Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Gesetzestext
Bezweckt die Bedingung, unter der eine letztwillige Zuwendung gemacht ist, den Vorteil eines Dritten, so gilt sie im Zweifel als eingetreten, wenn der Dritte die zum Eintritt der Bedingung erforderliche Mitwirkung verweigert.
A. Allgemeines
Rz. 1
Bei § 2076 BGB handelt es sich um eine gesetzliche Regel der ergänzenden Testamentsauslegung zum Schutz des Bedachten. Die Einzelfallauslegung geht aber auch hier in jedem Fall vor. Zur Vorschrift des § 162 BGB stellt § 2076 BGB keine Sondervorschrift dar. Nach a.A. ist von einer Auslegungsregel auszugehen, wobei der Grundgedanke des § 162 BGB für einen Sonderfall ergänzt wird. Dies sind solche Fälle, bei denen der Erblasser die Zuwendung an eine Bedingung knüpft, die einem Dritten Vorteile bringen soll, um hierdurch auf den Willen der bedachten Person einzuwirken. Scheitert jetzt die Erfüllung der Bedingung nur daran, dass der Dritte den Vorteil nicht haben möchte, würde es dem Willen des Erblassers widersprechen, wenn der Bedachte die Zuwendung in diesem Fall nicht erhalten würde. Daher wurde die Vorschrift des § 2076 BGB als gesetzliche Regel in das Gesetz aufgenommen. Mit dieser Vorschrift gilt die Bedingung dann als eingetreten, wenn der Dritte jegliche Mitwirkung verweigert.
B. Tatbestand
Rz. 2
Hat der Erblasser eine Zuwendung unter der Bedingung verfügt, dass die Bedingung den Vorteil eines Dritten bezweckt, so gilt diese im Zweifel als eingetreten, wenn der Dritte die erforderliche Mitwirkung verweigert.
I. Bedingung
Rz. 3
§ 2076 BGB findet keine Anwendung, wenn keine Bedingung vorliegt, sondern vielmehr ein Vermächtnis oder eine Auflage zugunsten eines Dritten angeordnet wurde. § 2076 BGB gilt nur für rechtsgeschäftliche Bedingungen und ist nur dann anwendbar, wenn die Erfüllung eines Vermächtnisses oder einer Auflage Bedingung für die Zuwendung an die beschwerte Person ist.
II. Vorteil eines Dritten
Rz. 4
Sinn und Zweck der angeordneten Bedingung muss es sein, dass der Dritte einen Vorteil hiervon hat. Hat der Erblasser oder der Bedachte einen Vorteil, ist dies ohne Bedeutung für § 2076 BGB, da unter den Begriff des Dritten jede Person fällt, die nicht Erblasser oder bedachte Person ist. Bei dem Vorteil muss es sich nicht um einen geldwerten Vorteil handeln. Als Vorteile kommen Geld- oder Sachleistungen in Betracht, aber auch die dingliche Absicherung eines Rechts im Grundbuch oder die Gewährung von Wohnung.
Rz. 5
Die Anordnung des Erblassers, die Zuwendung davon abhängig zu machen, dass der Bedachte eine bestimmte Person heiratet, wird kontrovers behandelt. Nach einer Ansicht entspreche es nicht der komplexen Bedeutung der Ehe, sie als Vorteil für den Dritten i.S.d. § 2076 BGB zu qualifizieren. Nach a.A. ist es zweifelhaft, ob die Bedingung, dass der Bedachte eine bestimmte Person zu heiraten hat, unter § 2076 BGB fällt. Eine derartige Bedingung sei jedoch ohnehin unwirksam. Hier greife die individuelle Auslegung ein. Ob der Bedachte nach dem hypothetischen Willen des Erblassers eine Zuwendung erhalte oder nicht, sei demgemäß durch individuelle Auslegung zu ermitteln. Nach weiterer Ansicht ist die Bedingung stets dann nicht eingetreten, wenn der Dritte sich gegen die Eheschließung ausspricht. Der erstgenannten Ansicht ist zu folgen, da die Eingehung der Ehe bzw. die Ablehnung der Eheschließung nicht zum Vorteil eines Dritten ausgelegt werden kann. Es muss im Wege der Auslegung entschieden werden, ob für den Fall, dass eine derartige Bedingung überhaupt wirksam ist, die Zuwendung auch dann gewährt werden soll, wenn die Eheschließung seitens des Dritten abgelehnt wird.
III. Aufschiebende Bedingung
Rz. 6
Weitere Voraussetzung ist, dass es sich um eine aufschiebende Bedingung handeln muss. Nur für diesen Fall liegt es im Interesse der bedachten Person, wenn der Eintritt der Bedingung angenommen wird.
IV. Verweigerung des Dritten
Rz. 7
Der Eintritt der Bedingung muss dadurch vereitelt werden, dass der Dritte seine Mitwirkung endgültig verweigert. Eine Mitwirkung kann dadurch verweigert werden, dass der Dritte dies ausdrücklich zum Ausdruck bringt, aber auch dadurch, dass aus seinem Verhalten eine endgültige Weigerung geschlossen werden kann. Scheitert der Eintritt der Bedingung an anderen Gründen als der endgültigen Verweigerung der Mitwirkung durch den Dritten, findet § 2076 BGB keine Anwendung. In diesem Falle muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob die Bedingung als eingetreten gilt, wenn deren Eintritt unmöglich geworden ist, dies jedoch nicht vom Bedachten zu verantworten ist. Demgemäß ist im Wege der Auslegung z...