Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 3
Unter dem Begriff der Klasse i.S.d. § 2071 BGB ist die Gesamtheit von Personen zu verstehen, die unter einen bestimmten Allgemeinbegriff fällt (z.B. "die Bewohner des Altenheimes in X", "unsere Patenkinder", "meine Wanderfreunde"). Eine weitere Klasse bilden auch die Arbeitnehmer des Erblassers, die Geschäftskunden oder die Arbeitskollegen. Für die Anwendbarkeit des § 2071 BGB ist maßgebend, dass die Gruppe so eindeutig bezeichnet sein muss, dass die Angehörigen dieser Gruppe zweifelsfrei feststehen. Diese müssen namentlich festgestellt werden können. Über die Zugehörigkeit des Einzelnen darf kein Zweifel bestehen. Ist die Gruppenbezeichnung zu unbestimmt, wie beispielsweise "alle wahren Kunstliebhaber", "den Naturfreunden des Schwarzwalds", führt dies zur Unwirksamkeit der Verfügung, es sei denn, die Bedachten lassen sich durch Auslegung ermitteln. Die Klasse von Personen muss ohne nähere Bestimmung bedacht sein. § 2071 BGB findet dann keine Anwendung, wenn der Erblasser eine Sammelbezeichnung verwendet, gleichzeitig die bedachten Personen jedoch namentlich benennt (z.B. "meine Skatbrüder A und B"). In diesem Fall hat er bereits eine nähere Bestimmung getroffen.
Rz. 4
Für den Fall, dass die Bezeichnung so unbestimmt ist, dass eine Individualisierung nicht möglich ist, ist die letztwillige Verfügung gem. § 2065 Abs. 2, 1. Alt. BGB unwirksam, da die Erben nicht bestimmt werden können. Unerheblich ist, ob der jeweiligen Gruppe mehr als eine Person angehört. Das Bedenken einer einzelnen Person kann u.U. zur entsprechenden Anwendung der 1. Alt. führen. Hierunter fällt z.B. die Bezeichnung "unser Staatsoberhaupt". Hier ist nämlich der Bedachte als einer von mehreren, einander nachfolgenden Funktionsträgern gekennzeichnet.
Rz. 5
§ 2071 BGB ist jedoch nicht analog anwendbar, wenn der Erblasser eine Zuwendung an "meine Ehefrau" verfügt. Hier ist auch darauf zu achten, ob nicht eine besondere persönliche Beziehung im Zeitpunkt der Testamentserrichtung für die Zuwendung maßgeblich war. Das RG ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Erblasser bei der Einsetzung "meiner geliebten Ehefrau" die Einsetzung seiner Ehefrau im Zeitpunkt der Testamentserrichtung meinte und nicht die Einsetzung der Ehefrau im Zeitpunkt des Erbfalls. Dies gilt auch für die Zuwendungen an den nichtehelichen Partner, wenn die Bezeichnung "meinen Lebensgefährten" oder an "meinen Lebenspartner" bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft gewählt worden ist.