Rz. 43

Die Verwirkung kann zur Folge haben, dass derjenige, der die entsprechende, den Verwirkungstatbestand auslösende Handlung vornimmt, aufhört Erbe zu sein oder verpflichtet ist, den Nachlass oder einen Teil hiervon herauszugeben. Es ist somit zwischen einer auflösend bedingten Erbeinsetzung mit anschließender Nacherbschaft (der Bedachte ist in diesem Fall bis zum Eintritt der Bedingung Vorerbe) und einer aufschiebend bedingten Herausgabepflicht des Nachlasses bzw. einzelner Nachlassgegenstände (also einem aufschiebend bedingten Vermächtnis) zu unterscheiden.[122]

 

Rz. 44

Somit ist der unter eine Verwirkungsklausel gestellte Erbe auflösend bedingter Vollerbe und aufschiebend bedingter Vorerbe. Die Nacherbschaft ist aufschiebend bedingt. Es steht erst beim Tod des Bedachten fest, ob ein Verstoß gegen die Klausel vorliegt oder nicht und er im letzteren Fall Vollerbe geblieben ist.[123] I.d.R. ist von befreiter Vorerbschaft auszugehen.[124] Das Verhalten, das der Erblasser zur Bedingung gemacht hat, ist nicht Voraussetzung für den Erwerb der Zuwendung, sondern ist Voraussetzung für deren Behaltendürfen. Durch Auslegung ist demgemäß zu ermitteln, ob der eingesetzte Erbe bei Verwirkung seine Erbenstellung verlieren oder aber nur den noch vorhandenen Überrest des Nachlasses herausgeben soll.

 

Rz. 45

Ist durch Individualauslegung der Erblasserwille nicht aufzuklären, dann soll nach allgemeiner Meinung eine Verwirkungsklausel im Zweifel gem. § 2075 BGB als auflösend bedingte Erbeinsetzung anzusehen sein.[125] Mit dem Erbfall fällt die Zuwendung zwar an, diese entfällt jedoch bei einer Zuwiderhandlung. Damit ist der Zuwiderhandelnde rückwirkend enterbt. Der Nacherbfall wird ausgelöst. Allerdings kann die stets vorrangige, individuelle Auslegung natürlich auch zu einem anderen Ergebnis kommen.[126]

 

Rz. 46

Ein weiteres Problem auf der Rechtsfolgenseite ist bei Bedingungseintritt die Frage, ob gem. § 2069 BGB die Abkömmlinge des Bedachten, gem. § 2104 BGB dessen gesetzliche Erben oder nach § 2094 BGB die anderen Miterben (durch Anwachsung) an seine Stelle treten. Diese Frage ist zunächst durch Auslegung des jeweiligen konkreten Testaments zu klären.

 

Rz. 47

Bezüglich der zeitlichen Grenzen sind die §§ 2109, 2162 f. BGB anzuwenden. Selbst wenn nicht von einer Nacherbfolge bzw. einem Nachvermächtnis als Rechtsfolge ausgegangen werden kann, sind die vorgenannten Vorschriften analog anzuwenden.[127]

[122] BayObLGZ 1962, 47 = NJW 1962, 1060.
[123] BGHZ 96, 198 = NJW 1988, 59.
[124] BayObLG NJW 1962, 1060.
[125] BGH ZEV 2009, 459, 460; OLG Dresden NJW-RR 1999, 1165; offengelassen von BayObLGZ 1962, 47 = NJW 1962, 1060; OLG Celle ZEV 1996, 307; Kroppenberg, ZEV 2009, 463, 463; MüKo/Leipold, § 2074 Rn 29; Lange/Kuchinke, § 34 VI 4 c; Nieder/Kössinger, § 15 Rn 181, 187; a.A. Wacke, DNotZ 1990, 403, 406, der im Zweifel der Vermächtnislösung den Vorzug gibt, da diese das mildere Mittel und daher vorzuziehen sei.
[126] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 29 ff.
[127] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 42.

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