Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 28
Es handelt sich um eine ähnliche Situation wie bei einer letztwilligen Verfügung, wenn der Ehegatte als Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung eingesetzt wird. Für den Fall, dass der Ehegatte eingesetzt wurde, die Ehe, die bei Abschluss der Versicherung bestand, mittlerweile geschieden ist und der Erblasser wieder geheiratet hat, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Ehegatte gemeint ist, der mit dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes verheiratet gewesen ist. Bayer befürwortet eine Auslegung zugunsten des neuen Ehegatten, und zwar entgegen der h.M. Nach Ansicht des BGH ist jedoch regelmäßig allein der Ehegatte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gemeint. Auch wenn als Bezugsberechtigter der "verwitwete Ehegatte" benannt wurde, solle dies gelten. Eine derartige Auslegung widerspricht jedoch bereits dem Wortlaut, da der geschiedene Ehegatte kein Ehegatte mehr ist und daher auch kein verwitweter Ehegatte sein kann.
Rz. 29
Führt die Auslegung nicht zu dem Ergebnis, dass der neue Ehegatte als Bezugsberechtigter in Betracht kommt, könnte an eine analoge Anwendung des § 2077 BGB gedacht werden. Dies wird jedoch von der h.M. sowohl für den Fall abgelehnt, dass als Bezugsberechtigter lediglich "meine Ehefrau" bzw. "mein Ehemann" genannt ist als auch für den Fall, dass der Ehegatte namentlich benannt wurde. § 2077 BGB findet deshalb keine Anwendung, weil sich die Bezugsberechtigung der Versicherungsgesellschaft gegenüber allein nach den vertraglichen Vereinbarungen richtet. Eine im Vertrag festgelegte Bezugsberechtigung kann durch letztwillige Verfügung nicht widerrufen werden und ist auch im Falle einer Scheidung nicht auflösend bedingt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und um die Interessen der Vertragspartner zu wahren, ist eine analoge Anwendung des § 2077 BGB abzulehnen.Völkel lehnt eine analoge Anwendung des § 2077 BGB zwar ebenfalls ab, aber nicht wegen mangelnder Analogiefähigkeit. Nach seiner Ansicht setzt eine analoge Anwendbarkeit eine konkrete Vergleichbarkeit der Interessenlage voraus. Dies sei gerade nicht der Fall. Abs. 1 liegt eine Wertung dahingehend zugrunde, dass ein testamentarisches Erbrecht des geschiedenen Ehegatten dem familienrechtlichen Leitbild des Ehepartners auf Lebenszeit widerspricht. Dem Ehepartner fehlt nach der Scheidung die innere Berechtigung. Im Lebensversicherungsrecht könne eine derartige strikte Folge zwar nicht ohne weiteres angenommen werden. Aber ein entgegenstehender Wille könnte unter Umständen keine Beachtung finden, denn der geschiedene Ehegatte müsste beweisen, dass der Erblasser die Bezugsberechtigung trotz Scheidung aufrechterhalten hätte. Eine analoge Anwendung des Abs. 1 scheidet daher aus.
Rz. 30
Wenn somit der geschiedene Ehegatte als Bezugsberechtigter in Betracht kommt, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass der frühere Ehegatte die Versicherungssumme auch behalten darf. Eine Herausgabe der Versicherungssumme kann deshalb in Betracht kommen, wenn im Valutaverhältnis kein Recht zum Behaltendürfen gegeben ist. Das Valutaverhältnis zwischen Erblasser und Bezugsberechtigtem, d.h. geschiedenem Ehegatten, ist i.d.R. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB) rückabzuwickeln. Als Geschäftsgrundlage und somit Rechtsgrund der Bezugsberechtigung kommt eine Schenkung, evtl. eine Pflichtschenkung, Unterhalt oder auch eine unbenannte Zuwendung in Betracht. Die vorgenannten als Geschäftsgrundlage in Betracht kommenden Tatbestände entfallen aber grundsätzlich im Fall des Scheiterns der Ehe (§ 313 BGB), so dass insoweit die geschiedene Ehefrau die Versicherungssumme nicht behalten darf. Ein Behaltendürfen kommt nur dann in Betracht, wenn die Versicherung mit Bezugsberechtigung zugunsten des geschiedenen Ehegatten gerade für den Fall der Versorgung des Ehegatten oder zur Absicherung eines Kredites, für dessen Rückzahlung der geschiedene Ehegatte weiterhin haftet, abgeschlossen wurde. Nach neuerer Rspr. sind sämtliche Umstände abzuwägen, um zu entscheiden, ob die Geschäftsgrundlage für die Bezugsberechtigung an den ehemaligen Partner entfallen sei.
Rz. 31
Somit ist festzuhalten, dass die Versicherungsgesellschaften dadurch, dass eine analoge Anwendung des § 2077 BGB abgelehnt wird und eine Rückabwicklung des Valutaverhältnisses wegen Störung der Geschäftsgrundlage in Frage kommt, weitgehend von erbrechtlichen Auslegungsfragen verschont bleiben. Maßgeblich bleibt der abgeschlossene Vertrag und der Wille des Erblassers, der im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Gegenüber dem Versicherer führt die Benennung des Ehegatten als Bezugsberechtigten nicht zwangsläufig dazu, dass dieser nur Bezugsberechtigter ist, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Erbfalls noch besteht. Derjenige, der sich auf den Wegfall (Störung) der Geschäftsgrundlage beruft, trägt die Beweislast dafür, was überhaupt Geschäftsgrundlage gewesen ist.
Rz. 32
Nach a.A. kommt jedoch eine analoge Anwendung in Betrach...