Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 20
Die bedachte Person muss entweder namentlich genannt sein, im Wege der §§ 2066 ff. BGB ermittelt werden können oder durch individuelle Merkmale genau bezeichnet sein. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, findet § 2069 BGB nur entsprechende Anwendung. Nach a.A. gilt § 2069 BGB in diesen Fällen überhaupt nicht, vielmehr bedarf es einer einzelfallorientierten Auslegung. Eine entsprechende Anwendung über den in § 2069 BGB geregelten Fall hinaus kommt nach der Rspr. nicht in Betracht.
Rz. 21
Auch auf unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, die nicht unter die Vorschriften des § 2301 BGB fallen, ist § 2069 BGB ebenfalls entsprechend anwendbar.
Rz. 22
Nach dem Wortlaut kommt § 2069 BGB dann nicht zur Anwendung, wenn in einem gemeinschaftlichen Testament Abkömmlinge des Erstverstorbenen zu Schlusserben eingesetzt werden. Hier kommt allerdings eine analoge Anwendung in Betracht, da die Tatsache, dass der Bedachte Abkömmling ist, die entscheidende Tatsache für die Zuwendung darstellt und dies vom Längstlebenden auch akzeptiert worden ist. Es handelt sich hierbei um eine vergleichbare Interessenlage, die eine analoge Anwendung rechtfertigt. Dies bedeutet, dass für den Fall, dass ein Abkömmling des Erstverstorbenen zum Schlusserben bestimmt ist und in Wegfall gerät, dessen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge nach dem Erstverstorbenen zum Zuge kommen. § 2069 BGB ist jedoch auf Geschwister eines weggefallenen bedachten Abkömmlings nicht analog anwendbar, ebenso kann der Ehegatte eines bedachten Abkömmlings nicht analog § 2069 BGB nachrücken.
Rz. 23
Wenn es sich um eine wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament handelt, ist allerdings umstritten, ob die Ersatzberufung bezüglich des weggefallenen Schlusserben ebenfalls wechselbezüglich ist. Hierfür hat sich zunächst das BayObLG in seiner Entscheidung vom 12.8.1994 ausgesprochen. Diese Rspr. wurde jedoch mittlerweile aufgegeben. Zum Meinungsstreit ist zu sagen, dass bereits der Wortlaut des § 2270 Abs. 2 BGB gegen die Anwendung der vorbezeichneten Auslegungsregel spricht. § 2270 Abs. 2 BGB geht davon aus, dass die Verfügung getroffen sein muss. § 2069 BGB enthält hierzu keinerlei Aussage, so dass eine Bindung des überlebenden Ehegatten abzulehnen ist, da die Abkömmlinge, die aufgrund der Regel des § 2069 BGB zur Erbfolge gelangen, nicht einmal in der Verfügung erwähnt sind. Die Auslegung kann jedoch dazu führen, von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen. In derartigen Fällen ist zunächst zu prüfen, ob sich aufgrund der Auslegung ergibt, dass eine Ersatzerbeneinsetzung seitens des Erblassers gewollt war oder ob diese Ersatzerbeneinsetzung einzig und allein auf § 2069 BGB beruht. Sodann erfolgt in einem zweiten Schritt eine Prüfung dahingehend, ob sich bereits aus der individuellen – auch ergänzenden – Auslegung ergibt, ob die Erbeinsetzung ggf. unter Heranziehung von § 2069 BGB wechselbezüglich ist und dies zu einer Bindungswirkung führt bzw. ob eine derartige Bindungswirkung auszuschließen ist. Kommt die Auslegung im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit nicht zu einem Ergebnis, kommt § 2270 Abs. 2 BGB zur Anwendung. Führt in beiden Schritten die Auslegung nicht zu einem Ergebnis und kommen in beiden Schritten der Prüfung die Zweifelsregeln des Gesetzes gem. §§ 2069 bzw. 2270 Abs. 2 BGB zur Anwendung, gilt das Kumulationsverbot. Wechselbezüglichkeit der Ersatzerbeneinsetzung scheidet in diesem Falle aus.
Wurden jedoch vom Erblasser mit ihm in der Seitenlinie verwandte Personen bedacht, und fallen diese nach Testamentserrichtung weg, ist § 2069 BGB nicht anwendbar. Das Gleiche gilt auch für diejenigen Personen, die überhaupt nicht mit dem Erblasser verwandt sind. Lediglich eine ergänzende Auslegung könnte in diesen Fällen zum Ergebnis führen, dass die Abkömmlinge nachrücken. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn enge Verwandte bedacht worden sind. Es kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Wegfall dieser Personen generell deren Abkömmlinge zum Zuge kommen.
Rz. 24
Hat der Erblasser seinen Ehepartner, Geschwister, Neffen oder Nichten, Schwägerin und u.U. auch Cousin oder Cousinen bedacht, liegt es nahe, von einer Ersatzberufung bezüglich deren Abkömmlingen auszugehen. Die Rspr. begründet dies damit, dass der Erblasser die Erben mit dem Verwandtschaftsverhältnis (z.B. "Schwestern") bezeichnet hat. Die Literatur lehnt jedoch diese Rspr. mit der Begründung ab, die Angabe des Verwandtschaftsgrads sei wertneutral und würde weder auf ein gutes noch ein schlechtes Verwandtschaftsverhältnis hindeuten. Auch bei der Einsetzung von Stiefkindern, Schwiegerkindern, Neffen des anderen Ehe- oder Lebenspartners kann die ergänzende Auslegung im Einzelfall dazu führen, dass die Abkömmlinge anstelle der eingesetzten Personen treten. Als Anhaltspunkt im Testament ist bereits die Tatsache anzusehen, dass der nahe Verwandte...