Rz. 12

Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 2085 BGB ist, dass der Testamentsinhalt feststeht. Weder eine direkte noch eine analoge Anwendung des § 2085 kommt dann in Betracht, wenn der Inhalt einer von mehreren letztwilligen Verfügungen unklar und nicht feststellbar ist.[36] Hierunter fällt, wenn zwar das gesamte Testament vorhanden, jedoch nur teilweise verständlich ist, oder auch, wenn nur noch ein Teil des Testaments vorhanden ist, weil der andere Teil vernichtet wurde und nicht mehr rekonstruiert werden konnte.[37] Im Falle der Ungewissheit einer einzelnen Verfügung ist daher i.d.R. das gesamte Testament unwirksam. Dies wird damit begründet, dass die unaufklärbare einzelne Verfügung den übrigen Anordnungen, die feststellbar sind, einen ganz anderen wirtschaftlichen Sinn geben kann. Eine andere Lösung kommt nur dann in Betracht, wenn ermittelt werden kann, dass die Verfügung, die nicht feststellbar ist, den übrigen Inhalt des Testamens entweder überhaupt nicht oder nicht wesentlich beeinflusst, und daraus geschlossen werden kann, dass es dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht, dass das übrige Testament ohne die aufklärbare Verfügung wirksam sein soll.[38] In diesen Fällen ist daher anhand der allg. Auslegungsgrundsätze zu erforschen, ob es dem Willen des Erblassers entspricht, dass der vorhandene Teil des Testaments Bestand haben soll.

Liegt Unwirksamkeit aufgrund der inhaltlichen Unbestimmtheit einer Verfügung vor, findet § 2085 BGB keine Anwendung. Im Falle, dass mehrere Erben alternativ eingesetzt wurden und diese Unbestimmtheit nicht im Wege der Auslegung aufgeklärt werden kann, ist von einer insgesamten Unwirksamkeit der Erbeinsetzung auszugehen.[39] Ob die Einsetzung des Erben betroffen ist für den Fall, dass die Einsetzung des Ersatzerben unwirksam sein sollte, z.B. weil ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB vorliegt, beurteilt sich hingegen nach § 2085 BGB, ist i.d.R. jedoch zu verneinen.[40]

[36] BGH NJW 1955, 460.
[37] BGH NJW 1955, 460; BayObLGZ 1967, 197, 206; BeckOK BGB/Litzenburger, § 2085 Rn 3; a.A. Staudinger/Otte (2013), § 2085 Rn 4 f.
[38] BGH NJW 1959, 2113.
[39] BayObLGZ 1998, 160, 165 = FamRZ 1999, 1119.
[40] BayObLGZ 1998, 160, 166 = FamRZ 1999, 1119.

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