Gesetzestext
(1)Der Nacherbe kann die Erbschaft ausschlagen, sobald der Erbfall eingetreten ist.
(2)Schlägt der Nacherbe die Erbschaft aus, so verbleibt sie dem Vorerben, soweit nicht der Erblasser ein anderes bestimmt hat.
A. Recht zur Ausschlagung
Rz. 1
Die Vorschrift billigt dem Nacherben das Recht zur Ausschlagung bereits mit dem Tod des Erblassers zu, obschon ihm (siehe § 2139 BGB) zu diesem Zeitpunkt die Erbschaft noch nicht angefallen ist. Dies Recht hat er für die gesamte Dauer der Vorerbschaft, da die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB erst mit Kenntnis des Eintritts des Nacherbfalls beginnt. Der Gesetzgeber wollte dem Nacherben im Interesse der Vertragsfreiheit hierdurch ein Mittel an die Hand geben, dem Vorerben sogleich die Rechtsposition des Vollerben zu verschaffen, wegen des Vorrangs anderweitiger Bestimmungen des Erblassers, Abs. 2 Hs. 2, ist die rechtsgeschäftliche Übertragung der Anwartschaft insoweit allerdings der sicherere Weg.
Rz. 2
Ist der eingesetzte Nacherbe nach dem Erblasser pflichtteilsberechtigt, kann ihn § 2306 Abs. 2 BGB dazu bestimmen, die Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 BGB zu erklären, um den Pflichtteil zu retten. Zwar läuft die Ausschlagungsfrist nach §§ 1944 Abs. 2 S. 1, 2139 BGB für ihn erst mit Kenntnis des Anfalls der Nacherbschaft, allerdings verjährt der Pflichtteilsanspruch in der Regelfrist des § 199 Abs. 1 BGB bereits mit Kenntnis vom Erbfall, nicht erst mit der Ausschlagung (siehe § 2332 Abs. 2 BGB).
Rz. 3
Soweit die Länge der Ausschlagungsfrist gem. § 1944 Abs. 3 BGB vom Wohnsitz abhängt, ist der Wohnsitz des Erblassers, nicht der des Vorerben entscheidend.
Rz. 4
Das Recht, die Erbschaft bereits nach dem Erbfall auszuschlagen, steht auch Nacherben zu, die unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung eingesetzt oder an zweiter oder fernerer Stelle berufen sind. Gleiches gilt für die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers; der Nacherbentestamentsvollstrecker kann die Nacherbschaft nicht ausschlagen. Ist ein Elternteil Vorerbe und sein Kind Nacherbe, bedarf es bei konkretem Interessenwiderstreit einer Pflegerbestellung zur Entscheidung über die Ausschlagung. Stirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall, geht sein Ausschlagungsrecht auf seine Erben über, wenn es vererblich war, § 2108 Abs. 2 BGB, oder auf den Ersatznacherben; oder es erlischt, wenn die Erbschaft dem Vorerben verbleibt. Stirbt der Nacherbe nach Eintritt des Nacherbfalls, geht das Ausschlagungsrecht auf seine Erben über, § 1952 BGB. Pfändung und Insolvenz lassen das Ausschlagungsrecht unberührt (vgl. § 83 Abs. 1 S. 1 InsO).
B. Annahme der Erbschaft
Rz. 5
§ 2142 BGB erwähnt die Annahme der Nacherbschaft nicht, es ist jedoch allg. Meinung, dass sie ebenso wie die Ausschlagung möglich ist und dass auch insoweit § 1946 BGB gilt. Die Annahme der Nacherbschaft kann demnach ebenfalls bereits ab dem Erbfall erklärt werden. Für eine vorgezogene Annahme besteht insofern ein Verkehrsschutzbedürfnis, als der Nacherbe seine Anwartschaft übertragen kann (vgl. § 2100 Rdn 24 ff.), denn der Erwerber ist erst durch die Annahme vor einer Ausschlagung und damit einem Verlust der Nacherbschaft gesichert. Die Annahmeerklärung ist an keine Form gebunden und kann daher auch konkludent erfolgen. Nach h.M. soll in der Verfügung über die Anwartschaft zugleich die schlüssige Annahme der Nacherbschaft zu sehen sein. Zwingend ist dies jedoch nicht; im Einzelfall kann durchaus beabsichtigt sein, dass der Erwerber das Risiko einer Ausschlagung durch den Nacherben tragen soll. Keine schlüssige Annahme liegt hingegen darin, dass der Nacherbe während der Vorerbschaft seine Nacherbenrechte und -pflichten wahrnimmt. Wird die Annahme angefochten, gilt dies auch dann als Ausschlagung gem. § 1957 Abs. 1 BGB, wenn die Anfechtung vor dem Eintritt des Nacherbfalls und damit vor Beginn der Ausschlagungsfrist erklärt worden ist.