Rz. 15

Bei Wechselbezüglichkeit der Verfügungen liegt i.d.R. ein starkes Indiz gegen den Aufrechterhaltungswillen vor.[23] Auch hier sind jedoch Fälle denkbar, in denen ein Aufrechterhaltungswille bejaht werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn gemeinsame Kinder bereits nach dem Erstverstorbenen als Erben eingesetzt sind.[24] Bei der Bedenkung nicht gemeinsamer, sondern eigener Abkömmlinge nur eines Erblassers wird man einen solchen Aufrechterhaltungswillen aber nicht konstruieren können.[25] Werden nach Abs. 2 wechselbezügliche Verfügungen weiterhin als wirksam betrachtet, stellt sich die Frage, ob diese auch nach der Eheauflösung als wechselbezüglich i.S.d. §§ 2270, 2271 BGB anzusehen sind.

 

Rz. 16

Hier wird vertreten, dass mit der Auflösung der Ehe zwangsläufig die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen entfällt; diese sollen danach frei widerruflich sein. Eine über die Auflösung der Ehe hinausbestehende Bindung könne nur in einem Erbvertrag vereinbart werden.[26]

 

Rz. 17

Insbesondere das BayObLG geht in seiner Rspr. von einer Fortgeltung auch der Wechselbezüglichkeit aus.[27] Das Gesetz enthält zu dieser Frage jedenfalls keine Regelung. Dies spricht eher für die prinzipielle Möglichkeit, die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auch nach Ehescheidung zu bejahen. Es erscheint wenig konsequent, zunächst bei der Feststellung des Aufrechterhaltungswillens nach § 2268 BGB zu einer Fortgeltung der wechselbezüglichen Verfügung zu gelangen, in dieser an sich ungewöhnlichen und vom Regelfall abweichenden Konstellation dann aber auf jeden Fall die Wechselbezüglichkeit fortfallen zu lassen. Vielmehr spricht hier alles dafür, die über die Scheidung hinaus als wirksam betrachteten Verfügungen dann auch als wechselbezüglich fortbestehen zu lassen, bspw. im Fall der Einsetzung der gemeinsamen Kinder bereits als Erben des Erstversterbenden.

 

Rz. 18

Aus der Tatsache, dass das Gesetz das Formprivileg der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nur Ehegatten bzw. den Partnern einer nichtehelichen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft einräumt, kann nicht gefolgert werden, dass zwingend jede Wechselbezüglichkeit mit der Auflösung der Ehe bzw. der Lebenspartnerschaft zu enden hätte. Das Formprivileg betrifft nur den Errichtungsakt. Über die Wirkung einer Scheidung auf die Wechselbezüglichkeit ist damit nichts ausgesagt. Es wird daher in jedem Einzelfall zu prüfen sein, ob der Wille der Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung dahin ging, dass auch für den Fall der Scheidung die Wechselbezüglichkeit aufrechterhalten bleiben sollte.[28]

 

Rz. 19

Der BGH hat diesen Meinungsstreit dahingehend entschieden, dass wechselbezügliche Verfügungen ihren wechselbezüglichen Charakter nicht mit Beendigung der Ehe verlieren. Demgemäß gelten für diese Verfügungen weiterhin die §§ 2270, 2271 BGB. Wechselbezügliche Verfügungen können demnach auch nach Scheitern der Ehe nicht einseitig aufgehoben werden.[29]

[23] OLG Hamm OLGZ 1992, 272; Staudinger/Kanzleiter, § 2268 Rn 10.
[24] BayObLGZ 1993, 240; Mayer, ZEV 1997, 280.
[25] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2268 Rn 11, a.A. Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2268 Rn 5.
[26] So Staudinger/Kanzleiter, § 2268 Rn 11; Muscheler, DNotZ 1994; 733, 742 ff.; für eine Prüfung im Einzelfall Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2268 Rn 12; Kuchinke, DNotZ 1996, 310.
[27] BayObLGZ 1993, 240, 246 = NJW-RR 1993, 1157 m.w.N.; BayObLG NJW 1996, 133.
[28] Palandt/Weidlich, § 2268 Rn 2, der allerdings daran zweifelt, ob nicht ohnehin jede Wechselbezüglichkeit zwingend mit Eheauflösung endet.
[29] BGH NJW 2004, 3113; zur Kritik hierzu vgl. Palandt/Weidlich, § 2268 Rn 4 und Kanzleiter, ZEV 2005, 181.

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