Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 51
Für eine Anfechtung nach § 2078 BGB ist erforderlich, dass anzunehmen ist, dass der Erblasser die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde. Man spricht hier von der sog. subjektiven Erheblichkeit. Auf die subjektive Denk- und Anschauungsweise des Erblassers ist abzustellen. Sämtliche Besonderheiten des Erblassers finden Berücksichtigung. Abs. 2 verweist auf Abs. 1 und verlangt zusätzlich, dass der Erblasser durch den Irrtum zu der Verfügung bestimmt sein muss.
Rz. 52
Voraussetzung für eine Anfechtbarkeit gem. § 2078 BGB ist somit, dass der Willensmangel kausal für die getroffene Verfügung ist. Es sind daher an den ursächlichen Zusammenhang zwischen Irrtum und getroffener Verfügung strenge Anforderungen zu stellen. Für den Fall, dass der Irrtum für die Verfügung bestimmend oder zumindest mitbestimmend war, so dass der Erblasser die letztwillige Verfügung ohne die irrige Vorstellung nicht getroffen hätte, ist Kausalität zu bejahen.
Rz. 53
Nach Auffassung der Lit. muss es sich bei dem Willensmangel i.S.d. Äquivalenztheorie sinngemäß um eine "conditio sine qua non" gehandelt haben. Sowohl Rspr. als auch Lit. kommen daher zu dem Ergebnis, dass es somit von Bedeutung ist, ob der Erblasser die betreffende Verfügung ohne Vorliegen des Willensmangels nicht getroffen hätte. Für das Vorliegen eines Motivirrtums ist entscheidend, dass es sich bei dem Umstand, der zur Anfechtung berechtigt, um den bewegenden Grund für die Verfügung gehandelt hat. Häufig besteht nämlich ein Motivbündel. Dies bedeutet, dass es sich um einen Irrtum über besonders schwerwiegende Umstände handeln muss, die den Erblasser mit Sicherheit dazu gebracht hätten, anders zu testieren. Die Erbeinsetzung ist bspw. auch dann nicht anfechtbar, wenn die zu Erben berufenen Personen nicht dafür gesorgt haben, dass die Beisetzungswünsche des Erblassers erfüllt wurden, vor allem, wenn die Erbeinsetzung im Hinblick auf das frühere Verhalten der Bedachten erfolgt ist. Lassen sich die Motive des Erblassers im Nachhinein nicht mehr aufklären bzw. lässt sich deren Gewichtung nicht mehr aufklären, scheidet eine Anfechtung aus. Nicht entscheidend ist, ob der Erblasser die Verfügung bei verständiger Würdigung getroffen hätte. Eine Verfügung ist dann nicht anfechtbar, wenn sie der subjektiven Denk- und Anschauungsweise des Erblassers entspricht. Ursächlichkeit kann dann zu verneinen sein, wenn die Verfügung immer noch mehr dem hypothetischen Willen des Erblassers entspricht als die Rechtslage, die nach erfolgreicher Anfechtung eintreten würde.
Maßgeblich für die Prüfung der Ursächlichkeit ist die Bewertung durch den Erblasser selbst. Dies bedeutet, dass eine Anfechtung nicht darauf gestützt werden kann, dass der Erblasser die maßgeblichen Gesichtspunkte nicht genügend berücksichtigt habe bzw. dass die Bewertung durch den Erblasser falsch gewesen sei.
Rz. 54
Trotz der Formulierung im Gesetz kann man nicht einfach vom hypothetischen Willen ausgehen, von dem der Erblasser ausgegangen wäre, wenn er den Irrtum erkannt hätte. Gerade dann, wenn ein Erbvertrag oder eine bindend gewordene wechselbezügliche Verfügung angefochten werden soll, ist zu fragen, ob der Irrtum des Erblassers so gravierend gewesen ist, dass dieser eine Anfechtung und damit die Entlassung des Erblassers aus der Bindung rechtfertigt. Eine derartige Verfügung ist dann nicht anfechtbar, wenn die Ziele des Erblassers wenn auch nicht komplett, so doch zumindest teilweise erreicht werden. Aufgrund dieser Deutung des Gesetzes sollte daher nicht von Kausalität des Irrtums, sondern von der Erheblichkeit des Irrtums gesprochen werden.