Rz. 15

Enthält ein Testament mehrere letztwillige Verfügungen und sind diese anfechtbar, so sind die jeweiligen Anfechtungsberechtigungen voneinander unabhängig. Für den Fall, dass mehrere Personen zur Anfechtung einer Einzelverfügung berechtigt sind, steht jeder von ihnen ein selbstständiges Anfechtungsrecht zu.[37] Erklärt jedoch nur eine Person die Anfechtung, so wirkt die Anfechtung absolut, d.h. sie kommt auch den anderen Anfechtungsberechtigten zugute und führt zur Nichtigkeit zugunsten aller anfechtungsberechtigten Personen.[38] Nach a.A.[39] sei diese absolute Wirkung jedoch nicht sachgerecht, wenn man vom Sinn und Zweck dieser Regelung ausgehe, die dem Schutz der Interessen des Anfechtungsberechtigten dient. Dem Interesse sei daher genügt, wenn die Verfügung nur insoweit wegfällt, als dem Anfechtenden die Vernichtung zustattenkomme. Den anderen Anfechtungsberechtigten brauche daher nicht die Entscheidung abgenommen zu werden, ob sie nun die Verfügung gelten lassen wollen oder nicht. Loritz[40] ist der Ansicht, es müsse differenziert werden. In den Fällen, in denen derselbe Anfechtungsgrund mehrere Personen zur Anfechtung berechtige und dieser Grund nicht in ihrer Person begründet sei, müsse von einer absoluten Anfechtungswirkung ausgegangen werden. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn ein und derselbe Irrtum mehrere Personen betroffen hätte und der Erblasser eine Verfügung deshalb so getroffen hat, dass er all diese Personen von der Erbfolge ausgeschlossen habe. Es könne in diesen Fällen nur derjenige anfechten, auf den sich der Irrtum beziehe. Eine absolute Wirkung scheide aus.

 

Rz. 16

Es ist der h.M. zu folgen, die von einer absoluten Anfechtungswirkung zugunsten aller anfechtungsberechtigten Personen ausgeht, da den übrigen Beteiligten immer noch die Möglichkeit der Ausschlagung verbleibt, wenn sie die Anfechtung und den damit verbundenen Erwerb nicht gegen sich gelten lassen wollen. Dem Schutz des Anfechtungsberechtigten ist damit ausreichend gedient. Im Übrigen besteht auch bei mehreren Anfechtungsberechtigten die Gefahr, dass die Anfechtungsfrist unterschiedlich zu laufen beginnt, was zur Rechtsunsicherheit führt. Des Weiteren dient die Anfechtung auch dem Interesse des Erblassers. Eine Anfechtung verhilft dem hypothetischen Willen des Erblassers zum Erfolg, so dass eine absolute Wirkung der Anfechtung gerechtfertigt ist.

[37] BayObLG FamRZ 1983, 1275, 1277.
[38] BGH NJW 1985, 2025, 2026; Lange/Kuchinke, § 36VI 1a; Kipp/Coing, § 24IV 1b; Erman/Schmidt, § 2080 Rn 2; RGRK/Johannsen, § 2080 Rn 7; Staudinger/Otte (2013), § 2080 Rn 17; BeckOK BGB/Litzenburger, § 2080 Rn 7.
[39] MüKo/Leipold, § 2080 Rn 13.
[40] Soergel/Loritz, § 2080 Rn 19.

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