Rz. 32

Für eine Anfechtbarkeit eines Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments (d.h. bei bindend gewordenen wechselbezüglichen Verfügungen) ist maßgeblich, ob der Erblasser für den Fall, dass er vom Pflichtteilsberechtigten Kenntnis gehabt hätte, seine letztwillige Verfügung dahingehend getroffen hätte, dass der Pflichtteilsberechtigte ausgeschlossen ist.[64] In der Rspr. wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass bei einer Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments durch den überlebenden Ehegatten der hypothetische Wille des Erstverstorbenen maßgeblich sei.[65] Hierzu sei jedoch angemerkt, dass die letztwilligen Verfügungen des erstversterbenden Ehegatten überhaupt nicht angefochten werden und bei der Anfechtung nur das zu beurteilen ist, was tatsächlich angefochten wird. Bei wechselbezüglichen Verfügungen handelt es sich zwar um Verfügungen, die aufeinander abgestimmt sind, dennoch beruhen sie auf voneinander getrennten Willenserklärungen der Ehegatten. Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament verfügt, dass dieses auch im Falle der Ehescheidung weiterhin Gültigkeit haben solle, ist daraus nicht der Schluss zu ziehen, dass die Verfügungen des Erblassers auch für den Fall seiner Wiederverheiratung Bestand haben sollen.[66] Ist eine Anfechtung erfolgt, gilt für die korrespondierenden Verfügungen § 2270 Abs. 1 BGB. Lediglich hier ist der hypothetische Wille des Erstverstorbenen heranzuziehen,[67] da es dessen Willen entsprechen kann, dass seine Verfügung ganz oder teilweise aufrechterhalten bleibt, auch wenn die Verfügung des längstlebenden Ehegatten wirksam angefochten ist.[68] Zumindest gilt dies in den Fällen, in denen die Anfechtung nur einen Teil der Verfügung des Anfechtenden vernichtet. Auf den Willen des Erstverstorbenen ist hingegen nicht bei der Anfechtung des Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments abzustellen.[69]

[64] Staudinger/Otte, § 2079 Rn 11.
[65] OLG Hamm OLGZ 1972 387, 390 = NJW 1972, 1988, 1089; OLG Hamm Rpfleger 1978, 179.
[67] MüKo/Leipold, § 2079 Rn 23, 24.
[69] Staudinger/Otte, § 2079 Rn 11 m.w.N.

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