Gesetzestext
(1)Ein gemeinschaftliches Testament ist in den Fällen des § 2077 seinem ganzen Inhalt nach unwirksam.
(2)Wird die Ehe vor dem Tod eines der Ehegatten aufgelöst oder liegen die Voraussetzungen des § 2077 Abs. 1 Satz 2 oder 3 vor, so bleiben die Verfügungen insoweit wirksam, als anzunehmen ist, dass sie auch für diesen Fall getroffen sein würden.
A. Normzweck
Rz. 1
Im Falle der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments gehen die Eheleute im Regelfall vom Bestand der Ehe bis zum Tod eines Ehegatten aus. Die Lebenserfahrung spricht daher dafür, dass sie ein gemeinschaftliches Testament nicht errichtet hätten, hätten sie mit dem Scheitern ihrer Ehe gerechnet. Dieser Erfahrungssatz liegt der Vorschrift des § 2268 BGB zugrunde. In den Protokollen zum BGB ist niedergelegt, "dass alle Gründe, die für die Zulassung des gemeinschaftlichen Testaments sprechen, entfielen, sobald eine Ehe getrennt wäre, dass es sich aus Zweckmäßigkeitsgründen empfehle, mit der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments das ganze Testament wegfallen zu lassen. Man vermeidet damit die schwierige Sonderung der korrespektiven von den nicht korrespektiven Verfügungen". Wenn es die Vorschrift des § 2268 BGB nicht gäbe, müsste man nach § 2077 BGB diejenigen letztwilligen Verfügungen eines Ehegatten als unwirksam betrachten, durch die er seinen Ehepartner bedacht hat. Die Wirksamkeit der restlichen Verfügungen wäre nach den § 2085 BGB und für den Fall des Bedenkens dritter Personen nach § 2270 BGB zu beurteilen, soweit diese Verfügungen wechselbezüglich sind.
B. Regelungen des Abs. 1
I. Allgemeines
Rz. 2
Abs. 1 ist eine dispositive Auslegungsregel, die gilt, solange nicht die Regelung des Abs. 2 eingreift. In den Fällen des § 2077 BGB, nämlich bei Scheidung, Scheidungsantrag oder Zustimmung zu einem solchen, Aufhebung, Nichtigkeitserklärung nach früherem Recht und Tod des Antragstellers während des laufenden Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens, soll das gemeinschaftliche Testament seinem ganzen Inhalt nach unwirksam sein. Einschlägig ist demnach hier nicht § 2077 BGB, sondern § 2268 BGB als lex specialis. Allerdings erweitert § 2268 BGB die Rechtsfolgen des § 2077 BGB, indem er diese auch auf Verfügungen ausdehnt, mit denen Dritte bedacht werden. Auch umfasst er im Gegensatz zu § 2077 BGB gleichfalls Verfügungen, in denen nur Dritte bedacht werden. Das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten ist in diesen Fällen insgesamt und vollständig unwirksam – nicht nur hinsichtlich der wechselbezüglichen Verfügungen. Auch Verfügungen zugunsten Dritter und nicht wechselbezügliche Verfügungen sind ihrem ganzen Inhalt nach unwirksam. Selbst wenn in dem gemeinschaftlichen Testament ausschließlich Dritte bedacht wurden, ist dieses Testament seinem ganzen Inhalt nach unwirksam. Zwar setzt § 2077 BGB voraus, dass wenigstens einem Ehegatten von dem anderen etwas zugewendet wird, so dass man bei rein wörtlicher Auslegung dazu neigen könnte, hier das Vorliegen eines Falles des § 2077 BGB nach Abs. 1 zu verneinen. Richtigerweise wird man nach Normzweck und Entstehungsgeschichte des § 2268 BGB aber annehmen müssen, dass mit den Worten "in den Fällen des § 2077" lediglich die dort genannten Ehebeseitigungsfälle gemeint sind.
II. Eingetragene Lebenspartnerschaft
Rz. 3
Die Vorschrift des § 2268 BGB ist auch auf die eingetragene Lebenspartnerschaft entsprechend anwendbar, § 10 Abs. 4 LPartG, bei Auflösung der Lebenspartnerschaft nach § 15 LPartG.
III. Erneute Heirat
Rz. 4
Haben die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament verfasst und ist deren Ehe geschieden worden, so lebt das gemeinschaftliche Testament, das durch die rechtskräftige Scheidung der Ehe nach Abs. 1 unwirksam geworden ist, auch nicht wieder auf, wenn die Eheleute erneut heiraten.
IV. Analoge Anwendung
1. Tod während des Scheidungsverfahrens
Rz. 5
Stirbt ein Ehegatte während eines anhängigen Scheidungsverfahrens, dann wird ein gemeinschaftliches Testament unwirksam, wenn es der verstorbene Ehegatte war, der die Scheidung der Ehe beantragt, ihr zugestimmt oder eine begründete Aufhebungsklage erhoben hatte. Der Gesetzeswortlaut umfasst hingegen nicht den Fall, dass der Ehegatte, gegen den der Scheidungsantrag gerichtet ist und der der Ehescheidung nicht zugestimmt hat, zuerst verstirbt. Die sich hieraus ergebende Konsequenz wird im Schrifttum heftig kritisi...