch den Verzicht wird der Anfall der Zuwendung an den ursprünglich Bedachten verhindert. Der Verzicht erstreckte sich bis zur Reform 2009 nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden. Dies führte dazu, dass die Abkömmlinge im Zweifel nach § 2069 BGB Ersatzberufene waren. Das galt nicht nur dann, wenn der Zuwendungsverzicht "zugunsten der Abkömmlinge" erklärt wurde. In den Fällen, in denen auch seitens eines Abkömmlings des Verzichtenden wiederum ein Zuwendungsverzicht erklärt worden war, kam eine Ersatzberufung eines anderen Abkömmlings des Erstverzichtenden in Betracht. Aufgrund des Erbrechtsänderungsgesetzes hat sich die Rechtslage grundlegend verä...