Rz. 12

Die Regelung des § 2069 BGB gilt nur für Abkömmlinge des Erblassers. Sie kann auch nicht anlog angewandt werden, wenn der Erblasser andere Verwandte oder ihm sonst nahestehende Personen eingesetzt hat.[35] In einem solchen Fall ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob in der Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten (oder auch dessen Ehegatten) zu Ersatzerben zu berufen (§ 2096 BGB).[36] Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung an die Möglichkeit eines vorzeitigen Wegfalls des von ihm eingesetzten Erben tatsächlich gedacht hat und was er für diesen Fall wirklich oder mutmaßlich gewollt hat (sog. erläuternde Auslegung).[37] Kann der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Erblassers nicht festgestellt werden, ist eine ergänzende Auslegung in Betracht zu ziehen. Ist der Bedachte eine dem Erblasser nahestehende Person, so legt die Lebenserfahrung die Prüfung nahe, ob der Erblasser eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge gewollt hat oder gewollt haben würde.[38] Entscheidend bei der Zuwendung an einen fremden Abkömmling ist, ob die Zuwendung dem Bedachten als Ersten seines Stammes oder nur ihm persönlich gegolten hat. Die erforderliche Andeutung im Testament kann im ersten Fall (Zuwendung an den Ersten seines Stammes) schon in der Tatsache der Berufung dieser Person zum Erben gesehen werden.[39] Die Rechtsprechung geht hier mit der Andeutungstheorie sehr großzügig um. Dieser großzügige Umgang wird aber nur bei dem Erblasser nahe verwandter Personen (z.B. Nichte/Neffe) oder verschwägerter Personen (Ehegatte des Erblasser) gestattet; sind familienfremde Personen eingesetzt, werden für die Annahme einer Ersatzerbenberufung neben der Berufung der nahestehenden Person weitere Anhaltspunkte in der Verfügung von Todes wegen gefordert.[40]

 

Rz. 13

Siehe dazu auch § 2069 Rdn 24.

[35] BGH FamRZ 1973, 133.
[36] BayObLGZ 1982, 159.
[37] OLG Hamm FamRZ 1991, 1483; OLG Frankfurt FamRZ 1996, 829.
[38] OLG Düsseldorf ZEV 2012, 662 m. Anm. Horn = ErbR 2012, 316 = FamRZ 2013, 492 (Abkömmlinge der langjährigen Lebensgefährtin, im Ergebnis: nein).
[39] BayObLG ZEV 2004, 463 = FamRZ 2005, 68; BayObLG ZErb 2005, 90 = FamRZ 2005, 555; BayObLG ZEV 2005, 528 = FamRZ 2005, 840; OLG München ZErb 2006, 315 m. Anm. Tanck = ZEV 2007, 93 = FamRZ 2008, 306; OLG München ZEV 2007, 383 = FamRZ 2008, 187; OLG Schleswig FamRZ 2014, 693 (anders insoweit die Vorinstanz, AG Husum).
[40] OLG München ZErb 2013, 63 = FamRZ 2013, 1067.

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