Prof. Dr. Rainer Deininger
Rz. 3
Entscheidend für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 2250 BGB ist der Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Ob bspw. vor oder nach Eintritt der Notlage die Errichtung eines Testaments vor einem Bürgermeister oder Notar möglich war, ist irrelevant.
I. Aufenthalt an einem abgesperrten Ort
Rz. 4
Hält sich der Erblasser an einem Ort auf, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist, hat er die Wahl zwischen der Errichtung eines Testaments in der Form des Bürgermeistertestaments (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 2249) oder eines Dreizeugentestaments.
1. Örtliche Absperrung
Rz. 5
Die Ursachen der örtlichen Absperrung sind vielfältig: Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Lawinen, Erdbeben, Erdrutsche; aber auch Quarantäne oder Maßnahmen der Polizei oder des Militärs in Krisenregionen können zu einer örtlichen Absperrung i.S.v. Abs. 1 führen. Auch Wegzerstörungen können das Vorliegen der örtlichen Absperrung begründen. Diese Gründe müssen kausal dafür sein, dass der Erblasser einen Notar nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erreichen kann. Dabei muss die örtliche Absperrung entweder objektiv oder subjektiv nach Vorstellung des Bürgermeisters oder der drei Zeugen vorliegen. Ist diese Vorstellung bei dem Bürgermeister oder den drei Zeugen nicht gegeben, und liegt auch objektiv keine Absperrung vor, ist das dennoch errichtete Testament nichtig. Die subjektive Vorstellung des Erblassers, die Voraussetzungen einer örtlichen Absperrung seien gegeben, reicht nicht aus. Unbedeutend ist dabei das örtliche Ausmaß der Absperrung (gesamte Gemeinde oder nur das einzelne Haus). An einem solchen Ort muss sich der Erblasser aufhalten. Damit ist der tatsächliche, momentane Aufenthaltsort gemeint, nicht etwa der Wohnsitz. In zeitlicher Hinsicht trifft das Gesetz keine Feststellung. Unerhebliche Zeiträume, in denen die Notsituation besteht, berechtigen jedoch grundsätzlich nicht zur Errichtung eines Dreizeugentestaments.
2. Besorgnis, Errichtung vor Notar nicht möglich oder erheblich erschwert
Rz. 6
Es reicht aus, dass die Besorgnis, die Errichtung eines Testaments vor einem Notar sei nicht möglich oder erheblich erschwert, bei dem Bürgermeister/den drei Zeugen vorliegt. Liegt diese Besorgnis nicht vor, ist das dennoch errichtete Testament nichtig.
3. Besorgnis des vorzeitigen Ablebens
Rz. 7
Die Besorgnis des vorzeitigen Ablebens ist i.R.d. Abs. 1 keine Voraussetzung (im Unterschied zu § 2249 BGB). Errichtet der Erblasser das Testament bei örtlicher Absperrung vor dem Bürgermeister, ist daher das Vorliegen der Besorgnis vorzeitigen Ablebens nicht erforderlich.
II. Nahe Todesgefahr
1. Nahe Todesgefahr
Rz. 8
Befindet sich der Erblasser in so naher Todesgefahr, dass voraussichtlich die Errichtung eines Bürgermeistertestaments nicht mehr möglich ist, kann das Testament nach Abs. 2 durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet werden. Zwar ist der Gesetzestext objektiv formuliert ("Wer sich in so naher Todesgefahr befindet"), es reicht jedoch aus, wenn die Zeugen übereinstimmend vom Vorliegen der nahen Todesgefahr überzeugt sind. Sind nicht alle Zeugen dieser Auffassung, ist das Testament nur gültig, wenn die nahe Todesgefahr objektiv vorlag. Die Vorstellungen des Erblassers über den Grad der Todesgefahr sind irrelevant. Dabei kann die Todesgefahr auf einer schon lang anhaltenden Krankheit beruhen, d.h. sie muss nicht akut auftreten. Die Todesgefahr lag objektiv vor, wenn der Erblasser wenige Tage nach der Testamentserrichtung verstirbt.
2. Besorgnis, Errichtung vor Notar oder Bürgermeister nicht möglich oder erheblich erschwert
Rz. 9
In der Konstellation des Abs. 2 ist die Besorgnis Voraussetzung, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder einem Bürgermeister nicht möglich oder erheblich erschwert ist. Liegt diese Besorgnis nicht vor, ist das dennoch errichtete Testament nichtig. Sind die drei Zeugen hiervon überzeugt, ist das Testament auch wirksam, wenn die Besorgnis objektiv unbegründet war. Die Auffassung des Erblassers hierzu ist wiederum irrelevant.
III. Gleichgestellter Fall der bis zum Tod andauernden Testierunfähigkeit
Rz. 10
Die Besorgnis einer bis zum Tod andauernden Testierunfähigkeit wird der nahen Todesgefahr gleichgestellt. Es muss die Gefahr bestehen, dass der Erblasser ununterbrochen oder nur mit wenigen Unterbrechungen bis zum Tod testierunfähig bleibt, so dass eine Testamentserrichtung nicht mehr gewährleistet ist.
IV. Zur Mitwirkung erforderliche Personen
Rz. 11
Die nachfolgend genannten Personen müssen über den gesamten Errichtungsakt des Testaments ohne Unterbrechung anwesend sein.
1. Bürgermeister/Gutsbezirksvorsteher
Rz. 12
Zum einen kann nach Wahl des Erblassers der Bürgermeister Urkundsperson sein (Abs. 1 Alt. 1). Vgl. in diesem Zusammenhang die K...