Gesetzestext
Der Erblasser kann ein Testament sowie eine einzelne in einem Testament enthaltene Verfügung jederzeit widerrufen.
A. Freies Widerrufsrecht
Rz. 1
Die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs eines Testaments ist Ausdruck der verfassungsrechtlich garantierten Testierfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG. Mit Ausnahme von wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten (§ 2271 BGB) und vertragsmäßig bindenden Verfügungen in Erbverträgen (§§ 2253, 2289 ff. BGB) kann der Erblasser daher ein Testament oder einzelne in einem Testament enthaltene Verfügungen jederzeit widerrufen (Widerrufstestament). So wie die Errichtung des Testaments setzt auch der Widerruf eines Testaments beim Erblasser Testierfähigkeit voraus. Nach § 2257 BGB kann ebenso der Widerruf einer letztwilligen Verfügung selbst widerrufen werden. Ferner ist der Widerruf nach § 2078 BGB anfechtbar. Dies gilt auch für die Fälle der §§ 2255, 2256 und 2272 BGB.
B. Widerrufsmöglichkeiten
Rz. 2
Der Widerruf einer letztwilligen Verfügung kann lediglich auf vier verschiedene Arten und Weisen geschehen (sog. Numerus clausus der Widerrufsformen): So kann der Erblasser eine letztwillige Verfügung nach § 2254 BGB durch ein sog. Widerrufstestament (§ 2254 BGB) und durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB) widerrufen. Ferner wird ein früheres Testament durch die Errichtung eines weiteren Testaments aufgehoben, soweit das spätere Testament mit dem früheren Testament im Widerspruch (Widerspruchstestament) steht (§ 2258 BGB). Letztlich gilt die Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung nach § 2256 BGB als Widerruf.
Rz. 3
Die Formen des Widerrufs sind abschließend geregelt. Möglich ist allerdings, den Widerruf unter eine Bedingung oder Befristung zu stellen oder einzelne Anordnungen innerhalb der Verfügung von Todes wegen auflösend bedingt auszugestalten, §§ 2074 ff. BGB.
Rz. 4
Ein Widerruf der letztwilligen Verfügung ist jederzeit möglich. Dies gilt jedenfalls so lange, wie der Erblasser selbst testierfähig ist. Nach diesem Grundsatz kann also auch eine unter Betreuung stehende Person, jedenfalls solange Testierfähigkeit noch gegeben ist, grundsätzlich ein bereits errichtetes Testament widerrufen.
Rz. 5
Eine Stellvertretung beim Widerruf ist infolge des Grundsatzes des actus contrarius zur Testamentserrichtung und des damit verbundenen Gebots der Höchstpersönlichkeit nicht möglich.
C. Rechtsfolgen
Rz. 6
Ist der Widerruf wirksam erklärt, dann gilt die widerrufene letztwillige Verfügung im Zeitpunkt des Erbfalls (ganz oder teilweise) als beseitigt. Das Erbrecht beruht auch dann auf dem späteren Widerrufstestament, wenn in diesem die widerrufsfreie Erbfolge erneut angeordnet wird. Wird daher in einem späteren handschriftlichen Testament eine Erbfolge bestimmt und damit eine in einem notariellen Testament angeordnete Vorerbschaft widerrufen, ist das handschriftliche Testament für die Frage maßgebend, ob ein Erbschein zur Umschreibung des Grundbuchs benötigt wird, auch dann, wenn beide Male dieselbe Person Erbe ist. Ein teilweise widerrufenes Testament kann dann als Eintragungsgrundlage dienen, wenn sich durch Auslegung ergibt, dass das Widerrufstestament den Fortbestand der Erbeinsetzung aus dem früheren Testament nicht berührt.
Rz. 7
Die Beweislast für den wirksamen Widerruf trägt derjenige, der das widerrufene Testament nicht gegen sich gelten lassen will. Will hingegen der aufgrund einer angeblich widerrufenen Verfügung von Todes wegen Begünstigte den Widerruf unter Berufung auf einen Ausnahmetatbestand nicht hinnehmen, so hat er das Vorliegen des streitigen Ausnahmetatbestands nachzuweisen.
Den aus einer nachgewiesenermaßen widerrufenen Verfügung von Todes wegen Bedachten trifft die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands, wenn die Gültigkeit des Widerrufs aufgrund des Vorliegens eines Ausnahmetatbestands streitig ist.
Literaturtipps
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Literatur |
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Roth, Tücken der Testamentsrücknahme aus amtlicher Verwahrung, NJW-Spezial 2016, 103. |