Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 6
Ist eine von mehreren Verfügungen in einem Testament unwirksam, so hat dies die Unwirksamkeit der übrigen Verfügungen nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde.
I. Mehrere Einzelverfügungen
Rz. 7
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 2085 BGB ist, dass ein Testament mehrere Verfügungen enthält. Beispiele hierfür sind: mehrere Erbeinsetzungen; Aussetzung eines oder mehrerer Vermächtnisse; Zuwendung unter Auflage; Zuwendung eines Nutzungs- und Verwaltungsrechts; wirksame Zuwendung von Firmenanteilen an mehrere Kinder, unwirksame Verfügung zugunsten der Tochter über ein Haus, das sich nicht mehr im Nachlass befindet; Erbeinsetzung und Verwirkungsklausel; Erbeinsetzung eines Dritten und Enterbung eines Pflichtteilsberechtigten; Anordnung von Vor- und Nacherbschaft (trotz Unwirksamkeit der Nacherbschaft kann die Vorerbschaft wirksam bleiben; die nachrangig angeordnete Nacherbfolge kann trotz Unwirksamkeit der vorrangigen Nacherbfolge wirksam bleiben); Anordnung einer Testamentsvollstreckung.
Rz. 8
Hat der Erblasser eine Person zum Alleinerben eingesetzt und verweist er den Pflichtteilsberechtigten auf den Pflichtteil, so liegen i.d.R. nicht mehrere Verfügungen vor, da es sich lediglich um einen Hinweis auf die gesetzliche Rechtsfolge handelt. Entsprach es allerdings dem Willen des Erblassers, und ist dies auch feststellbar, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten unabhängig von der Alleinerbeneinsetzung enterben wollte, liegen mehrere Verfügungen vor. Das ist dann der Fall, wenn der Erblasser eine Person zum Erben einsetzt und dem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entzieht. Der Erblasser bringt in derartigen Fällen ausdrücklich zum Ausdruck, dass es ihm auf eine Enterbung ankommt. Führt die Auslegung dazu, dass eine selbstständige Enterbung nicht gewollt war, und ist die Erbeinsetzung unwirksam, entfällt auch die damit korrespondierende Enterbung. Damit kann der Pflichtteilsberechtigte als gesetzlicher Erbe berufen sein.
Ob sich die Unwirksamkeit einer Erbeinsetzung auf die damit korrespondierende Enterbung auswirkt, ist auch sonst nicht nach dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 2085 BGB zu beantworten. Mit der Erbeinsetzung entfällt i.d.R. die darin liegende Enterbung. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn sich ein anderer Erblasserwille ermitteln lässt.
Rz. 9
Ist ein Testament vorhanden und liegen daneben ungültige Zusätze oder Nachträge zu diesem an sich wirksamen Testament vor, handelt es sich nicht um einen Fall des § 2085 BGB. Das Testament bleibt auch dann wirksam, wenn es dem wahren Willen des Erblassers widerspricht, es sei denn, die Anfechtung ist möglich. Im umgekehrten Fall, d.h. wenn ein Testament nichtig ist, der Nachtrag jedoch formgültig, kann dieser nach den allg. Auslegungsgrundsätzen aufrechterhalten bleiben, wenn davon auszugehen ist, dass der Erblasser die Aufrechterhaltung des Nachtrags gewollt hätte, wenn er von der Nichtigkeit des Testaments Kenntnis gehabt haben würde. § 2085 BGB findet ebenfalls keine Anwendung. Für den Fall jedoch, dass der Nachtrag eine Verfügung des Testaments ergänzt, ohne selbst eine eigene Verfügung zu enthalten, kann § 2085 BGB zur Anwendung kommen. Es liegt dann ein Testament vor, das in zwei Urkunden festgehalten ist.
Rz. 10
Es ist umstritten, ob die Vorschrift des § 2085 BGB auch im Falle der Unwirksamkeit einer Bedingung eingreift. Seitens der h.M., der auch zu folgen ist, wird sowohl eine direkte als auch eine analoge Anwendung sowohl des § 2085 BGB als auch des § 139 BGB abgelehnt. Dies wird zutreffend damit begründet, dass es sich bei einer Bedingung nicht um einen Zusatz zur letztwilligen Verfügung handelt. Vielmehr sei die Bedingung unmittelbarer Inhalt der letztwilligen Anordnung. Mit der Aufnahme der Bedingung nimmt der Erblasser selbst eine Beschränkung vor. Für den Fall, dass nicht ein anderer Erblasserwille feststellbar ist, führt die Unwirksamkeit der Bedingung daher i.d.R. zur Unwirksamkeit der gesamten Verfügung.