Rz. 10
Der Erblasser kann ohne Weiteres dem Testamentsvollstrecker eine transmortale Vollmacht oder eine postmortale Vollmacht erteilen. Auch eine andere Person als die des Testamentsvollstreckers kann mit derartigen Vollmachten ausgestattet werden. Testamentsvollstreckung und Vollmacht stehen somit isoliert nebeneinander. Sofern einem Erben oder einem Dritten Vollmacht erteilt wurde, ist es Auslegungsfrage, inwieweit die Testamentsvollstreckung durch die Vollmacht (und umgekehrt) beschränkt werden soll. Im Allgemeinen wird es der maßgebliche Wille des Erblassers sein, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestehen. So kann es Konstellationen geben, in denen sich die Befugnisse des Testamentsvollstreckers einerseits und des Bevollmächtigten andererseits partiell decken, z.B. wenn das vorweggenommene Geschäft auch aus Sicht des Vollmachtgebers nicht zu einer Kollision mit den Aufgaben des Testamentsvollstreckers führt und dann beide Personen die Rechtsmacht für das entsprechende Geschäft besitzen. Kommt die Auslegung zu keinem Ergebnis, bleibt es bei dem isolierten Nebeneinander von Vollmacht und Testamentsvollstreckung. Durch Erteilung einer Generalvollmacht wird die Handlungsfähigkeit des Nachlasses nach dem Erbfall bis zum eigentlichen Amtsantritt des Testamentsvollstreckers erweitert. Im Unterschied zum Testamentsvollstrecker ist der Bevollmächtigte von Verfügungsbeschränkungen regelmäßig befreit. Er kann ohne weitere Nachweise, wie z.B. ein Testamentsvollstreckerzeugnis, seine Handlung vornehmen. Genehmigungen des Familiengerichts sind entbehrlich. Die Vertretungsmacht bezieht sich grundsätzlich nur auf den Nachlass, nicht aber auch auf das persönliche Vermögen der Erben. Eine Vollmacht kann jedoch jederzeit durch den Erben widerrufen werden. Ungeachtet dessen kann eine Spezialvollmacht unwiderruflich, befristet oder bis zum Eintritt einer auflösenden Bedingung unwiderruflich erteilt werden.
Besteht eine Erbengemeinschaft, hat jeder einzelne Erbe das Recht zum Widerruf. Widerruft ein Miterbe, wird die Vertretungsmacht für die anderen Miterben nicht gleichzeitig mit widerrufen und bleibt somit unberührt. Der Widerruf eines Miterben führt aber zum Verlust der alleinigen Verfügungsbefugnis über die erbengemeinschaftlichen Nachlassgegenstände. Eine Generalvollmacht ist wie auch eine isolierte Vollmacht immer widerruflich. Sofern der Erblasser einen Widerruf verhindern will, kann er z.B. die Erbenstellung unter eine auflösende Bedingung für den Fall stellen, dass der Erbe die Vollmacht widerruft.
Rz. 11
Die Vollmacht kann formfrei wegen § 167 Abs. 2 BGB erteilt werden. Aufgrund der Nachweisproblematik sollte entweder eine notarielle Beglaubigung der Unterschrift oder aber Beurkundung der Vollmacht erfolgen. Soll der Testamentsvollstrecker in Grundbuchsachen tätig werden, bedarf es ohnehin wegen § 29 GBO der notariellen Form. Aufgrund der Zugangsproblematik macht es wenig Sinn, im Rahmen einer letztwilligen Verfügung zusammen mit der Testamentsvollstreckung eine postmortale Vollmacht zu erteilen. Dies sollte in einer getrennten Urkunde erfolgen. Ebenso sollte das Verhältnis der Vollmacht zur Testamentsvollstreckung klargestellt werden.
Rz. 12
Übersicht: Unterschiede
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Testamentsvollstrecker |
Bevollmächtigter |
Unterschiede in den Befugnissen TV/Bevollmächtigter |
Schenkungsverbot (§ 2205 BGB) zeitliche Begrenzung (§ 2210 BGB) Verpflichtungsbefugnis nur hinsichtlich Nachlass |
gilt für Bevollmächtigten nicht keine zeitliche Begrenzung Verpflichtungsbefugnis über den Nachlass hinaus |
Amtsbeginn |
erst mit Amtsannahme gem. § 2202 BGB |
bei postmortaler Vollmacht mit Tod des Erblassers |
Vollstreckungsschutz |
Eigengläubiger des Erben können nicht in Nachlass vollstrecken |
kein Vollstreckungsschutz |
Widerruf durch Erben |
nicht möglich |
möglich, wenn nicht ausdrücklich unwiderruflich (nicht möglich bei Generalvollmacht) |
verbleibende Befugnisse der Erben für Rechtshandlungen |
werden i.R.d. Aufgaben des TV grds. ausgeschlossen, und zwar auch mit dinglicher Wirkung (§§ 2211, 2208 BGB) |
können nicht genommen werden; keine verdrängende Vollmacht möglich nur Strafklauseln bei abweichendem Verhalten |
Rz. 13
Sofern der Testamentsvollstrecker Dritten eine Vollmacht erteilt, vertritt die h.M. die Ansicht, der vom Testamentsvollstrecker Bevollmächtigte vertrete nicht die Erben, sondern den Testamentsvollstrecker. Dies hätte zur Folge, dass mit der Amtsbeendigung gleichzeitig auch die Bevollmächtigung endet. Mit Muscheler ist jedoch vielmehr auf den Einzelfall abzustellen, wie weit die Amtskompetenz des Testamentsvollstreckers reicht und wie das Rechtsgeschäft der Vollmachtserteilung auszulegen ist. Aus den vom Bevollmächtigten abgeschlossenen Geschäften entstehen reine Nachlassverbindlichkeiten, woraus Nachlasserbenschulden werden, wenn die Voraussetzungen einer vom Erben selbst "erteilten" Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorliegen.