Gesetzestext
Hat der Erblasser eine ihm gegen den Erben zustehende Forderung oder hat er ein Recht vermacht, mit dem eine Sache oder ein Recht des Erben belastet ist, so gelten die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse in Ansehung des Vermächtnisses als nicht erloschen.
A. Allgemeines/Normzweck
Rz. 1
Aufgrund des schuldrechtlichen Charakters des Vermächtnisses würde der Vermächtnisanspruch durch Konfusion (Schuld und Forderung vereinigen sich in einer Person) oder Konsolidation (beschränkte dingliche Rechte an einer Sache fallen mit dem Vollrecht in einer Person zusammen) erlöschen, wenn der Erblasser dem Vermächtnisnehmer eine ihm gegen den Erben zustehende Forderung oder ein zustehendes Recht vermacht, mit dem eine Sache oder ein Recht des Erben belastet ist. Das Vermächtnis würde unwirksam (§§ 2169, 2171 BGB). Da dieses vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, fingiert er, dass die Forderung bei Konfusion und Konsolidation in Ansehung des Vermächtnisses als nicht erloschen gilt.
B. Tatbestand
I. Forderung
Rz. 2
Voraussetzung ist zunächst, dass es sich bei dem Vermächtnis um eine Forderung des Erblassers handelt, die ihm gegen den Erben zusteht. Diese Forderung des Erblassers muss zudem vererblich sein. Nicht vererbliche Rechte fallen daher nicht unter § 2175 BGB: §§ 1059, 1061 BGB (Nießbrauch), §§ 1090 Abs. 2, 1092 BGB – beschränkte persönliche Dienstbarkeit.
II. Recht an einer Sache
Rz. 3
Hat der Erblasser ein Recht vermacht, mit dem ein Recht oder eine Sache des Erben belastet ist, soll dies nach § 2175 BGB nicht erlöschen. Liegt bspw. eine Konsolidation in Bezug auf ein dingliches Recht an einem Grundstück vor, führt die Vereinigung von Recht und Belastung in einer Person nicht zum Erlöschen des dinglichen Rechts (§§ 889, 1063 Abs. 2, 1068, 1256, 1273 BGB). Nicht vererbliche Rechte, wie insbesondere das Nießbrauchsrecht, bestehen fort bei einem rechtlichen Interesse an seinem Fortbestand (§ 1063 Abs. 2 BGB).
III. Entsprechende Anwendung
Rz. 4
Fraglich ist, ob § 2175 BGB in dem Fall entsprechend anwendbar ist, dass eine Personengesellschaft aus dem Erben und dem Erblasser besteht. Ist der Erblasser verstorben und hat seine Beteiligung vermacht, geht die gesellschaftsrechtliche Beteiligung unter, weil die Gesellschaft mit dem Wegfall des vorletzten Gesellschafters vollbeendet ist.Rudy schlägt hier vor, den Rechtsgedanken des § 2175 BGB heranzuziehen, um eine Neugründung der Gesellschaft zu vermeiden. Zumindest soll in diesen Fällen der Bedachte ersatzweise einen Anspruch gegen den Erben haben, mit ihm – dem Bedachten – eine neue Gesellschaft zu gründen.
Rz. 5
Keine Anwendung findet § 2175 BGB in dem Fall, dass der Erblasser eine Sache vermacht hat, die mit einem Recht des Erben belastet ist. Im Zweifel, vorbehaltlich eines anderen erkennbaren Willens des Erblassers, kann der Bedachte nach § 2165 Abs. 1 S. 1 BGB nicht die Beseitigung der Rechte verlangen, mit denen sein Vermächtnis belastet ist. Das Recht des Erben besteht somit fort.
C. Rechtsfolgen
Rz. 6
Sind die Voraussetzungen des § 2175 BGB erfüllt, so gelten die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse in Ansehung des Vermächtnisses als nicht erloschen. Die Forderung oder das Recht erlischt nur insoweit nicht ("… in Ansehung. …"), als sie zur Wirksamkeit des Vermächtnisses erforderlich sind. Damit haften Bürgen und Pfänder weiterhin für die vermachte Forderung. Von praktischer Bedeutung ist dies, wenn dem Bedachten nur ein Teil der Forderung zugewendet wurde.
D. Verfahrensfragen und Prozesstaktik
Rz. 7
Auch die Forderung aus einem Vermächtnis fällt dem Bedachten nicht automatisch zu. Davon ausgehend, dass der Erbe zugleich der Beschwerte ist (§ 2147 S. 2 BGB), stehen dem Bedachten gegen den Erben zwei Forderungen zu: Zum einen besteht der Anspruch auf Übertragung der Forderung und zum anderen auf Erfüllung der übertragenen Forderung. In diesem Fall kann der Bedachte seine Begehren nach § 260 ZPO miteinander verbinden und in einem Verfahren geltend machen. Gegebenenfalls ist durch Auslegung des Klageantrags, der nur auf die Erfüllung der vermachten Forderung gerichtet ist, von einer Klageverbindung auszugehen.
Rz. 8
Bei der Vollstreckung ist zu beachten, dass im Falle einer Klageverbindung die Vollstreckung des Urteils auf Erfüllung der vermachten Forderung erst zulässig sein soll, wenn dieses rechtskräftig ist. Zur Begründung wird auf § 894 ZPO verwiesen. Demgegenüber vergleicht Otte die Situation mit der, wie sie vor der Reform der Sachmängelgewährleistung bei der Klage des wandlungsberechtigten Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises bestand, und der Situation bei der Zahlungsklage im Falle einer unbilligen oder verzögerten Leistungsbestimmung. D...