Rz. 4

Wichtigstes Tatbestandselement der Errichtung eines öffentlichen Testaments durch mündliche Erklärung gegenüber einem Notar ist das Erfordernis der persönlichen Errichtung. Diese umfasst zwei Komponenten, nämlich zum einen die persönliche Kundgabe der Erklärung des Erblassers gegenüber dem Notar und zum anderen die nach Vorlesung folgende Genehmigung der vom Notar zu errichtenden Niederschrift durch den Erblasser selbst.[1]

[1] Bzgl. der Kontrollfunktion des Notars vgl. BVerfG DNotZ 2009, 702, 704; DNotZ 2012, 945; Baumann, MittRhNotK 1996, 1.

1. Persönliche Kundgabe

 

Rz. 5

Die persönliche Errichtung erfordert grundsätzlich eine mündliche Erklärung des Erblassers gegenüber dem Notar als Verhandlungsführer. Nicht ausreichend ist daher eine mündliche Erklärung des Erblassers gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten wie etwa Zeugen oder einem zweiten Notar.[2]

 

Rz. 6

Entsprechendes muss auch bei der Einschaltung technischer Hilfsmittel gelten. So steht das Abspielen einer Tonband- oder Kassettenaufnahme der mündlichen Erklärung des Erblassers nur dann gleich, wenn es in persönlicher Gegenwart des Erblassers vor dem Notar abgespielt und vom Testierenden als seinen letzten Willen enthaltend bestätigt wird.[3]

 

Rz. 7

Wegen des fehlenden persönlichen Kontaktes ist daher eine telefonische Erklärung gegenüber dem Notar nicht ausreichend, selbst wenn es sich um eine Bildtelefonanlage handeln sollte, weil auch dann keine Gewähr dafür besteht, dass das übermittelte Wort tatsächlich vom Erblasser stammt.[4] Der telefonischen Erklärung kann daher grds. nur die Bedeutung einer Vorbesprechung zukommen.[5]

 

Rz. 8

Probleme bereiten kann daher auch die Testamentserklärung in der Isolierstation eines Krankenhauses unter Benutzung einer Sprechanlage. Dies ist nur dann möglich, wenn über eine bestehende Sichtverbindung hinaus auch sichergestellt ist, dass die zu vernehmende Erklärung tatsächlich vom Erblasser stammt,[6] wenn es sich also um bloße technische Lautverstärker[7] handelt.[8]

 

Rz. 9

Entsprechendes muss auch dann gelten, wenn ein Behinderter sich nur durch Gestik und Mimik artikulieren kann, die allein der Verständigungshelfer deuten und dem Notar übermitteln kann.[9]

[2] MüKo/Hagena, § 2232 Rn 16; vgl. zudem RG JW 1910, 61; Burkart, DNotZ 1989, 587, 588.
[3] MüKo/Hagena, § 2232 Rn 4; Soergel/Mayer, § 2232 Rn 15; Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2232 Rn 10.
[4] Dazu Lange/Kuchinke, § 19 III 3a a).
[5] MüKo/Hagena, § 2232 Rn 4.; Staudinger/Baumann, § 2232 Rn 31; Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2232 Rn 10.
[6] Vgl. OLG Frankfurt NJW 1973, 1131, 1132; MüKo/Hagena, § 2232 Rn 4; Soergel/Mayer, § 2232 Rn 15; großzügiger Lange/Kuchinke, § 19 III 3a a).
[7] Staudinger/Baumann, § 2232 Rn 34; Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2232 Rn 10.
[8] A.A. aber OLG Hamm DNotZ 1978, 54, 55 ff.
[9] Bedenken auch bei Soergel/Mayer, § 2232 Rn 10; kritisch zudem Reimann, FamRZ 2002, 1383, 1384; a.A. Rossak, ZEV 2002, 435.

2. Verständlichkeit

a) Mündlichkeitsprinzip

 

Rz. 10

Durch diese persönliche Kundgabe muss dem Notar der letzte Wille des Erblassers auch verständlich werden, d.h. er muss die benutzten Worte inhaltlich verstehen. Dies bedeutete nach der alten – bis zum 31.7.2002 geltenden – Gesetzesfassung eine mündliche Erklärung des letzten Willens, so dass es für diese Testamentsform unerlässlich war, dass der Erblasser sprechen kann und sich durch Sprache verständlich machen konnte.[10] Dies setzte zwar keine zusammenhängende Rede des Erblassers voraus,[11] vielmehr war auch eine Erklärung in Form von Frage und Antwort[12] oder einzelner Erklärungspunkte möglich. Ausgeschlossen blieb damit aber die Errichtung eines Testaments durch Erklärung gegenüber dem Notar in Gebärdensprache,[13] da von einer mündlichen Erklärung auch bei weiter Auslegung dann nicht mehr gesprochen werden konnte, wenn der Gebrauch der Sprache ganz unterbleibt.[14]

 

Rz. 11

Mit diesem strengen Festhalten am Mündlichkeitsprinzip einher ging zwingend der Ausschluss von schreib- und sprechunfähigen Mehrfachbehinderten von der Möglichkeit, Testamente wirksam zu errichten.[15] In dem so begründeten generellen Ausschluss dieses Personenkreises von der Testierfähigkeit sah das BVerfG jedoch einen Verstoß gegen die Erbrechtsgarantie von Art. 14 Abs. 1 GG sowie den allg. Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und ebenso gegen das spezielle Benachteiligungsverbot für Behinderte in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG.[16]

 

Rz. 12

Nachdem zunächst in einer sog. "kleinen Lösung" nur vorgesehen werden sollte, ausschließlich für diese Mehrfachbehinderten in einem neuen § 2233 Abs. 4 BGB eine Testiermöglichkeit zu schaffen, ansonsten aber am Mündlichkeitsprinzip festzuhalten,[17] entschied man sich dann jedoch für die "große Lösung" unter völliger Preisgabe des Mündlichkeitsprinzips beim öffentlichen Testament für alle Testierenden.[18] Nunmehr genügt es zur Errichtung eines öffentlichen Testaments, dass der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen erklärt; eine "phonetisch-stimmliche Artikulation"[19] ist nicht mehr erforderlich. Die Erklärung des letzten Willens kann nunmehr auch mi...

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